Visconti-Muse wurde 87 Jahre alt Schauspielerin Claudia Cardinale gestorben
23.09.2025, 22:50 Uhr Artikel anhören
Die größten Regisseure rissen sich um sie: Claudia Cardinale 1965 mit Luchino Visconti (l.) in Venedig.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Die Filmwelt verliert eine ihrer ganz Großen: Claudia Cardinale starb mit 87 Jahren in der Nähe von Paris im Kreis ihrer Familie. Mit Filmen wie "Der Leopard" und dem Western-Klassiker "Spiel mir das Lied vom Tod" schrieb sie Kinogeschichte.
Sie war die Muse von Filmemachern wie Luchino Visconti und Federico Fellini und verzauberte Stars wie Alain Delon, Jean-Paul Belmondo und Marcello Mastroianni: Die italienische Schauspielerin Claudia Cardinale hat mit ihren vielen Filmen Kinogeschichte geschrieben - und war als starke und engagierte Frau ein Vorbild über das Filmgeschäft hinaus. Nun ist die Filmdiva im Alter von 87 Jahren in Frankreich gestorben.
Cardinale starb am Dienstag im Kreise ihrer Kinder in der französischen Stadt Nemours nahe Paris, wo sie lebte, wie ihr Agent Laurent Savry mitteilte. "Sie hinterlässt uns das Vermächtnis einer freien und inspirierten Frau - als Frau wie auch als Künstlerin", schrieb Savry in einer Mitteilung an AFP.
Cardinale spielte in mehr als 150 Filmen, darunter die Meisterwerke "Der Leopard" und "Achteinhalb". Ohne es je zu wollen, stieg sie schnell zum internationalen Star auf. "Sie ist das einzige einfache und gesunde Mädchen in diesem Milieu von Neurotikern und Heuchlern", sagte ihr italienischer Schauspielerkollege Marcello Mastroianni über sie.
"Schönste Italienerin von Tunis"
Sie selbst sagte im Alter von 74 Jahren dem Sender France Culture: "Ich hatte das Glück, in den magischen Momenten des Kinos anzufangen. Alle großen Regisseure waren meine Lehrer, und ich habe nie jemanden angerufen. Sie haben mich gefragt."
Eigentlich wollte Claudia Cardinale Lehrerin oder Forscherin werden - in Tunesien, wo die am 15. April 1938 in La Goulette bei Tunis geborene Tochter einer Französin und eines Sizilianers lebte. Doch dann wurde sie mit 17 Jahren zur "Schönsten Italienerin von Tunis" gewählt und gewann eine Reise zum Filmfest in Venedig. Dort zog sie die Aufmerksamkeit gleich mehrerer Regisseure auf sich.
Mit 20 "wurde ich zur Heldin eines Märchens, zum Symbol eines Landes, dessen Sprache ich kaum sprach", schrieb Cardinale in ihrer Autobiografie. In den ersten Filmen musste sie noch synchronisiert werden, denn Cardinale konnte zwar Französisch, Arabisch und Sizilianisch, aber kein Italienisch. Beim Film "Achteinhalb" im Jahr 1963 bestand Regisseur Federico Fellini schließlich darauf, dass sie Italienisch sprach.
Vergewaltigung und Schwangerschaft verheimlicht
Cardinales Karriere hätte auch früh enden können. Noch vor ihrem 20. Geburtstag wurde sie nach der Vergewaltigung durch einen Filmproduzenten schwanger. Das verbarg sie jedoch und drehte weiter Filme, bis sie ihren Sohn heimlich in London zur Welt brachte. Sie gab ihn in die Obhut ihrer Familie - Patrick wurde als Cardinales kleiner Bruder ausgegeben, erst nach sieben Jahren enthüllte sie das Geheimnis.
Die bekanntesten Regisseure Italiens rissen sich um "Die Cardinale", Visconti und Fellini machten sie zu ihrer Muse. "Visconti sprach mit mir Französisch und wollte mich brünett und langhaarig. Fellini redete Italienisch mit mir und wollte mich lieber blond und mit kurzen Haaren", erinnerte sich Cardinale.
Visconti drehte mit ihr Anfang der 60er Jahre "Rocco und seine Brüder" und "Der Leopard". In dem Epos um den sizilianischen Fürsten von Salina, der sich für seine Familie vergeblich gegen den Niedergang des Adels wehrt, stand sie mit Alain Delon und Burt Lancaster vor der Kamera - bis heute ist sie in ihrer Paraderolle hinreißend.
Einzige Frau neben Charles Bronson und Henry Fonda
Auch mit ihrer Darbietung in Sergio Leones Western-Klassiker "Spiel mir das Lied vom Tod" von 1969 ging Cardinale in die Filmgeschichte ein. In dem Film spielte sie als einzige Frau neben Stars wie Charles Bronson und Henry Fonda. Das Publikum in den USA wusste die Italienerin ebenfalls zu begeistern - mit Filmen wie "Der rosarote Panther" und "Circus-Welt". Dennoch weigerte sie sich, nach Hollywood zu ziehen.
Nach einer Beziehung mit dem Produzenten Franco Cristaldi von 1966 bis 1975 gründete sie mit dem Regisseur Pasquale Squitieri eine Familie und bekam mit ihm ihre Tochter Claudia. Squitieri, den Cardinale rückblickend als ihre "einzige Liebe" bezeichnete, drehte mit ihr zwischen 1974 und 2011 zahlreiche Spielfilme.
Insgesamt spielte die Schauspielerin mit der rauchigen Stimme in mehr als 150 Filmen mit. Für ihr Lebenswerk wurde sie 1993 in Venedig mit dem Goldenen Löwen und 2002 in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet.
Unesco-Botschafterin für Frauenrechte
Jüngeren Kolleginnen riet Cardinale, sich nicht für Rollen zu "verkaufen". Ihre Bekanntheit nutzte die Schauspielerin, um sich für die Rechte von Frauen und Schwulen, den Kampf gegen Aids, gegen die Todesstrafe sowie für Kinder in Kambodscha einzusetzen. Im Jahr 2000 wurde sie zur Unesco-Botschafterin für Frauenrechte ernannt.
Das Filmfestival in Cannes wählte für sein Plakat zu seiner 70. Ausgabe im Jahr 2017 ein Foto der jungen, ausgelassenen Cardinale. Die Ausrichter erklärten, sie würdigten damit eine "abenteuerlustige Schauspielerin, unabhängige Frau, engagierte Bürgerin".
Quelle: ntv.de, mau/AFP