Panorama

Paartherapeutin erklärt Warum Sicherheit die größte Beziehungsgefahr ist

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Oft orientieren sich Paare an gesellschaftlichen Ansprüchen und zerbrechen daran.

Oft orientieren sich Paare an gesellschaftlichen Ansprüchen und zerbrechen daran.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Nähe, Freiheit, Halt, Leidenschaft und das am besten dauerhaft und konfliktfrei. Paartherapeutin Ursina Donatsch erklärt, warum genau das zur Gefahr für die Beziehung werden kann.

Die promovierte Schweizer Psychotherapeutin und Autorin Ursina Donatsch kennt die Dynamiken von Paaren aus nächster Nähe - Tag für Tag spricht sie mit Menschen, die sich lieben, aber nicht mehr erreichen. In ihrem neuen Buch "Wie geht Beziehung?" hat sie 63 Fragen aus dem Alltag ihrer Arbeit als Paartherapeutin beantwortet. Im Interview mit ntv.de spricht sie über die größten Herausforderungen moderner Beziehungen, was in scheinbar ausweglosen Situationen hilft und was es wirklich braucht, um gemeinsam durch Höhen und Tiefen zu gehen.

Denn wer eine glückliche Beziehung führen möchte, muss selbst ein guter Partner sein. Toleranz in Bezug auf die Wünsche des Partners sei wichtig. Mindestens genauso wichtig sei es aber, die eigenen Wünsche mitzuteilen. "Neugierig, offen und zugewandt sein zu den eigenen Bedürfnissen", sagt Donatsch im Gespräch. "Diese ernst nehmen und dem Partner oder der Partnerin mitteilen." Das sei wichtig, um gemeinsam zu wachsen. Doch nicht immer gelingt das.

Ziehen sich Gegensätze an?

Besonders herausfordernd seien im Beziehungsalltag die Unterschiede zwischen den Partnern. Was in der Kennenlernphase noch für eine elektrisierende Spannung sorge, bringe im Alltag oftmals ein Gefühl der Anspannung. Eine Untersuchung von US-Wissenschaftlern der Universität von Colorado von 2023 zeigt, dass Paare einige Gegensätze besser akzeptieren können als andere. Wichtig seien demnach vor allem ein vergleichbares Bildungsniveau sowie ein ähnliches Trink- und Rauchverhalten. Ob einer introvertiert und der andere extrovertiert ist, spiele hingegen eine untergeordnete Rolle bei der Partnersuche. Generell seien es aber die Gemeinsamkeiten, die auf Dauer eine Beziehung stärken.

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Laut Paartherapeutin Ursina Donatsch sei zunächst wichtig zu verstehen: "Idealvorstellungen von Beziehungen geben von Außen eine vermeintliche Sicherheit." Die gleichen Interessen, die gleichen Urlaubsvorstellungen, das gleiche Tempo bei Entscheidungen, das gleiche Bett teilen: "Diese Idealvorstellungen machen aber oftmals Druck und stellen zu hohe Erwartungen an die Beziehung und an das Gegenüber", sagt Donatsch.

Statt sich starr an gesellschaftliche Vorstellungen einer Beziehung zu halten, sollten Paare dieses Gerüst lieber aus sich heraus aufbauen. "Fragen Sie sich selbst und Ihren Partner: Wann und in welchen Situationen fühle ich mich mit dir verbunden?", empfiehlt die Psychotherapeutin. "Dann kann zum Beispiel die Antwort kommen: Wenn wir abends vor dem Schlafengehen einander gegenübersitzen und uns gegenseitig fragen, wie der Tag war." Das sei oftmals intimer, als gezwungenermaßen im gleichen Bett zu schlafen. Auch den Urlaub müssen Paare nicht zusammen verbringen, wenn die Vorstellungen zu weit auseinandergehen.

Was tun, wenn die Situation verfahren ist?

Immer wieder geraten Paare in scheinbar ausweglose Situationen, nämlich dann, wenn sie sich uneinig sind. Die Kinderfrage sei ein klassisches Beispiel dafür, und zwar egal, ob es das erste, zweite oder dritte Kind sei, so Donatsch. "Durch jedes Gespräch darüber verhärten sich die Positionen weiter", sagt sie. Eine Einigung rückt in weite Ferne, ein Kompromiss ist nicht möglich. Eine Partei würde immer nachgeben müssen.

Doch es gebe eine Lösung aus der Paartherapie in solch verfahrenen Situationen. "Ich spiele mit den Paaren beide Situationen durch: Gesetzt den Fall, sie hätten sich gegen Kinder entschieden, wie geht es ihnen jetzt nach der Entscheidung? Wie ist es in drei Jahren? Was sehen sie für Bilder?", erklärt Donatsch. Danach spielt sie das zweite Szenario durch. Gerade bei einer so essenziellen Frage gebe es häufig kaum ein anderes Thema mehr im Beziehungsalltag. Durch diese Übung erreichen es Paare, wieder Raum für andere Themen zu schaffen und neutral über emotionale Fragen wie diese zu sprechen.

Beziehungsansprüche verändern sich mit dem Alter

Je nach Alter würden sich die Ansprüche an romantische Beziehungen verändern. Sei die Kinderfrage in den Zwanzigern und Dreißigern ein großes Thema, rücke sie in den Vierzigern, Fünfzigern und Sechzigern in den Hintergrund. "Im Alter beobachte ich oft zwei Effekte", sagt Donatsch. "Menschen werden toleranter, haben weniger Erwartungen, weniger Idealvorstellungen." Gleichzeitig seien sie aber auch änderungsresistenter. "Sie wissen immer besser, was sie brauchen", erklärt die Psychotherapeutin.

Das belegen auch Studien. So fanden taiwanesische Wissenschaftler 2019 in qualitativen Interviews heraus, dass Erwachsene im höheren Alter Wert auf gemeinsame Interessen und ein Gefühl von Verbundenheit legen. Gleichzeitig sei ihnen eine unabhängige Beziehung wichtig. Täglicher Kontakt oder ein gemeinsamer Haushalt rücken demnach in den Hintergrund.

Diesen Ansatz empfiehlt Donatsch allen Paaren. In ihrem Sachbuch liest sich immer wieder der Ratschlag, dass Paare ihren eigenen Weg finden müssen, statt sich an vermeintlichen Idealvorstellungen zu orientieren. "Viel sinnvoller ist es, Sicherheit und Vertrauen in der Beziehung selbst aufzubauen, von innen statt von außen", sagt sie.

Quelle: ntv.de

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