Keine Lust mehr aufs Auto? Der Führerschein ist noch immer angesagt


Im Jahr 2022 machten laut Kraftfahrtbundesamt fast eine Million Menschen in Deutschland den Führerschein der Klasse B.
(Foto: picture alliance / Zoonar)
Machen immer weniger Menschen den Führerschein? Sieht so aus, allerdings ergeben sich unterschiedliche Bilder, wenn man das Geschehen prozentual oder in absoluten Zahlen betrachtet. Und die Rückschlüsse sind wiederum andere, als man vielleicht denkt. Verwirrung komplett? ntv.de erklärt.
Immer weniger Menschen machen in Deutschland den Führerschein - vor allem die jungen. So oder so ähnlich klingt es bereits seit Jahren, ob bei Diskussionen unter Freunden, in den Medien oder beim Stammtisch. Doch der springende Punkt dabei ist ein anderer als das bloße (vermeintliche) Desinteresse am Führerschein. Dahinter steckt ja der Gedanke: Nimmt das Interesse an individueller Mobilität generell ab oder gar die Lust am Auto?
Und spätestens jetzt entsteht ganz viel Spielraum für unterschiedliche Interpretationen. Doch der Reihe nach. Möchte man ermitteln, wie groß die Lust am Auto wirklich ist, spielen womöglich noch ganz andere Faktoren eine Rolle. Beispielsweise die jährlichen Neuzulassungen von Kraftfahrzeugen in der Republik sowie der Bestand an Personenwagen im ganzen Land. Und Letzterer kennt nur einen Weg: nach oben, und zwar steil. Meldete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Jahr 1955 noch 1,7 Millionen zugelassene PKW, waren es zehn Jahre später bereits 9,2 Millionen. Im Jahr 1980 fuhren bereits 23,1 Millionen Vehikel über die Straßen der Republik.
Ende des Wachstums in Sicht? Aber so gar nicht! Im Jahr der Wiedervereinigung, also 1990, fahren schon 30,6 Millionen Autos herum hierzulande und noch immer werden es mehr. Wir schreiben das Millenniumsjahr 2000 - 38,4 Millionen Autos auf unseren Straßen. Aber Moment! Es gab zwischendurch sehr wohl einen Rückgang. Denn 1995, also fünf Jahre zuvor, waren bereits mehr als 40 Millionen Autos in Deutschland gezählt worden. Aber das ist längst vorbei, denn 2022 fuhren satte 48,5 Millionen Autos auf Deutschlands Straßen herum - 0,6 Prozent (292.294 Stück) mehr als 2021.
Zahl der Führerscheinabsolventen und Geburten
Tja, aber wer soll diese vielen Autos fahren, wenn immer weniger Menschen den Führerschein machen? In der Tat war die Zahl der Führerscheinabsolventen lange Zeit immer etwa gleich oder stieg sogar. Auch hier hilft die statistische Abteilung des KBA weiter. Eine kleine Reise in den Zeitraum zwischen 1970 und 1998 offenbart eine stabile Zahl an Führerscheinneulingen zwischen 1,6 und 1 Million Absolventen der früher üblichen Klasse 3 (Personenwagen) jährlich. Wobei das stärkste Jahr 1991 war, mit 1.635.751 Absolventen, was mit der Wende zu tun haben könnte. Das schwächste Jahr notiert 1988 mit 1.067.784 Führerschein-Neulingen. Das sieht im Jahr 2021 anders aus - hier verzeichnet das KBA lediglich 882.610 Absolventen der heute gebräuchlichen Klasse B für den Personenwagen.
Klar ist: Diese Zahlen sprechen zunächst für einen deutlichen Trend nach unten - für Personenwagen-Führerscheine. Nimmt man Anhänger, LKW und Motorrad hinzu, steigen die Zahlen. Allerdings ist das Corona-Jahr auch nicht repräsentativ aufgrund der Ausnahmesituation. Schon 2022 lag die Zahl der Führerscheinabsolventen bereits wieder bei 982.354 - also nah an der Million und damit nah am Jahr 1988. Fraglich ist freilich, ob in den nächsten Jahren wieder stabil 1,2 Millionen Menschen den Führerschein machen - vermutlich aber nicht.
Doch dabei darf ein wichtiger Faktor nicht außer Acht gelassen werden: die Anzahl der Geburten. Beispielsweise die Jahre 1991 und 1992: In diesen Jahren lag die Menge der Geburten bei 830.019 respektive 809.114 Menschen. Im Jahr 2006 (dem Jahrgang der heutigen Führerscheinabsolventen) lag sie bei gerade einmal bei 672.724. Dieser Umstand spielt sicherlich keine untergeordnete Rolle im Geschehen bezüglich der absolvierten Führerscheinprüfungen.
Autofahren in Stadtzentren teurer
Und klar, das Gefälle zwischen Stadt und Land mag sich vergrößert haben. Denn das Benutzen des Autos im urbanen Bereich ist in den letzten Jahren unattraktiver geworden - also mag auch die Zahl der Führerscheinmuffel hier größer sein. Dafür stehen exemplarisch weggefallene Fahrspuren, wie man sie beispielsweise in Köln beobachten kann, um dem Radverkehr mehr Raum zu geben. Auch in Berlin, Düsseldorf und München sind solche Tendenzen deutlich spürbar. Hinzu kommt die Verknappung des Parkraums und die Anhebung der Gebühren für das Anwohnerparken. Kostet das Bewohnerparken in Köln bisher 35 Euro jährlich, werden ab 2024 bis zu 390 Euro fällig.
Und dennoch: Die teuersten und spektakulärsten Autos sieht man nach wie vor in der Stadt und nicht auf dem Land. Die meisten der sogenannten "Carspotter" - das sind meist jugendliche Autoenthusiasten, die mit Fotokamera bewaffnet auf der Lauer nach außergewöhnlichen Fahrzeugen liegen - finden sich auf der Düsseldorfer Königsallee oder der Münchener Maximilianstraße. Zwar will Stefan Bratzel, seines Zeichens Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft (Center of Automotive Management) in Bergisch Gladbach, bereits in einer 2011 veröffentlichen Studie nachgewiesen haben, dass das Automobil für junge Menschen nicht mehr so interessant sei. Aber Achtung, mit der Einschränkung: Das nicht voll vernetzte Auto sei nicht so spannend. Gut, vernetzt sind wir heute dank flächendeckendem Internet und vielen Social-Media-Apps mehr oder weniger alle. Doch wie repräsentativ die Auswahl der Befragten gewesen sein mag, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Zum Schluss vielleicht noch ein Blick auf die Verteilung der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist nämlich so, dass 70 Prozent der Deutschen in Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern leben. Und selbst die restlichen 30 Prozent wohnen ja nicht im Kern von Millionenstädten. Selbst am Rande von Berlin, Hamburg, München oder Köln gewinnt die individuelle Mobilität an Bedeutung, weil die Wege vom öffentlichen Verkehrsmittel zur Haustür wieder länger werden. In den Zentren wird individuelle Mobilität stetig teurer - das liegt insbesondere an den Parkkosten. Dieser Umstand bremst sie natürlich ein, keine Frage.
Fazit: Weder wird den Fahrschulen so schnell die Arbeit ausgehen noch scheint die Lust am Auto zu schwinden. Dazu reicht ein Blick auf den Fahrzeugbestand im Land. Aber auch die Zahl der Führerscheinabsolventen ist wieder im Steigen begriffen nach der Corona-Zeit. Auf dem Level der Neunziger- und Nullerjahre rangieren die Zahlen der Führerscheinneulinge derzeit allerdings nicht, was sicherlich auch mit der Anzahl an Geburten zu tun hat.
Quelle: ntv.de