E-Tech nicht gerade günstig Renault Kangoo fährt jetzt auch als PKW elektrisch
18.03.2023, 14:44 Uhr
Dass der Kangoo E-Tech den Ladeanschluss vorn hat, ist ein Segen. Egal, wie verbaut eine Ladesäule auch ist – mit dem Kangoo ist man beim Laden immer fein raus.
(Foto: Patrick Broich)
Nach der Handwerker-Variante Rapid E-Tech mit geschlossenem Ladeabteil und lediglich zwei Sitzplätzen bringt Renault den Kangoo nun auch als Personenwagen-Ausgabe mit elektrischem Antrieb. ntv.de hat dem Franzosen auf den Zahn gefühlt.
Eigentlich ist ein Renault Kangoo an sich keine besondere Neuheit - nicht einmal mit elektrischem Antrieb. Denn als Cargoversion namens Rapid bevölkert der beliebte Praktiker mit 26 Jahren Tradition auf dem Buckel die Straßen bereits seit einiger Zeit in lautloser Ausführung. Jetzt also soll er auch als besonders nutzwertiger Personenwagen mit elektrischem Antrieb auf die Kundschaft losgelassen werden. Das Ladegut dürfte hier in der Praxis vorwiegend menschliche Fracht sein, jedenfalls passen Personen jeglicher Größe (Zweimeter-Hünen sind ausgenommen) gut in den Kangoo, das gilt selbst für die zweite Reihe.

Dank kompakter Länge von 4,48 Metern macht sich der Renault Kangoo gut in der parkplatzknappen City.
(Foto: Patrick Broich)
Aber zunächst einmal ein paar Fakten. Auch wenn es wehtut: Man muss sich natürlich schon fragen, warum ausgerechnet der Elektropionier Renault, der schon seit rund zehn Jahren einen wunderbar funktionierenden elektrisch angetriebenen Kleinwagen anbietet, jetzt einen properen Hochdachkombi mit lediglich 45 Kilowattstunden Batteriekapazität bringt. Warum auch immer sich die Franzosen für den kleinen Akku entschieden haben (Mercedes hatte hier sicher auch ein Wörtchen mitzureden als Kooperationspartner) - wer ein grünes Herz hat, könnte gerade den kleinen Stromspeicher als Kaufargument verstehen. Denn je kleiner der in der Herstellung energieintensive Akku ist, desto kleiner ist auch der CO₂-Rucksack des Fahrzeugs. Kurzum: desto besser fällt die Klimabilanz des Kangoo aus.
Etwas mehr Reichweite dürfte schon sein

Wo "E-Tech" draufsteht, sind Emissionen nicht existent. Die Reichweite der elektrisch angetriebenen Version könnte einen Tick besser sein.
(Foto: Patrick Broich)
Nachteil: Wer wirklich mal eine ausgedehnte Tour machen möchte, wird länger an den Ladepunkten zubringen. Immerhin nennt der Hersteller 285 Kilometer WLTP-Reichweite. Das kommt knapp hin - der Testwagen mit 56 Prozent Ladestand zeigt exakt 105 Kilometer Reichweite, allerdings bei winterlichen Temperaturen von unter 5 Grad Celsius. Da hilft auch die Wärmepumpe nur bedingt.
Zum Glück ist das leistungsstarke Gleichstromladenetz zumindest hierzulande dicht. Stranden wird man also nicht. An solchen Säulen lädt der Kangoo mit maximal 80 Kilowatt (37 Minuten von 15 auf 80 Prozent Batteriestand) - allerdings nur, wenn man das Kreuzchen beim CCS-Anschluss gemacht hat, der mit 1500 Euro Aufpreis verbunden ist.

Bei genauem Hinsehen erkennt man, dass Renault Kangoo und Mercedes T-Klasse Brüder sind.
(Foto: Patrick Broich)
Generell hat der elektrische Antrieb natürlich auch handfeste Vorteile - zumindest für Nutzer ohne Ambitionen, ständig quer durch Deutschland zu fahren. Gerade in den bürgerlichen Segmenten, in denen der Verbrenner nicht ganz so kultiviert läuft, ist der Stromer zumindest so lange ein Segen, bis die Windgeräusche nicht dominieren. Und das ist vor allem in städtischen Gefilden oder auch auf Überlandstrecken kaum der Fall. Selbst auf der Autobahn bleibt das Utility zumindest bis 110 Stundenkilometer zumindest noch so leise, dass Unterhaltungen in Zimmerlautstärke möglich sind.

Ganz zeitgemäß besteht das Kombiinstrument gegen Aufpreis aus Displayfläche mit personalisierbarer Grafik.
(Foto: Patrick Broich)
Ohnehin sind nicht mehr als 132 km/h drin, kein Problem, vom Kangoo erwartet niemand besondere Hektik. So setzt sich der immerhin mit effizienter fremderregter Elektromaschine (122 PS) ausgestattete Allrounder souverän in Bewegung, wenngleich nicht sonderlich nachdrücklich. Einen Hehl daraus macht Renault nicht, nennt 12,6 Sekunden für den Standardsprint auf 100 km/h. Dafür gibt es keine Zugkraftunterbrechung, eben schnell mal eine Verkehrslücke erwischen mit einem Stoß per rechtem Pedal (das 245 Newtonmeter steuert) - klappt gut. Und 19,2 kWh Stromverbrauch je 100 Kilometer gehen angesichts der Bauart auch in Ordnung. Ein Nutzwertauto bietet dem Wind eben etwas mehr Angriffsfläche.
Flexibler und nutzwertiger geht Stromer kaum
Die große Stärke des Kangoo ist seine Flexibilität. So verfügt er über eine um 14 Zentimeter verschiebbare Rücksitzbank, damit man sich zwischen mehr Beinfreiheit oder Kofferraumvolumen entscheiden kann. Letzteres fällt übrigens üppig aus mit bis zu 1969 Litern. Hier profitieren nutzwertorientierte User von der Kangoo-Höhe (1,84 Meter), wenn sie ihn bis unter das Dach beladen.

Knie- und vor allem Kopffreiheit sind im Hochdachkombi Kangoo reichlich vorhanden.
(Foto: Patrick Broich)
Ein bisschen abknapsen müssen Kunden der elektrisch angetriebenen Variante wegen des sperrigen Akkus unter dem Blech schon, aber nicht viel: So reicht der E-Tech nicht ganz an die 2031 Liter heran. Zumal die aufpreispflichtige Option hier entfällt, auch den Beifahrersitz umklappen zu können. In der ersten Reihe gibt sich der Ladeprofi funktional, erfreut durch eine hervorragend zugängliche induktive Ladeschale für Smartphones und die große Schublade rechts als Handschuhfach-Lösung. Das Bedienen der Klimaanlage wird den Passagieren mittels mechanischer Drehregler erleichtert.
Doch keine Sorge, wer "infotaint" werden möchte, darf sich gerne auch an den vielen Menüs austoben. Dazu lädt zumindest der Achtzoll-Touchscreen der 2700 Euro teureren "Techno"-Version ein. Wer hinten einsteigt, darf seinen Snack auf den Klapptischen einnehmen, falls der Eigner zustimmt (Krümelgefahr).
Umfangreiche Sicherheitsausstattung schon in Basisversion

Renault hält auch klassischen Schaltern die Treue. Die Temperatursteuerung erfolgt über Drehregler.
(Foto: Patrick Broich)
Immerhin vorbildlich: Selbst die 39.300 Euro teure Basisversion (und hiervon geht ja noch die Förderung ab) ist mit umfangreicher Sicherheitsausstattung gesegnet, wie etwa einem Notbremsassistenten mit vielen autonomen Funktionalitäten. Der Kangoo bremst also auch selbsttätig, wenn Fußgänger unverhofft queren oder der Fahrer Autoverkehr an Kreuzungen übersieht. Immer an Bord sind auch LED-Scheinwerfer, Parkpiepser sowie Tempomat. Und nicht zu vergessen beidseitig installierte Schiebetüren, durch die Hinterbänkler den Kangoo betont komfortabel entern können.
Gegen 950 Euro Aufpreis bekommt der Kunde den Geschwindigkeitsregler sogar mit adaptiver Steuerung plus aktivem Totwinkelwarner. Der Touchscreen samt Smartphone-Integration schlägt mit 350 Euro zu Buche - hierauf dürfte wohl kaum jemand verzichten.

Mit knapp 2000 Litern Stauvolumen bei dachhoher Beladung geht selbst die elektrisch angetriebene Kangoo-Version als Lademeister durch.
(Foto: Patrick Broich)
Ob viele Kunden jedoch auf den Verbrenner-Kangoo (den es ausdrücklich noch gibt als Benziner und Diesel) verzichten mögen, bleibt abzuwarten. Denn der Einstiegspreis von 39.300 respektive 40.800 Euro mit Schnellladefunktion stellt eine nicht unbeträchtliche Hürde dar. Selbst mit aktueller Förderung von 6750 Euro bleiben immer noch 32.550 Euro, während der Verbrenner ab 25.950 Euro startet (100 PS). Selbst der 130 PS starke Benziner mit Automatik liegt bei "nur" 31.050 Euro. Zur Wahrheit zählt aber auch, dass der 115 PS starke Diesel mit Automatik 33.250 Euro kostet. Schön, dass der Kunde bei Renault eine reichhaltige Auswahl hat.
Quelle: ntv.de