Hauptstadt im Visier 64 Kilometer langer Militärkonvoi nähert sich Kiew
01.03.2022, 08:08 UhrIn der Ukraine stehen die beiden größten Städte offenbar erneut unter russischem Raketenbeschuss. Videos zeigen heftige Explosionen. Es seien weitere Zivilisten getötet und verletzt worden, heißt es in Berichten. Derweil nähert sich offenbar eine riesige russische Militärkolonne der Hauptstadt.
Ein russischer Militärkonvoi, der sich auf die ukrainische Hauptstadt Kiew zubewegt, soll rund 64 Kilometer lang sein. Das zeigen Satellitenbilder, die die Nachrichtenagentur Unian veröffentlichte. Damit sei die Kolonne länger, als bisher angenommen. Zunächst berichtete die "New York Times" von einer Länge von mindestens 27 Kilometern. Der Konvoi bestehe aus Panzern und anderen militärischen Fahrzeugen und erstrecke sich vom Flughafen Hostomel im Nordwesten Kiews bis zum Dorf Prybirsk, das zwischen Kiew und Tschernobyl liegt.
An einigen Stellen stünden auch zwei oder drei Fahrzeuge nebeneinander, schreibt die "New York Times" weiter. An diesem Montag habe sich die Kolonne etwa 32 Kilometer nördlich des Flughafens Hostomel und 48 Kilometer von Kiew entfernt befunden. Unklar sei, ob der Konvoi das Zentrum Hauptstadt zum Ziel habe oder Kiew möglicherweise mit anderen russischen Truppen einkreisen könnte.
Explosionen aus Kiew und Charkiw gemeldet
Derweil meldeten ukrainische Medien heftige Angriffe auf Kiew und Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes. Kurz nach Ende einer ersten Runde von Friedensverhandlungen zwischen Russen und Ukrainern habe es in Kiew mindestens zwei große Explosionen gegeben. Aus Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, meldeten die Nachrichtenagentur Unian und andere Medien mindestens drei Einschläge. Auch in anderen Gebietshauptstädten wurde Luftalarm ausgelöst.
Unian veröffentlichte zudem ein Video, das einen großen Feuerball am Abendhimmel von Kiew zeigt. Der Bürgermeister Charkiws, Ihor Terechow, sagte dem "Spiegel" am Telefon, es würden Wohnblöcke beschossen und Zivilisten getötet. "Das ist ein Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung."
Bei heftigen Angriffen in Charkiw wurden nach Angaben der lokalen Behörden mindestens elf Menschen getötet. Es habe Dutzende Verletzte gegeben, schrieb der Gebietsleiter Oleh Synjehubow bei Facebook. "Das, was gerade in Charkiw passiert, ist ein Kriegsverbrechen! Das ist der Genozid am ukrainischen Volk." Videos zeigten mehrere Raketeneinschläge in einem Wohngebiet.
Landesweit sind seit Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine laut Gesundheitsministerium mindestens 352 Zivilisten getötet worden, darunter 14 Kinder. Es gebe obendrein mindestens 1700 verwundete Zivilisten, darunter seien 116 Kinder. Die Zahlen waren am Sonntag veröffentlicht worden.
Klitschko: "Logistik ist zusammengebrochen"
Derweil warnte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten in der Hauptstadt sei gefährdet. "Die Logistik ist zusammengebrochen. Die nächsten Tage wird es eng mit Lebensmitteln und Medikamenten", sagte Klitschko bei Bild Live. Das ukrainische Ministerium für Infrastruktur hatte zuletzt zentrale Verteilungspunkte für Lebensmittel in Kiew und anderen ukrainischen Städten angekündigt.
Laut Klitschko sei die Hauptstadt noch immer in ukrainischer Hand. "Es gibt direkt in der Stadt noch keine russische Armee. Die kommen, kämpfen und gehen zurück", sagte der Bürgermeister. "Teilweise sind schon russische Scharfschützen hier in der Stadt. Deswegen muss man aufpassen."
Zuvor waren die ersten Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine ohne greifbares Ergebnis zu Ende gegangen. Die Unterhändler Kiews und Moskaus kehrten aus Belarus in ihre Länder zurück. Während der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj einen "sofortigen Waffenstillstand" und einen Abzug der russischen Truppen aus seinem Land verlangte, bekräftigte Kreml-Chef Wladimir Putin seine Forderung nach einer "Entmilitarisierung und Entnazifizierung" der Ukraine. Westliche Staaten prangerten Angriffe Russlands auf Zivilisten in der Ukraine an.
Quelle: ntv.de, hul/dpa