Sorgerechtszoff um Block-Kinder "Auf dänischem Boden kann er machen, was er will"
17.01.2024, 18:09 Uhr Artikel anhören
Seit 2021 streiten Christina Block und Stephan Hensel um das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten gemeinsamen Kinder.
(Foto: picture alliance / eventpress/mp | eventpress/mp)
Kinder, die nachts über Landesgrenzen verfrachtet werden und widersprechende Gerichtsentscheidungen: Der Sorgerechtsstreit zwischen Steakhouse-Erbin Christina Block und ihrem Ex-Mann ist besonders komplex. Eine Schlüsselrolle dabei spielt ein besonderer rechtlicher Status Dänemarks, wie Familienrechtler Alexander Ganz im Gespräch mit ntv.de erklärt. Für Stephan Hensel hat seine Wahlheimat damit einen bedeutenden Vorteil.
ntv.de: Der eskalierte Sorgerechtsstreit zwischen Christina Block und ihrem Ex-Mann Stephan Hensel wirft vor allem eine Frage auf: Warum hat Mutter Block die beiden gemeinsamen Kinder Klara und Theodor nie zurückbekommen, obwohl sie ursprünglich das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für sie hatte?
Alexander Ganz: Dafür müssen wir bis in den Sommer 2021 zurückschauen. Damals lebten die Kinder noch bei der Mutter in Hamburg - bis sie offenbar aus einem Dänemark-Urlaub beim Vater nicht zurückgekehrt sind. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg sprach Block daraufhin in zweiter Instanz das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu, zumindest vorläufig. Damit konnte sie die Kinder vom Vater zurückfordern. Allerdings musste Vater Hensel dieser Aufforderung nicht nachkommen.
Warum musste Vater Hensel die Kinder 2021 nicht zurückbringen?
Das hat einen europarechtlichen Hintergrund. Normalerweise ist jedes EU-Mitglied an die sogenannte Brüssel II b-Verordnung gebunden. Damit haben sich die EU-Länder unter anderem darauf geeinigt, Sorgerechtsentscheidungen aus anderen Mitgliedsstaaten anzuerkennen - ohne diese Entscheidung noch einmal zu überprüfen. Dänemark ist allerdings als einziges EU-Land nicht Teil dieses Abkommens. Damit sind dänische Gerichte nicht an die Entscheidung aus Hamburg gebunden, sondern konnten den Block-Hensel-Fall selbst bewerten. Dabei kamen sie offenbar zu einem anderen Ergebnis als das OLG Hamburg.
Das heißt, Hensel war in Dänemark im Recht, in Deutschland aber nicht?
Richtig. Auch in allen anderen EU-Ländern hätte der Hamburger Beschluss automatisch gewirkt und er hätte die Kinder zurückbringen müssen. Das hätte er auch tun müssen, wenn er wieder nach Deutschland gezogen wäre. Nur in Dänemark eben nicht. Auf dänischem Boden kann er, so muss man das sagen, machen was er will.
Allerdings hat Dänemark das Haagener Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) unterschrieben. Danach müssen die Kinder, wenn sie einem Elternteil entzogen werden, zumindest bis zur endgültigen Sorgerechtsentscheidung zurückgebracht werden. Wieso hat das in diesem Fall nicht funktioniert?
Das ist die große Frage. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass Frau Block keinen Antrag nach dem HKÜ auf Rückführung ihrer Kinder gestellt haben kann. Denn wenn sie das vor einem dänischen Gericht getan hätte, hätten alle Sorgerechtsverfahren in Deutschland und Dänemark gestoppt werden müssen. Der Sinn des HKÜ ist gerade, dass Kinder, die widerrechtlich in einem anderen Land sind, schnell wieder zurückkommen und dort in Ruhe über das Sorgerecht verhandelt wird. Damit soll auch verhindert werden, dass Eltern ihre Kinder in ein Land entführen, in dem sie sich bessere Chancen vor Gericht ausrechnen. Aber diese Sperrwirkung ist hier nicht eingetreten und die Kinder wurden 2021 auch nicht wieder nach Hamburg gebracht.
Könnte es sein, dass Dänemark die Rückführung nach dem HKÜ abgelehnt hat?
Hätte Frau Block den Antrag nach dem HKÜ damals innerhalb der Frist von einem Jahr gestellt, hätte sie gute Chancen gehabt, dass die Kinder zumindest vorerst wieder zu ihr gekommen wären. Das hätte ein dänisches Gericht nur ablehnen können, wenn ein Härtefall vorgelegen hätte. Das wäre der Fall, wenn das Gericht befürchten muss, dass das Kindeswohl bei einer Rückführung in erheblichem Maße gefährdet ist. Nun könnte man die Berichterstattung so interpretieren, dass Herr Hensel in diese Richtung plante, denn offenbar gibt es ja den Vorwurf der Misshandlung der Kinder im Haushalt der Mutter. Ich gehe trotzdem davon aus, dass Frau Block den HKÜ-Antrag nie gestellt hat.
In der Silvesternacht wurden die Kinder schließlich von acht maskierten Männern in ein Auto gezerrt und aus Dänemark zu Block nach Hamburg gebracht. Es gibt Stimmen, die bei der Aktion von einer Rückführung sprechen. Immerhin wurden der Mutter die Kinder im Sommer 2021 entzogen.
Bei der Aktion an Silvester von einer Rückführung zu sprechen, wäre eine Verharmlosung. Zum einen war der Vater ja eben nicht an die Forderung aus Hamburg gebunden, er musste die Kinder nicht zurückzubringen. Zum anderen ist eine private Nacht-und-Nebel-Aktion keine Rückführung, wie ihn das HKÜ meint. Vielmehr geht es darum, dass staatliche Organe das Kind aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zurückbringen. Das war hier ganz offensichtlich nicht der Fall.
Mittlerweile steht Hensel rechtlich noch besser da. Ein dänisches Gericht übertrug ihm kurz nach der Silvesteraktion in einem Eilverfahren das vollständige Sorgerecht. Gilt diese Entscheidung auch in Deutschland?
Ja, in der Regel muss Deutschland die Entscheidungen der dänischen Gerichte respektieren. Zumal die deutschen Gerichte im Sorgerechtsstreit um die Block-Hensel-Kinder ohnehin nicht mehr zuständig sind. Die beiden Kinder leben mittlerweile seit 2,5 Jahren in Dänemark, ihr gewöhnlicher Aufenthalt befindet sich nun dort. Damit ist die internationale Entscheidungszuständigkeit auf Dänemark übergegangen.
Wie steht es um das ursprüngliche Aufenthaltsbestimmungsrecht von Christina Block?
Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf Frau Block stammt aus dem Herbst 2021. Bei der Entscheidung damals wird das Kindeswohl im Vordergrund gestanden haben, denn die Kinder haben bis zum Sommer desselben Jahres in Hamburg bei der Mutter gelebt. Nun haben wir Anfang 2024. In der Zwischenzeit haben die Kinder ihren Lebensmittelpunkt geändert. Sie haben sich bei dem Vater in Dänemark eingelebt, ob der Aufenthalt nun berechtigt war oder nicht. Vor diesem Hintergrund kann man sagen, dass der damalige Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts ein gewisses Verfallsdatum hat. Denn nach wie vor steht das Kindeswohl im Fokus.
Nun sind die Kinder wieder in Dänemark, Vater Hensel hat das Sorgerecht und deutsche Gerichte sind nicht mehr zuständig. Was kann Block im Kampf um ihre Kinder noch tun?
Sie muss auf jeden Fall prüfen lassen, ob es Rechtsmittel gegen die Sorgerechtsentscheidung des dänischen Gerichts gibt. Ist das der Fall, sollte sie diese einlegen. Denn von außen betrachtet, kann man zumindest auch daran zweifeln, ob das Verhalten des Vaters kindeswohlförderlich ist. Er hat die Kinder zurückbehalten und offensichtlich verhindert, dass sie Kontakt zu ihrer Mutter haben. Das führt zu Bindungsinstabilitäten bei den Heranwachsenden, die sich im Laufe ihres Lebens negativ auswirken können, das ist wissenschaftlich bereits belegt. In diesem Verhalten kann ich durchaus eine Kindeswohlgefährdung erkennen. Zumal es damals andere Möglichkeiten gegeben hätte. Man hätte das Aufenthaltsbestimmungsrecht zum Beispiel erstmal auf einen Amtsvormund übertragen können, um dann anschließend in Ruhe zu prüfen, wer der geeignetere Elternteil für die Kinder ist. Diese Prüfung wird jetzt, nach allem was passiert ist, natürlich viel schwieriger.
Das klingt nach einem langen Sorgerechtsverfahren mit ungewissem Ausgang. Gibt es in der Zwischenzeit Möglichkeiten für Block, Kontakt zu ihren Kindern herzustellen?
Sie sollte auf jeden Fall versuchen, ein Umgangsrecht zu erhalten. Damit hätte sie einen Anspruch darauf, ihre Kinder regelmäßig zu sehen. Allerdings muss man auch realistisch sein: Das wird nach den Geschehnissen in den vergangenen Wochen mit Sicherheit schwierig. Zudem kann sie rechtliche Schritte, ob Rechtsmittel oder Umgangsrechtforderung, nur noch in Dänemark einleiten. Daneben gibt es allerdings noch die Möglichkeit, eine internationale Mediation durchzuführen, das sollte die Familie unbedingt tun. Denn bei der ganzen Eskalation darf man eins nicht vergessen: Es geht darum, dass es den beiden Kindern gut geht. Das ist in der Regel der Fall, wenn sie Kontakt und Bindungen zu beiden Elternteilen haben. Ob man an diesem Ziel mitarbeitet oder nicht, daran würde ich auch die sorgerechtliche Kompetenz der Eltern messen.
Mit Alexander Ganz sprach Sarah Platz
Quelle: ntv.de