Politik

Blutigster Tag der US-Geschichte Das Gemetzel am Antietam gab Lincolns Truppen neue Hoffnung

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Leichen gefallener Soldaten auf dem Schlachtfeld von Antietam.

Leichen gefallener Soldaten auf dem Schlachtfeld von Antietam.

(Foto: picture alliance / akg-images)

Während des Amerikanischen Bürgerkrieges fällt eine Rebellenarmee im Herbst 1862 in den Norden ein. Am Fluss Antietam kommt es zur Schlacht. Präsident Lincoln nutzt den blutigsten Tag in der US-Geschichte für einen Erlass, der den Charakter des Konflikts grundlegend verändert.

Auf einer Farm im US-Bundesstaat Maryland stolpern Unionssoldaten am 13. September 1862 über drei Zigarren, eingewickelt in eine unscheinbare Notiz. Der Zufallsfund entpuppt sich als Sensation: Das Papier enthält die Invasionspläne von Südstaaten-General Robert E. Lee, die einer seiner Offiziere verloren hat.

Als Lees Gegenspieler George B. McClellan davon erfährt, schwört er, die Rebellen zu schlagen oder sein Kommando niederzulegen. Vier Tage später treffen die Armeen der beiden Heerführer am Fluss Antietam aufeinander. Mit rund 21.000 Gefallenen und Verwundeten geht der 17. September 1862 als blutigster Tag in die Geschichte der USA ein.

"Die Schlacht am Antietam endete ohne klaren Sieger", sagt der Historiker Michael Hochgeschwender im Gespräch mit ntv.de. "Doch im Norden wurde das Unentschieden in einen Erfolg umgedeutet. Für die Unionstruppen war es nach Monaten der Rückschläge ein dringend benötigter Hoffnungsschimmer", so der Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Und auch Präsident Abraham Lincoln wusste den Ausgang politisch zu nutzen."

Konföderierten-General Robert E. Lee (l.) war der erfolgreichste Feldherr des Südens. Sein Gegenspieler George B. McClellan galt als brillanter Organisator, scheiterte jedoch oft an seiner übergroßen Vorsicht.

Konföderierten-General Robert E. Lee (l.) war der erfolgreichste Feldherr des Südens. Sein Gegenspieler George B. McClellan galt als brillanter Organisator, scheiterte jedoch oft an seiner übergroßen Vorsicht.

(Foto: picture alliance / akg-images)

Unionsgeneral McClellan zögert

Im Sommer 1862 tobt der Bürgerkrieg zwischen den abtrünnigen Südstaaten und dem Norden seit über einem Jahr. Nach mehreren Siegen in Virginia will Lee die Chance nutzen und den Krieg in den Norden tragen. "Auf der strategischen Ebene ging es für den Süden darum, so lange durchzuhalten, bis die Kriegsbereitschaft im Norden nachlassen würde", sagt Hochgeschwender. "Dass die Konföderation den Krieg tatsächlich gewinnen könnte, war von vornherein unwahrscheinlich. Die Union war, was die Anzahl der Soldaten und die Wirtschaftsleistung betraf, klar überlegen."

Mit einer Invasion in Maryland verbindet die Führung der Südstaatler große Hoffnungen. Sie soll die militärische Stärke der Rebellen demonstrieren, Großbritannien und Frankreich zur Anerkennung der Konföderation bewegen und Washington bestenfalls zu Verhandlungen zwingen. Allerdings ist die Nord-Virginia-Armee ausgezehrt: Sie hat in den Vormonaten hohe Verluste erlitten und leidet unter Nachschubmangel, viele Soldaten marschieren barfuß. Dennoch überquert Lee Anfang September den Potomac und teilt seine Kräfte. Um seine Versorgungslinie zu schützen, schickt er große Teile seiner Streitmacht gegen die Unionsgarnison in Harpers Ferry.

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Doch Lees Pläne geraten durch den Fund seiner Marschbefehle in Gefahr. McClellan aber zögert. Wertvolle Stunden verstreichen, ehe er seine Potomac-Armee in Bewegung setzt. Die Gelegenheit, die getrennten Kontingente der Rebellen einzeln zu schlagen, verstreicht ungenutzt.

Durch einen Spion erfährt Lee bald, dass seine Sonderweisung Nr. 191 in Feindeshand gefallen ist. Statt den Feldzug abzubrechen, zieht er seine Kräfte bei dem Dorf Sharpsburg zusammen. Auf einem nur fünf Quadratkilometer großen Gelände, eingeengt zwischen Potomac und Antietam, erwartet er den Angriff.

Verstärkungen retten die Nord-Virginia-Armee

Am Morgen des 17. September liegen 39.000 Konföderierte 88.000 Nordstaatlern gegenüber. Als sich der Nebel lichtet, eröffnet McClellans Artillerie die Schlacht. Dann stürmt die Infanterie gegen Lees linke Flanke. In einem Maisfeld und den angrenzenden Wäldern wird um jeden Fußbreit Boden gekämpft, Angriffe und Gegenangriffe wechseln sich ab.

Zur Mittagszeit verlagert sich der Kampf ins Zentrum der Front, wo die Rebellen einen alten Hohlweg verteidigen, der später als "Bloody Lane" in die Geschichte eingeht. Mehrfach rennen Unionsregimenter gegen die Position an, bis der Widerstand zusammenbricht. Allerdings fehlt den Nordstaatlern die Kraft, nachzustoßen, um Lees Armee zu spalten.

Unterdessen verteidigen 400 Konföderierte im Süden des Schlachtfelds fünf Stunden lang eine Antietambrücke gegen eine blaue Übermacht. Erst am Nachmittag gelingt Unionstruppen der Übergang. Lees rechter Flügel wankt, eine Katastrophe droht. Doch im letzten Moment trifft eine konföderierte Division im Eilmarsch aus Harpers Ferry ein und drängt die Blauröcke zurück.

Beide Generäle begingen schwere Fehler: Lee agierte defensiv, verzichtete aber auf ein Eingraben seiner Soldaten. McClellans Frontalangriffe waren schlecht koordiniert, viele seiner Verbände kamen nicht zum Einsatz.

Beide Generäle begingen schwere Fehler: Lee agierte defensiv, verzichtete aber auf ein Eingraben seiner Soldaten. McClellans Frontalangriffe waren schlecht koordiniert, viele seiner Verbände kamen nicht zum Einsatz.

(Foto: Map by Hal Jespersen, www.cwmaps.com (CC BY 3.0))

Bei Einbruch der Nacht sind beide Armeen am Ende ihrer Kräfte. Die Verluste sind gewaltig: Lee hat etwa 1500 Tote und 7750 Verwundete zu beklagen, McClellan büßt rund 2100 Tote und 9500 Verwundete ein. Hinzu kommen Hunderte Vermisste auf beiden Seiten. Ganze Regimenter sind nahezu ausgelöscht.

Lee hält seine Stellung noch einen weiteren Tag, räumt dann aber das Feld und führt seine Armee nach Virginia zurück. McClellan, der den Gegner wie so oft überschätzt, verzichtet auf eine Verfolgung. Der Norden feiert den Rückzug der Südstaatler als Erfolg.

Bürgerkrieg erhält eine moralische Dimension

Fünf Tage später nutzt Lincoln die Gelegenheit: Am 22. September kündigt er seine Emanzipationserklärung an. Ab dem 1. Januar 1863 sollen alle Sklaven in den Rebellenstaaten frei sein. "Mit der Emanzipationserklärung erhielt der Krieg eine moralische Dimension", sagt der Historiker Georg Schild ntv.de. "Von nun an ging es nicht nur um den Erhalt der Union, sondern auch um die Abschaffung der Sklaverei."

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Lincoln hatte die Erklärung schon früher erwogen, wurde aber von seinen Beratern gebremst. "Solange es keine militärischen Erfolge gab, hätte eine Veröffentlichung wie eine Verzweiflungstat gewirkt", sagt Schild, Professor für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Tübingen. "Nach Antietam war dieses Argument vom Tisch. Mit dem Erlass rückte auch eine Anerkennung der Konföderation durch Großbritannien und Frankreich, die die Sklaverei ablehnten, in unerreichbare Ferne."

Nach seinem Maryland-Feldzug führt Lee seine Armee im folgenden Sommer noch einmal in den Norden. Erst nach der Schlacht von Gettysburg ist die Offensivkraft des Südens endgültig erschöpft, die Niederlage der Konföderation unausweichlich.

Quelle: ntv.de

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