Streit in der Beziehung "Konflikte sind der tragische Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse"


Wer langfristig eine gesunde Beziehung führen möchte, sollte seine Bedürfnisse kommunizieren.
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Beziehungsstreitigkeiten sind oft der Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse. Laut einer neuen Studie gibt es vier Strategien, um nach Konflikten wieder zueinanderzufinden. Doch nicht jede Methode passt für alle Paare.
Die Türen knallen, das Geschirr fliegt und am Ende herrscht mehrere Tage lang Funkstille. Zum Glück streiten die wenigsten Paare so eskalativ. Dennoch kommt es in Beziehungen immer mal wieder zu Konflikten. Sich anschließend zu versöhnen, ist nicht immer einfach - und variiert laut einer Studie der Partnervermittlung ElitePartner in seiner Art und Weise. Vier verschiedene Versöhnungsstrategien lassen sich dabei erkennen.
Streit ist nicht schön, findet in den allermeisten Beziehungen aber trotzdem statt. Das bestätigt auch die Studie von ElitePartner. Nur 6 Prozent der 4234 Befragten gaben an, noch nie in ihrer Partnerschaft gestritten zu haben. Der Rest führt auch mal hitzige Diskussionen. Nicht jeder kann aber aus einem heftigen Streit direkt zurück zur Harmonie. Jeder Sechste (16 Prozent) braucht immerhin einen Tag, um sich seiner Partnerin oder seinem Partner wieder anzunähern. 10 Prozent schmollen sogar mehrere Tage lang. Besonders Männer unter 40 Jahren zeigten sich in der Umfrage nachtragend.
Es gibt allerdings Hoffnung: Mit steigendem Alter steigt offenbar auch die Bereitschaft, sich zu versöhnen. Ebenfalls positiv: 68 Prozent stehen auf Harmonie und versöhnen sich nach einem Streit innerhalb von wenigen Stunden. Insbesondere jungen Frauen unter 30 Jahren scheint das wichtig zu sein. Nur wie versöhnt man sich "am besten"?
Vier Strategien zur Versöhnung
Bei den gut 4000 befragten Liierten gibt es vier verschiedene Strategien: Kommunikation, Rückzug, Zuneigung und Kompensation. Diese schließen sich nicht gegenseitig aus, bedienen aber verschiedene Bedürfnisse. Auf Platz 1 der Konfliktbewältigungsstrategie liegt für die meisten Menschen in einer Partnerschaft: das klärende Gespräch. Wichtig neben dem Klären innerhalb des Gesprächs sind rund einem Drittel der Befragten dabei eine glaubhafte Entschuldigung sowie das Eingestehen von Fehlern. Jeder Zehnte sucht sich dabei auch Rat von außen und spricht mit vertrauten Personen über die Konflikte in der Beziehung.
Auch Abstand scheint für viele nach einem Streit das richtige Mittel der Wahl zu sein. Zeit für sich, Ablenkung, Sport oder einfach ins Nebenzimmer gehen - ein vorübergehender Rückzug ist für rund 41 Prozent der Befragten der Weg zur anschließenden Versöhnung. Dabei geht es vor allem darum, selbst ein wenig herunterzukommen, um die Dinge klarer zu sehen.
"Es kann hilfreich sein, sich für einige Zeit direkt nach dem Streit aus dem Weg zu gehen, Sport zu machen oder spazieren zu gehen, um aktiv Stress-Hormone abzubauen", sagt auch Paarberaterin Ruth Marquardt im Gespräch mit ntv.de. Essenziell sei hier aber, dem Partner immer den Hinweis zu geben: Ich nehme mir jetzt Zeit für mich und komme wieder. Der Vorteil einer Streit-Pause: "Die Emotionen können sich beruhigen, die Gemüter abkühlen. Mit etwas Abstand betrachtet, sind viele Streitthemen dann nicht mehr so brisant", weiß die Expertin.
Frauen wollen kaum Versöhnungssex
Geht es dann konkreter in die Versöhnung, sehnen sich 40 Prozent nach Zuneigung. Wer hier direkt an Versöhnungssex denkt, liegt laut Studie aber falsch: Den wollen nur 11 Prozent der Befragten - und wenig überraschend deutlich mehr Männer als Frauen. So wünscht sich jeder siebte Mann nach einem Streit Versöhnungssex, aber nicht einmal jede zehnte Frau. Für viele Frauen wichtiger: in den Arm genommen werden (44 Prozent), Gefühle zuzulassen und weinen zu können (26 Prozent). Interessant: Während auch 36 Prozent der befragten Männer gern zur Versöhnung in den Arm genommen werden, haben nur 11 Prozent das Bedürfnis, weitere Gefühle zu zeigen. Dies variiert übrigens sehr nach Altersgruppe. Während junge Liierte emotionale Offenheit brauchen, um sich wieder zu versöhnen, lassen Paare über 60 Konflikte lieber auf sich beruhen.
Auch wenn es für den ein oder anderen überholt klingt: Bei 28 Prozent der Befragten weiterhin als Versöhnungsstrategie aktuell ist die Kompensation des Streits mithilfe von Aufmerksamkeiten. Das kann klassisch der Blumenstrauß vom Partner sein, aber auch verstärkte Zuwendung oder die Aussicht auf Lösung. Besonders angetan von materiellen Wiedergutmachungen sind übrigens offenbar junge Männer - knapp jeder Fünfte (18 Prozent) unter 30 wünscht sich ein kleines Geschenk nach einem Streit.
Damit es gar nicht erst so oft zum Streit kommt, sollte man seine Bedürfnisse kommunizieren, rät Lisa Fischbach, Psychologin und Leiterin der ElitePartner-Studie. "Eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und zu äußern - auch wenn sie möglicherweise nicht den Bedürfnissen des Partners oder der Partnerin entsprechen - verhindert, dass sich Frustration und Unzufriedenheit aufstauen." Baue man eine Beziehung hingegen nur auf Harmonie oder Anpassung auf und nicht auf das Ausbalancieren unterschiedlicher Wünsche, sei sie in kritischen Phasen oft anfälliger, weil das Paar ungeübt im Umgang mit Konflikten sei.
Fehlendes Vertrauen statt Wunsch nach Harmonie
Vor allem jüngere Menschen seien laut Fischbach - einfach aufgrund der fehlenden Lebens- und Beziehungserfahrung - oft unsicher im Wahrnehmen und Benennen ihrer eigenen Bedürfnisse. "Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass sie sich in Beziehungen weniger mit ihren Bedürfnissen zeigen und Erwartungen an die hellseherischen Fähigkeiten des Partners oder der Partnerin entwickeln, der oder die spüren soll, was man braucht. Wird diese vermeintliche Lösungsstrategie enttäuscht, führen gekränkte Gefühle häufig zu Konflikten."
Hinter dem Zurückhalten der eigenen Bedürfnisse stecke zudem meist nicht der Wunsch nach Harmonie, sondern fehlendes Vertrauen, über unterschiedliche Bedürfnisse friedlich verhandeln zu können. Zudem mangele es vielen an der Übung mit konstruktiven Gesprächen. "Daraus erwächst die Angst, im Austausch zu scheitern oder sogar Konflikte auszulösen", weiß die Expertin. "Viele Menschen haben zudem in ihrer Vergangenheit negative Erfahrungen gemacht, bei denen das Äußern ihrer Bedürfnisse zu Unverständnis, Ablehnung, Kritik oder sogar emotionaler Verletzung geführt hat."
Streiten lernt man meist im Elternhaus
Dass Erfahrungen mit Streit prägen, weiß auch Paarberaterin Ruth Marquardt: "Wie wir von zu Hause gelernt haben zu streiten, so streiten wir dann häufig in unserem späteren Leben. Habe ich Streit als konstruktiv erlebt, weil meine Eltern lebendig diskutiert und sich dann wieder versöhnt haben, werde ich eher versuchen, Streitgespräche zu führen und Dinge zu klären." Streit habe dann nichts Bedrohliches, sondern gehöre mit dazu. Der Grund: Das Grundbedürfnis nach Sicherheit wurde in der Kindheit nicht durch Streit erschüttert.
Habe man als Kind jedoch vielleicht erlebt, dass Streit mit Verletzung oder sogar Trennung einherging, könne Streit etwas Bedrohliches haben. "Ein Beispiel sind hier die Paare, die sich aus Sicht der Kinder nie gestritten haben, aber dann, dieses eine Mal doch - und danach haben sie sich getrennt", erklärt Marquardt. Sich aus dieser Erfahrung heraus weitestgehend anzupassen, um mögliche Konflikte zu vermeiden, berge aber erneute Risiken der Verletzung, weiß Fischbach: "Wenn grundlegende Wünsche dauerhaft unerfüllt bleiben, platzen sie meist irgendwann als Vorwurf oder Forderung heraus." Die häufige Folge: Streit.
Quasi ein Teufelskreis, der dringend unterbrochen werden sollte, wenn eine Partnerschaft funktionieren soll, denn: "Konflikte entstehen, weil unbewusst destruktive Strategien verwendet werden, um über Bedürfnisse zu verhandeln. Anders gesagt: Konflikte sind der tragische Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse, die auf der Gefühlsebene als Kränkung erlebt werden", sagt Fischbach. Destruktives Streiten führe aber zu Distanz in einer Beziehung - offene Kommunikation über Bedürfnisse hingegen schaffe Nähe.
Quelle: ntv.de