Fake-Thriller "The Best Offer" Geoffrey Rush bricht das Herz
21.03.2013, 08:37 Uhr
Virgil Oldman (Geoffrey Rush) liebt die Kunst und scheut die Menschen.
(Foto: © 2012 Warner Bros. Ent.)
Ein Mann, so verschlossen für andere, dass er immer Handschuhe trägt, lebt in einer perfekt durchgestylten Welt, bis eine Frau diese komplett aufwühlt: Geoffrey Rush spielt diesen Mann so grandios, dass man sein gebrochenes Herz mit aus dem Kino trägt. Musikalisch veredelt wird das von "Spiel mir das Lied vom Tod"-Meister Ennio Morricone.
Geoffrey Rush kennt jeder Kinogänger - er brillierte als unkonventioneller, fast schon respektloser Sprachlehrer des stotternden Königs Georg VI. in "The King's Speech"; in "Fluch der Karibik" war er in der Rolle des Captain Hector Barbossa kaum zu erkennen - so zugehängt mit Muscheln und anderem Meeresgetier war sein zerfurchtes Gesicht. Der 1951 im australischen Queensland geborene Rush ist wohl das, was man einen Charakterdarsteller nennt - und in "The Best Offer" stellt er sein schauspielerisches Können erneut herausragend unter Beweis.

Mithilfe seines cleveren Kompagnons Billy Whistler (Donald Sutherland) kauft Oldman Kunst.
(Foto: © 2012 Warner Bros. Ent.)
In "The Best Offer" (Originaltitel: La migliore offerta), dem neuen Film von Regisseur Giuseppe Tornatore (Cinema Paradiso; Der Zauber von Malena) spielt er den blasierten, zugeknöpften, erfolgreichen Auktionator Virgil Oldman - bei seiner Arbeit immer unter Menschen und dennoch menschenscheu, immer Handschuhe tragend (mit einem beleuchteten Schrank nur für sie, in unzähligen Farben!) und so auch Distanz herstellend. Hinzu kommt wohl noch die Angst vor Keimen - auch Telefone führt er mit Schutzhülle ans Ohr.
Allein unter Frauen
Ein besonders ausgeprägtes Problem hat er mit Frauen - offenbar ein Trauma aus seiner Kindheit. So wohnt er denn auch allein in seiner riesigen Villa voller Kunstwerke, die er sich auf nicht ganz legale Weise mithilfe seines Kumpans Billy (Donald Sutherland) zusammenkauft. Herausragend: seine exklusive Sammlung von Frauenporträts fast aller Epochen, die sogar in einem eigenen Zimmer hängen - die einzigen Frauen, denen er länger in die Augen schauen kann.

Die Auftraggeberin lässt sich nie selbst blicken - Oldman ist verärgert.
(Foto: © 2012 Warner Bros. Ent.)
Alles läuft seinen ritualisierten, durchstrukturierten, komplett durchgestylten Gang - von den geldschweren Auktionen ins feine Restaurant, wo Gläser und Geschirr mit seinem Monogramm für ihn bereitstehen, in sein schönes, großes, leeres Haus. Bis eines Tages ein ungewöhnlicher Auftrag sein ganzes Leben auf den Kopf stellt. Nicht der Auftrag an sich ist ungewöhnlich - Inventur in einer Villa samt Schätzung der darin befindlichen Werte -, sondern die Auftraggeberin: sie lässt sich nie blicken, sondern kommuniziert ausschließlich per Telefon oder über Mittelsmänner und überbrachte Botschaften mit Oldman. Das nervt ihn erst, macht ihn fuchsteufelswild - ihn, den weltberühmten, megaerfolgreichen, begehrten Auktionator dermaßen hinzuhalten! - weckt dann aber doch sein Interesse und seine Neugier.

Der Eigenbrötler und die geheimnisvolle Schöne in seinem privaten Heiligtum.
(Foto: © 2012 Warner Bros. Ent.)
Denn schließlich stellt sich heraus: sie, die geheimnisvolle junge Frau namens Claire Ibbetson (Sylvia Hoeks) ist noch viel menschenscheuer und neurotischer als er - sie leidet unter Agoraphobie und hat sich seit Jahren keinem Menschen mehr gezeigt. Das erweicht einerseits sein verschlossenes Herz und reizt andererseits seinen detektivischen Spürsinn - wer ist sie? Wie sieht sie aus? Daraus entwickelt sich eine spannende, emotionale, mitunter nervenaufreibende Geschichte mit einigen wirklich überraschenden Wendungen - von denen man nicht zu viel verraten sollte, um dem künftigen Zuschauer den Spaß nicht zu verderben.
Echt oder unecht?
Neben einigen skurrilen Nebenfiguren kommen auch noch einige rätselhafte Zahnräder und ein antiker Roboter mit ins Verwirrspiel. Im Kern geht es um die Frage: Was ist echt, was gefälscht, vorgetäuscht, ein Fake? Kunstwerke, Freundschaft, Liebe, Identitäten - vieles im Film ist nicht das, was es zu sein vorgibt. Und Geoffrey Rush zeigt an der Seite des kanadischen Altstars Donald Sutherland und des britischen Jungstars Jim Sturgess (Cloud Atlas), was für ein großartiger Schauspieler er ist: sein Virgil Oldman macht die Wandlung durch vom distanzierten, aber höflichen Eigenbrötler zum sich langsam öffnenden, emotional erweckten Hagestolz, der bereit ist, für die Liebe alles zu opfern - und wenn ihm schließlich das Herz bricht, bricht es beim Zuschauer gleich mit. Wenn er eins hat.
Das alles ist gedreht in Wien und Prag, in gediegener altehrwürdiger Eleganz und blätternder Pracht - begleitet von der Filmmusik des italienischen Starkomponisten Ennio Morricone, der berühmt wurde durch den Sound für den Western "Spiel mir das Lied vom Tod". Der mittlerweile 84-Jährige wurde bei der Berlinale-Premiere von "The Best Offer" am 12. Februar 2013 vom Publikum fast mehr beklatscht und umjubelt als die nicht gerade unbedeutende Schauspielerriege.
"The Best Offer" startet am 21. März 2013 in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de