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Alle Daten und Grafiken Wie steht es um Deutschlands Energieversorgung?

Wie gut sind die deutschen Gasspeicher gefüllt? Die Bundesnetzagentur gibt inzwischen einen täglichen Lagebericht zum Thema heraus.

Wie gut sind die deutschen Gasspeicher gefüllt? Die Bundesnetzagentur gibt inzwischen einen täglichen Lagebericht zum Thema heraus.

(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)

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Der Ukraine-Krieg hat die Abhängigkeit des Westens von Russlands Rohstoffen schonungslos offengelegt: Die Gaspreise explodieren - und Deutschland rüstet sich für eine mögliche Energiekrise. Wie steht es um unsere Strom- und Wärmeversorgung? Die aktuellen Grafiken von ntv.de geben einen Überblick.

Russlands brutaler Angriff auf die Ukraine hat die Welt erschüttert - in vielerlei Hinsicht. Mehrere Monate nach Kriegsbeginn dreht sich die politische Diskussion in Deutschland aber fast ausschließlich um ein Thema: die Sorge vor einer dramatischen Energieknappheit im Herbst und Winter. Seit dem 23. Juni gilt die Alarmstufe des "Gas-Notfallplans". Deutschland rüstet sich also bereits für den Ernstfall.

Wie steht es also um die Energieversorgung in Deutschland und Europa? Wie ernst ist die Lage? In mehreren Grafiken, die fortlaufend aktualisiert werden, gibt ntv.de einen Überblick.

Hinweis: Auch zum Thema Benzin- und Dieselpreise bietet ntv.de einen Übersichtsartikel mit täglich aktuellen Grafiken.

Die größten Bedenken in Politik, Wirtschaft und Bevölkerung gelten aktuell der Gasversorgung. Die Bundesregierung hat die Gasversorger per Gesetzesänderung aufgefordert, ihre Speicher bis zum Herbst (Stichtag 1. November) zu mindestens 95 Prozent zu füllen, um für den Winter gerüstet zu sein. Als Zwischenziele sieht das Gesetz zur Energiesicherung einen Füllstand von 75 Prozent zum 1. September und 85 Prozent zum 1. Oktober vor.

Die obige Grafik zeigt, welche Fortschritte dabei erzielt wurden. Weiter unten findet sich eine Karte und Tabelle mit den Füllständen im europäischen Vergleich (über das Dropdown-Menü können Sie die Ansicht wechseln).

Damit die deutschen Füllstände weiter steigen können, muss logischerweise mehr Gas eingespeichert werden, als entnommen wird - etwa für den Verbrauch oder den Export. In den Sommermonaten wird zwar weniger Energie zum Heizen benötigt. Doch die Industrie verarbeitet weiter mit hohem Energiebedarf. Und: Nach wie vor beliefert Deutschland seine europäischen Partner, die sich ebenfalls auf eine mögliche Krisenlage vorbereiten müssen.

Die obige Grafik zeigt, wie viel Gas aktuell in Deutschland ein- und ausgespeichert wird. Sie kann als Frühindikator dienen, ob die Quotenziele erreichbar bleiben oder die Bemühungen zum Gassparen verstärkt werden müssen.

Startet Deutschland mit einem niedrigeren Füllstand in die kalte Jahreszeit, droht im ungünstigsten Fall - etwa, wenn der Winter besonders lang und frostig wird - ein handfester Gasmangel. Notwendige Rationierungen könnten die Folge sein.

Dreht Russland den Gashahn zu?

Mit Spannung werden deshalb die Gaslieferungen aus Russland beobachtet. Bereits im Vorfeld des Krieges hatte Russland die Zuströme nach Deutschland merklich gedrosselt. Das hatte unter anderem zur Folge, dass der Erdgasspeicher einer Gazprom-Tochter im niedersächsischen Rehden - ausgerechnet der größte Erdgasspeicher in Deutschland - zu Beginn des Frühjahrs nahezu leer war. Inzwischen untersteht der Speicher der Kontrolle der Bundesnetzagentur und wird, so schnell es geht, befüllt.

Das Misstrauen gegenüber Russland als Gaslieferant könnte inzwischen kaum größer sein. Die Bundesregierung etwa ist sich sicher, dass die Putin-Regierung technische Probleme als Vorwand nutzt, um Gaslieferungen einzuschränken und den Druck auf den Westen zu erhöhen.

Vor allem im Zuge der routinemäßigen Wartungsarbeiten an der für Deutschland wichtigen Pipeline Nord Stream 1 war über einen vollständigen Lieferstopp spekuliert worden - eine Befürchtung, die sich zunächst nicht bewahrheitet hat. Seit dem Morgen des 21. Juli floss wieder wie geplant Gas durch Nord Stream 1 in Richtung Europa. In den öffentlich verfügbaren Daten wurde die Wiederaufnahme der Gaslieferungen im Laufe des Vormittags sichtbar.

Bereits am 26. Juli kündigte Gazprom jedoch an, künftig nur noch 20 Prozent der vertraglich vereinbarten Liefermenge durch Nord Stream 1 leiten und begründet das mit neuen technischen Problemen. Von der Bundesregierung wurde diese Erklärung als nicht nachvollziehbar zurückgewiesen und heftig kritisiert.

Die nachfolgende Grafik zeigt, wie sich die Gasflüsse an den Übergabepunkten der russischen Pipelines nach Deutschland seit Jahresbeginn verändert haben. Sie wird täglich aktualisiert, sobald neue Daten vorliegen. Die Datumsangabe bezieht sich dabei immer auf den Gastag, der jeweils um 6 Uhr morgens beginnt und bis um 6 Uhr des Folgetages dauert (der Gastag vom 21. Juli endet zum Beispiel am 22. Juli um 6 Uhr).

Deutschlands Abhängigkeit von russischen Rohstofflieferungen soll schrittweise reduziert werden - so der Plan des Wirtschaftsministeriums. Bisher scheint die Umsetzung jedoch vor allem von den äußeren Umständen getrieben zu sein.

So ist der Anteil der russischen Gaslieferungen am deutschen Energiebedarf laut dem dritten Fortschrittsbericht zur Energiesicherheit bis Ende Juni 2022 zwar tatsächlich von durchschnittlich 55 auf 26 Prozent gesunken. Im Nachsatz gesteht das Wirtschaftsministerium aber sogleich ein, dass dieser Schritt in Richtung mehr Energieunabhängigkeit nicht ganz freiwillig geschah: Der russische Staatskonzern Gazprom hatte die Lieferungen längst gedrosselt, ehe Deutschland durch Einsparungen verzichten konnte.

Trotz alledem - und trotz des grausamen Krieges in der Ukraine - planen Politik und Wirtschaft weiterhin fest mit Gaslieferungen aus Russland. Bis zum Endes des Jahres soll der Anteil der Russlandimporte am deutschlandweiten Gasverbrauch durch "kurzfristige Anstrengungen von Unternehmen und Privathaushalten" immerhin auf etwa 30 Prozent gesenkt werden, heißt es am Ende des Fortschrittsberichts. Zwei Jahre später, im Sommer 2024, könne Deutschland dann theoretisch gänzlich unabhängig sein vom russischen Gas.

Gas wird teurer - viel teurer

Bis dahin wird weiter eingekauft, wo immer es geht. Gasimporte aus anderen europäischen Ländern, wie etwa Norwegen, Belgien und den Niederlanden spielen schon jetzt eine zunehmend wichtige Rolle. Alternative Gasquellen, wie etwa Flüssiggaslieferungen (LNG) per Schiff, müssen erst noch erschlossen werden.

Die Beschaffung des begehrten Rohstoffes hat zudem ihren Preis. Die Börsenpreise für Erdgas sind seit Kriegsbeginn regelrecht explodiert. Das merken zuerst die Unternehmen und - aufgrund laufender Verträge - mit etwas Verzögerung auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Expertinnen und Experten warnen bereits vor bösen Überraschungen mit den kommenden Nebenkostenabrechnungen.

Die allermeisten Wohnungen und Häuser werden mit Erdgas geheizt. Anders als in den skandinavischen Ländern spielen Wärmepumpen hierzulande eine untergeordnete Rolle im Häuserbau. Auch viele energieintensive Industriezweige haben jahrelang vom günstigen Gas profitiert und ächzen nun unter den massiven Preissteigerungen. Eine Besserung ist vorerst nicht in Sicht - im Gegenteil. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schwört Wirtschaft und Bevölkerung auf harte Zeiten ein.

Sparen, wo es nur geht - so lautet die von der Bundesregierung ausgegebene Devise. Und Einsparpotenziale gebe es sowohl in den Privathaushalten als auch in der Wirtschaft reichlich, so die generelle Einschätzung. Allerdings dürften Maßnahmen im privaten Umfeld und kleine Verhaltensänderungen bei Bürgerinnen und Bürgern leichter und schneller anzustoßen sein, als die Umstellung ganzer Produktionsketten.

Zumindest in der Stromerzeugung wäre Gas als Energieträger wohl weitgehend ersetzbar. Im Jahr 2020 etwa entstammten nur gut 13 Prozent der ins deutsche Stromnetz eingespeisten Strommenge aus Gas (Grafik). Auch in diesen Tagen wird deutlich mehr Strom aus anderen Quellen gewonnen - allen voran aus Wind, Wasser, Solar und anderen erneuerbaren Erzeugnissen, aber auch aus Kohle.

Deutschlands Strommix und die Abhängigkeit von fossilen Energien ist das Erbe seiner politischen Vorgänger - trotzdem muss nun ausgerechnet der Grünen-Minister Habeck in den sauren Apfel beißen und kurzfristig auf den verstärkten Einsatz von Kohlestrom setzen. Inzwischen nimmt auch die Debatte um eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke an Fahrt auf.

Bürgerinnen und Bürger sollen nicht frieren müssen

Generell muss man sagen: Im Ernstfall hätte Deutschland kein Stromproblem, sondern in erster Linie ein Wärmeproblem. Berichte von Vermietern, die die Heiztemperatur herunterregeln und Versorgern, die die Preise von einem Tag auf den anderen anheben könnten, schüren die Ängste der Bevölkerung, im Winter im Kalten zu sitzen.

Doch diese Sorge ist womöglich unbegründet. Denn laut dem bisherigen Plan der Bundesregierung soll die Versorgung der Haushalte oberste Priorität haben. Teile der Industrie rechnen deshalb bereits damit, im Falle einer Gasknappheit als Erste Einschnitte hinnehmen zu müssen. Verbände warnen vor den wirtschaftlichen Folgen.

Es wird deutlich: Die richtige Priorisierung im Ernstfall bleibt ein Streitthema. Mitte Juli hatte eine Äußerung des Wirtschaftsministers Habeck für Wirbel gesorgt, in der er andeutete, dass auch die Bürgerinnen und Bürger im Fall eines Gasmangels ihren Beitrag leisten müssten. Doch ob es überhaupt so weit kommt, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand sagen. Vieles hängt davon ab, wie gut es mit der Vorsorge klappt - und wie sich Russland verhält.

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"Die Lage ist angespannt und eine Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden" - diesen Satz wiederholt die Bundesnetzagentur geradezu mantraartig in ihrem täglichen Lagebericht zur Gasversorgung in Deutschland. Noch gibt es keinen Mangel. Doch wenn er eintritt, will man vorbereitet sein. Der Sommer lässt sich dafür gut nutzen.

Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst am 13.7. erschienen und wird fortlaufend aktualisiert.

Quelle: ntv.de

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