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"Perfekt durchgestylte Show" Faszination Papst - wie ein Begräbnis zum Mega-Event wurde

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Gläubige aus aller Welt versammelten sich, um dem Papst "vom anderen Ende der Welt" das letzte Geleit zu geben.

Gläubige aus aller Welt versammelten sich, um dem Papst "vom anderen Ende der Welt" das letzte Geleit zu geben.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Beerdigung von Papst Franziskus lockt Abertausende Menschen nach Rom, Millionen verfolgen die Zeremonie vor dem Bildschirm. Was macht die Veranstaltung so interessant - auch für die, die mit der Kirche eigentlich nichts zu tun haben?

Es war ein sonniger Samstag, als die Trauerfeier für den verstorbenen Papst Franziskus vergangene Woche im Vatikan stattfand. Rund 250.000 Menschen aus aller Welt sollen sich am und um den Petersplatz versammelt haben, um der Zeremonie beizuwohnen. Den Trauerzug von Papst Franziskus durch Rom haben nach Schätzung des Vatikans etwa 150.000 Menschen am Straßenrand verfolgt. Insgesamt zählten die italienischen Behörden damit 400.000 Menschen, wie Italiens Innenminister Matteo Piantedosi Medienberichten zufolge bestätigte.

Wer nicht persönlich vor Ort war, konnte sich die Feierlichkeiten im TV oder online per Livestream anschauen. Laut dem Medienmagazin DWDL.de verfolgten allein im deutschen Fernsehen mehr als drei Millionen Menschen die Beisetzung des Oberhaupts der katholischen Kirche. Und das, obwohl die Mitgliederzahlen in Deutschland seit Jahren sinken - wie auch im Rest Europas.

"Es geht um das Event, nicht um Glauben"

Für den Historiker René Schlot schließen sich Kirchenaustritte und das massive Interesse an der Papst-Beerdigung nicht aus, wie er im Interview mit ntv.de sagt. "Es ging den meisten Menschen nicht um Glauben oder religiöse Überzeugung. Es ging ihnen um das Event. Das war an den vielen nach oben gestreckten Armen auf den Fernsehbildern deutlich zu erkennen. Sie waren da, um Handy-Fotos zu schießen. Um zu zeigen: 'Ich war dabei!'"

In den Live-Übertragungen der Veranstaltung seien aber vor allem Bilder von betenden Menschen auf dem Petersplatz zu sehen gewesen; von Trauernden statt von Selfie schießenden Event-Touristen. Das liegt laut Schlott aber nicht daran, dass ausschließlich andächtige Gläubige anwesend waren. Sondern an den Bildrechten der Veranstaltung, die allein beim Vatikan liegen.

"Die Beerdigung wurde mit Vatikan-eigener Technik aufgezeichnet. Ob in Australien oder Deutschland - überall auf der Welt waren die gleichen Aufnahmen und Schnitte zu sehen", so Schlott. Und in der Auswahl der Bilder entscheide sich die Kirche eben lieber für Gläubige in tiefer Andacht statt für Menschen mit gezückten Handys. "Das ist aber eigentlich die Ausnahme auf dem Petersplatz."

Nicht nur die Aufzeichnung, sondern auch die Trauerfeier selbst ist laut dem Historiker eine "perfekt durchgestylte Show" gewesen. "Es gab keine technischen Ausfälle, keine piependen Mikrofone, keinen Nachhall. Jeder wusste zu jeder Zeit, an welchem Platz er zu sein und was er zu tun hatte." Selbst die katholische Liturgie werde so dem Unterhaltungswert untergeordnet. Da könne selbst ein Taylor-Swift-Konzert nur schwer mithalten.

Doch im Gegensatz zu Popkonzerten findet eine Papst-Trauerfeier eben nur ein einziges Mal und nur an einem ganz bestimmten Ort statt. "Es gibt auf der Welt nur einen Petersplatz - diese Bilder sind also absolut einmalig", erklärt Schlott. Und gerade die Tatsache, dass es "auf der Welt nichts Vergleichbares zum Papsttum" gebe, heize das Interesse massiv an.

Politischer Nebenschauplatz

Neben den Aufnahmen vom Petersplatz und der Trauerfeier selbst gingen aber noch ganz andere Bilder um die Welt. Nämlich die des US-Präsidenten Trump und seines ukrainischen Amtskollegen Selenskyj. Die beiden hatten sich am Rande der Veranstaltung im Vatikan zu einem kurzen Vieraugengespräch getroffen. Unter anderem, um über einen möglichen Friedensplan für die Ukraine zu sprechen.

"Dadurch potenziert sich die Medienaufmerksamkeit noch mal", sagt Schlott. Zudem stützten die Bilder das vatikanische Narrativ als Weltbühne, auf der wichtige Dinge verhandelt und große Entscheidungen getroffen werden. "Wenn Staats- und Regierungschefs nach Rom reisen, dann findet die Berichterstattung nicht nur auf kirchlicher Ebene, sondern auch auf politischer Ebene statt. Kirche und Nachrichten gehen also eine Art Symbiose ein."

"Die Botschaft: Das ist wichtig"

Andreas Hamburger hat eine weitere Erklärung dafür, warum das Papst-Begräbnis auch Menschen berührte, die nicht in der Kirche sind. "Der Tod solcher Weltfiguren wird von sehr vielen Menschen zugleich geteilt. Und davon geht die Botschaft aus: Das ist wichtig", sagte der Professor für klinische Psychologie der Deutschen Presse-Agentur.

Das menschliche Gedächtnis sei kein Computer, der alles, was passiert, gleichermaßen abspeichert. Dafür sei auf der Festplatte nicht genug Platz. Es werde sich vielmehr nur an bestimmte Eckdaten erinnert - alles, was dazwischen liegt, wird vom Gehirn im Nachhinein rekonstruiert. Und dafür spielten vor allem kulturell markierte und medial verbreitete Ereignisse eine Rolle. "Große Figuren sind für uns dementsprechend auch Organisatoren unseres Gedächtnisses", so Hamburger.

Als anderes Beispiel nennt er den Tod der Queen 2022. Elizabeth II. war 70 Jahre lang Königin, ein ganzes Menschenleben lang. Ihr Staatsbegräbnis soll laut BBC-Schätzungen von 29 Millionen Britinnen und Briten an den Fernsehbildschirmen verfolgt worden sein.

Ganz besonders könne er sich auch noch an den Tod Konrad Adenauers 1967 erinnern, erzählte Hamburger. Er sei damals Schüler an einem Münchner Gymnasium gewesen. Am Tag der Beisetzung seien alle in die Aula geführt worden, um die Übertragung der Trauerfeier im Kölner Dom zu verfolgen. "Ich weiß noch, dass sich der Kommentator an einer Stelle versprach, er sagte voller Pathos 'im hohen Köln zu Dom' anstatt 'im hohen Dom zu Köln'. Da ging bei uns ein Riesengekicher los." Dass er das Ereignis 58 Jahre später noch als sehr bedeutsam in Erinnerung hat, führt er selbst auch darauf zurück, dass es so feierlich inszeniert war.

Papst-Starschnitt in der "Bravo"

Im Gegensatz zu Monarchen und Staatsoberhäuptern gehe mit dem Pontifikat jedoch ein ganz eigenes "Amts-Charisma" einher, sagt Schlott. "Könige gibt es viele, Präsidenten auch und Staatschefs sowieso. Aber es gibt nur einen Papst. Kein Amt auf der Welt beruft sich sonst auf die Einsetzung durch den Sohn Gottes."

Und von diesem Charisma profitiere letztlich jeder Papst - ganz egal, wie beliebt die jeweiligen Personen vor der Ausführung des Amtes waren. "Erinnern wir uns an Joseph Ratzinger, der als Konservativer bei vielen zunächst eher unbeliebt war." Doch das habe sich geändert, als er als Benedikt XVI. 2005 das Papstamt übernahm.

"Wir sind Papst!", titelte die "Bild"-Zeitung damals und brannte sich damit in das deutsche Popkultur-Gedächtnis ein. Es folgten "Benedetto"-Rufe und ein XXL-Starschnitt in der Teenie-Zeitschrift "Bravo". "Er war ein beinharter Konservativer und wurde trotzdem beim Weltjugendtag gefeiert. Was er von Verhütung oder vorehelichem Sex hielt, war plötzlich nicht mehr so wichtig."

Mit Blick auf das am 7. Mai beginnende Konklave sagt Schlott, es sei für die Popularität des Papstes eher unerheblich, wer die Wahl gewinnt. "Egal, wer Papst wird" - er profitiere in jedem Fall vom Charisma des Amtes und von der mächtigen Medienmaschinerie des Vatikans.

Quelle: ntv.de

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