Panorama

Morde in Hamburg Ein Mensch ahnte Philipp F.s Amokpläne

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Polizeipräsident.JPG

Ein lediger 35-jähriger Sportschütze: Das ist Phillip F., der Täter des Amoklaufes von Hamburg. Während die Polizei den Tatablauf inzwischen rekonstruieren kann, liegen die Motive des Mannes noch immer im Dunkeln. Doch ein Mensch bemerkte offenbar die fatale Entwicklung von F.

Wenige Stunden nach dem gewaltsamen Tod von acht Menschen in Hamburg haben Polizei und Staatsanwaltschaft einen Überblick zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen gegeben. Dabei berichtete der Hamburger Polizeipräsident Ralf Meyer, dass es im Januar einen Hinweis auf den späteren Täter Philipp F. gab. Darin beschrieb ein anonymer Hinweisgeber seine Sorge, dass sich bei F. eine Bedrohungslage entwickelt und bat darum, den Waffenbesitz des Mannes zu überprüfen.

Gemutmaßt wurde in dem anonymen Schreiben, dass F. eine psychische Krankheit entwickelt haben könnte. Diese sei aber nicht diagnostiziert, weil der spätere Täter nicht in eine ärztliche Behandlung einwillige. Die Rede sei zudem von einer besonderen Wut auf religiöse Anhänger der Zeugen Jehovas gewesen und auf den ehemaligen Arbeitgeber des Mannes. Meyer zufolge ist es bis heute nicht gelungen, den Hinweisgeber oder die Hinweisgeberin zu identifizieren.

Bei einer daraufhin anberaumten unangemeldeten Kontrolle in der Wohnung von F. in Hamburg-Altona sei der 35-Jährige angetroffen worden und habe sich kooperativ verhalten. Meyer zufolge gab es keine "relevanten Beanstandungen". Die Waffe, die F. seit Dezember 2022 als Sportschütze besitzen durfte, befand sich im Tresor, ebenso wie die Munition. Lediglich ein Projektil habe auf dem Tresor gestanden, dafür wurde der seit 2014 in Hamburg lebende und arbeitende F. verwarnt. Er habe sich entschuldigt und das Projektil weggeschlossen.

Den Hamburger Behörden zufolge gab es nach diesem Besuch keinen Ansatz für eine psychologische Begutachtung von F., trotzdem seien noch einmal alle Sicherheitsabfragen wiederholt worden, die bereits für die Vergabe der Waffenbesitzkarte vorgenommen wurden. Auch Hinweise auf die großen Munitionsmengen, die dann schließlich bei dem Amoklauf zum Einsatz kamen, habe es nicht gegeben. F. behielt seine Waffenbesitzkarte, die Pistole und Munition. Die halbautomatische Pistole vom Typ Heckler & Koch P30 setzte F. in der vergangenen Nacht schließlich als Tatwaffe ein.

Viel Munition und Tötungswille

Nach Angaben von Thomas Radzuweit, dem Vize-Chef des Hamburger Staatsschutzes, setzte der Täter bei seinem Amoklauf große Mengen von Munition ein. Insgesamt seien nach der Tat neun leere Magazine gefunden worden, zwei weitere habe er "am Mann" gehabt, zwanzig weitere im Rucksack. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung noch in der Tatnacht wurden noch einmal 15 Magazine gefunden. Jedes Magazin war mit 15 Schuss gefüllt.

Der Hamburger Innensenator Andy Grote zeigte sich auf der Pressekonferenz erschüttert von der Amoktat, die man in "dieser Dimension" bisher in Hamburg nicht erlebt habe. Einsatzleiter Matthias Tresp zufolge gingen die ersten Notrufe aus dem Königreichsaal in Groß Borstel und von Nachbarn um 21.04 Uhr sowohl bei der Polizei als auch bei der Feuerwehr ein, insgesamt 47, auf vielen seien Schüsse zu hören. Die Mitarbeitenden in den Notrufeinsatzzentralen mussten dabei offenbar am Telefon die Ermordung von Anrufern mithören.

Den bisherigen Ermittlungsergebnissen zufolge schoss F. zunächst auf das Auto einer Frau auf dem Parkplatz vor dem Gebäude, sie wurde verletzt. Danach richtete er die Waffe auf ein Fenster, durch das er dann in das Gebäude eindrang, dessen Tür verschlossen war. Um 21.08 Uhr waren Tresp zufolge bereits erste Kräfte vor Ort. Nur eine Minute später, um 21.09 Uhr, sei die Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) am Tatort gewesen, die sich dann ebenfalls Zutritt zu dem Gebäude verschaffte.

Für einen kurzen Moment hätten sie F. gegenübergestanden, der dann in den ersten Stock flüchtete, wo er sich selbst tötete. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits sieben Menschen getötet, vier Männer, zwei Frauen und das ungeborene Kind einer der Frauen. Keines der Opfer war mit ihm verwandt. Weitere acht Menschen erlitten zum Teil schwere Schussverletzungen, vier von ihnen schweben noch immer in Lebensgefahr.

Die große Frage nach dem Warum

Den Zeugen Jehovas zufolge, die sich ausdrücklich bei der Polizei für den Einsatz bedankten, waren insgesamt 36 Personen in dem Königreichsaal an der Deelböge. Philipp F. war ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas und habe diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offensichtlich nicht im Guten verlassen, teilten Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde mit.

Mehr zum Thema

Dass er am Ende nicht mehr Menschen ermordete, sei der geradezu vorbildlichen Umsetzung des Einsatzkonzeptes für Amoklagen zu verdanken. Es sei gelungen, F. von den Opfern wegzudrängen und seinen Handlungsspielraum extrem einzuengen. Dies habe vermutlich weiteren Menschen das Leben gerettet, so Einsatzleiter Tresp.

Was F. am Ende zu seinem Amoklauf trieb, ist nun noch Gegenstand der Ermittlungen, ein terroristisches Motiv des ledigen, alleinlebenden Mannes schließen die Behörden aus. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen politischen Hintergrund der Morde, auch die zunächst befürchtete Existenz eines zweiten Täters sei noch in der Nacht ausgeschlossen worden. Antworten könnte vielleicht die Person liefern, die sich im Januar Sorgen um Philipp F. machte.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen