SUV der Königsklasse Rolls-Royce Cullinan erfordert viel Budget und Mut


Der 5,34 Meter lange Luxusliner Rolls-Royce Cullinan dürfte in der Stadt sperrig sein. Aber dafür gibt es ja Chauffeure.
(Foto: Patrick Broich)
Ein SUV von Rolls-Royce, ist das nicht drüber? Sagen wir mal so: Es gehört neben dem entsprechenden Budget schon eine gewisse Portion Mut dazu, es zu besitzen und zu fahren. Vor allem in "Lime Green". Aber das Fahrgefühl ist erhaben, keine Frage.
Wer kauft eigentlich einen Geländewagen von Rolls-Royce für schlappe 400.000 Euro oder mehr? Nun, über seine Kunden schweigt sich der britische Fahrzeughersteller mit einzigartiger Tradition aus. Aber man kann ja einmal den Versuch einer Spekulation unternehmen. Zwölfzylinder-Fans kommen beispielsweise infrage. Denn es gibt derzeit bloß zwei SUV mit dem klassischen V12 am Markt: den Ferrari Purosangue. Der ist aber ohnehin ausverkauft. Also führt der Weg geradewegs zum zweiten, zum Rolls-Royce Cullinan.

In "Lime Green" macht der große Brocken noch mehr Eindruck. Hinter dem monumentalen Kühlergrill verbirgt sich ein Zwölfzylinder, was den Cullinan besonders macht.
(Foto: Patrick Broich)
Dann wären da Menschen, denen daran gelegen ist, ihrer Mitwelt zu präsentieren, dass sie wirtschaftlichen Erfolg haben. Das ist zwar eine in Deutschland nicht ganz so geschätzte Tugend (in den USA denkt man diesbezüglich anders). Aber grundsätzlich ist es ja nicht verwerflich, sich über seinen hart erarbeiteten Erfolg zu freuen und andere Menschen daran partizipieren zu lassen. Und wenn diese Partizipation auch nur daraus besteht, dass Autofans etwas zu sehen bekommen.
Der Cullinan ist ein Exzentriker
Luxuriöse Absteigen kommen ebenfalls als Rolls-Royce-Kunden in Betracht. Warum nicht seine Hotelgäste mit einem überdurchschnittlich komfortablen Fahrzeug abholen? Einzelpersonen mit Lust auf den Cullinan sind wohl definitiv exzentrische Naturen - denn es handelt sich ja schließlich um ein arg ausgefallenes Stück Automobil. Da wäre allein schon die Erscheinung von 1,84 Metern Höhe und 5,34 Metern Länge mit unübersehbarem Monumental-Kühlergrill. Und dann gibt es da noch die gegenläufig öffnenden Portale als treffsicherer optischer Aufhänger.

Ist das wirklich ein Rolls-Royce? Es besteht Verwechslungsgefahr mit dem Range Rover.
(Foto: Patrick Broich)
Doch der Testwagen hätte da noch ein weiteres Merkmal, das Aufmerksamkeit garantiert: "Lime Green" heißt nämlich der ziemlich schreiende Uni-Lack. Schon ziemlich cool. Das fast schon geometrisch gehaltene Cullinan-Design mutet dagegen beinahe konventionell an. Flüchtig betrachtet könnte man den Multifunktions-Briten auch für einen Range Rover mit langem Radstand halten (gibt es übrigens auch in giftigen Farben). Bleibt immer noch die Frage, ob der Cullinan nur Show macht oder qua Eigenschaft doch noch weitere Zielgruppen mit großem Budget überzeugen kann, deren Charakter nicht allein durch Exzentrik bestimmt ist.

Das Schließen der Türen erledigen Elektromotoren, die auf Druck der "Door"-Taste hin aktiv werden. Anders käme man an die Portale auch kaum heran von innen, so weit sitzt man weg.
(Foto: Patrick Broich)
Das Einsteigen in den bei Rolls-Royce traditionell mit Lammfellteppich ausgelegten Fahrgastraum wird jedenfalls erst mal zur Kletterübung. Und das, obwohl der Cullinan dank Luftfederung vier Zentimeter herunterfährt, bevor man entert. Sitzt man hinter den wuchtigen Armaturen mit der markanten Umrandung, fällt plötzlich ein Problem auf: Du bekommst die derart weit öffnenden Portale gar nicht zu fassen, um sie zu schließen. Natürlich gibt es dagegen ein Mittel: Druck auf die "Door"-Taste und die schwere Tür surrt zu. Und hier wären dann auch gleich die mutmaßlich stärksten Elektromotoren in diesem Fahrzeug abgehandelt. Denn während der letzte von ntv.de kürzlich besprochene Rolls-Royce Spectre rein elektrisch fährt, steckt unter der großen Haube des Cullinan ein klassischer Zwölfzylinder-Otto mit doppelter Turboaufladung und mächtigen 6,7 Litern Hubraum.
Der V12 verströmt Noblesse

Die Armaturentafel sieht mächtig aus. Metallene Lüftungsdüsen verleihen der Hochwertigkeit dieses Interieurs Nachdruck.
(Foto: Patrick Broich)
Und jetzt wird es interessant. Verbrenner gegen Elektromotor - sollte man diese Diskussion eröffnen? Klangfetischisten würde man bei Rolls-Royce jetzt nicht vermuten, aber da ist dieses heisere Fauchen des Zwölfenders, wenn die "Powerreserve"-Anzeige (einen Drehzahlmesser haben bei Rolls-Royce auch die Verbrenner nicht) unter voller Last Richtung Null-Prozent-Marke strebt. Moment, wieso null Prozent? Es handelt sich um eine Art negative Power-Anzeige, über die sich manifestiert, wie viel Restpower der Antriebsstrang gerade bereithält. Bei komplett niedergedrücktem Gaspedal eben keine mehr.
Und jetzt zurück zum Klang. Das Zwölfzylinder-SUV wird niemals laut, aber vermittelt über seine Akustik eine Noblesse, die dem reinen Elektroantrieb abgeht. Klar, auch der Stromer mutet fein an, wenn sich die berühmte Kühlerfigur "Spirit of Ecstasy" stolz gen Himmel hebt. Aber der säuselnde Benziner ist eben doch schwierig zu ersetzen. Und mit den Unzulänglichkeiten bürgerlicher Verbrenner hat das zweifach aufgeladene Hubraummonster wenig am Hut.

Auf so einen Gag können nur die Briten kommen: Campen mit dem Cullinan versüßen die eingebauten Klappstühle im Gepäckabteil nebst edel anmutendem Tischchen.
(Foto: Patrick Broich)
Wenn ab 1600 Touren 850 Newtonmeter Drehmoment in den Wandler der Achtgangautomatik gepumpt werden, hat der Cullinan nicht nur seinen eigenen Souveränitätszenit erreicht, sondern setzt hier generell Maßstäbe. Auch in der Teillast schiebt der 2,7-Tonner an wie am überdimensionalen Gummiband gezogen. Und dann flauscht der große Brite auch noch butterweich über schlechte Straßen, als wären die ausladenden Hightech-Clubsessel mit Klimatisierung und Massage nicht schon herrschaftlich genug.
Wer übrigens denkt, in puncto Fahrwerk individualisieren zu können, irrt. In diesem Punkt wähnt sich Rolls-Royce höchstselbst als einzige Instanz, die den Geschmeidigkeitsgrad der Dämpfung zu bestimmen hat. Vergiss also den "Komfort"- oder "Sport"-Modus - gibts hier nicht. Natürlich passt das System je nach Straßenzustand seine Charakteristik an, die Straße wird sogar per Kamera nach Unebenheiten abgesucht.
Wie schlägt sich das Glamour-SUV eigentlich beim Kapitel Nutzwert? Allen erdenklichen Luxusfeatures zum Trotz von mitgeführten Champagnergläsern über ausschweifendes Infotainment im Fond samt zwei zusätzlicher Screens bis hin zur verschwenderischen Holzausstattung fasst ein Cullinan bis zu 1930 Litern Gepäck und verfügt serienmäßig über eine Anhängerkupplung.
Und die Beinfreiheit in der zweiten Reihe ist ebenso fürstlich wie in einer großen Luxuslimousine, was den Allradler für lange Reisen prädestiniert. Ganz nebenbei gibt sich das große SUV ziemlich sportlich. Der 571 PS starke Brite powert binnen 5,2 Sekunden auf 100 km/h und wird erst bei 250 Sachen eingebremst. Sind das alles nicht überzeugende Argumente?

Auf die berühmte Kühlerfigur "Spirit of Ecstasy" verzichtet auch das erste SUV der Marke Rolls-Royce nicht.
(Foto: Patrick Broich)
Wie viel der Rolls-Royce dabei verbraucht, dürfte ähnlich irrelevant sein wie sein Preis. Bei knapp unter 400.000 Euro geht dieser los und lässt sich mit unendlich vielen "Bespoke"-Maßnahmen vermutlich auf eine deutlich höhere Zahl bringen. Ob sich all das bis ins südafrikanische Cullinan herumgesprochen hat? Aus der heute noch in Betrieb befindlichen Mine dieser Stadt wurde 1905 der ebenfalls auf den Namen "Cullinan" getaufte Diamant gehoben, der bis heute als der größte jemals gefundene gilt. Und wer weiß, vielleicht fährt der Chef dieser Mine ja auch einen Rolls-Royce Cullinan.
Quelle: ntv.de