Politik

Betrifft nicht alle Autobesitzer Bund versucht, Dieselbesitzer zu beruhigen

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Wenn ein Fahrverbot kommt, dann laut dem Urteil nicht von jetzt auf gleich.

(Foto: imago/Jörg Schüler)

Grundsätzlich dürfen Städte Dieselfahrzeuge von ihren Straßen verbannen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bereitet vielen Autobesitzern Bauchschmerzen. Die Bundesregierung versucht, ihre Sorgen zu zerstreuen. Umweltverbände wollen Taten sehen.

Das Urteil zu möglichen Fahrverboten für Dieselfahrzeuge hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Während die Bundesregierung beschwichtigt, verstärken Umweltverbände ihren Druck auf Politik und Autoindustrie. Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur begrenzte Auswirkungen auf die Bürger. Es gehe dabei "wirklich nicht um die gesamte Fläche und alle Autobesitzer", sagte sie. Das Urteil betreffe lediglich "einzelne Städte, in denen noch mehr gehandelt werden muss".

Man werde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts genau prüfen und mit Kommunen und Ländern besprechen, wer gesetzlich handeln müsse. In etlichen Städten seien die Grenzwertüberschreitungen nur gering, so dass man vielleicht schnelle Lösungen finden werde, die Grenzwerte könnten dort "vielleicht schon bald" eingehalten werden.

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Merkel betonte, die Luft sei nicht überall so schlecht, dass dort Fahrverbote notwendig wären.

(Foto: imago/Reiner Zensen)

Diesel-Fahrverbote nicht von heute auf morgen

In einigen Städten gebe es aber gravierende Probleme, die man sich genau anschauen müsse. "Auf jeden Fall müssen die Luftreinhaltepläne auch mit Hilfe des Bundes mit Nachdruck umgesetzt werden", sagte die CDU-Chefin.

Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist bemüht, die Sorgen von Millionen Autobesitzern vor drohenden Fahrverboten zu dämpfen. Der Richterspruch bedeute nicht, dass von heute auf morgen Diesel-Fahrverbote in Kraft treten, sagte die SPD-Politikerin. "Das Gericht hat keine Fahrverbote verhängt", stellte sie klar. Es gebe "viele Instrumente", um die Schadstoffbelastung in der Luft zu senken.

Riexinger: "Ohrfeige für die Bundesregierung"

Das Urteil unterstreiche, "dass die Menschen ein Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit haben", erklärte Linken-Chef Bernd Riexinger. "Es hat zudem der betrügerischen Autoindustrie und der untätigen Bundesregierung endlich einen spürbaren Tritt vor das Schienbein gegeben."

Die Linke will erreichen, dass die Autohersteller die Kosten für eine Nachrüstung älterer Dieselautos tragen. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Konzerne dazu rechtsverbindlich verpflichtet", sagte die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Sahra Wagenknecht. "Wenn die Bundesregierung nun nicht endlich handelt, werden Millionen von Autofahrern die Zeche für den Betrug der Spitzen der Autokonzerne bezahlen."

Das Urteil von ist nach Ansicht von Grünen-Politiker Cem Özdemir Folge einer falschen Verkehrspolitik. "Dass es überhaupt so weit kommen konnte, geht auf die Kappe der zuständigen CSU-Minister im Verkehrsministerium", sagte Özdemir.

Schmidt: Hürden für Fahrverbot sind hoch

Der amtierende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt von der CSU wies darauf hin, dass das Urteil für die Verhängung von Fahrverboten durch die Städte "sehr hohen Wert" auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit lege. Die Hürden für Fahrverbote lägen damit also sehr hoch.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte zuvor den Weg für Dieselfahrverbote geebnet und die Revisionen Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs weitgehend zurückgewiesen. Im Kern ging es um die Frage, ob die Bundesländer eigenständig Fahrverbote anordnen können oder ob dies der Bund regeln muss.

Das Urteil sieht im Falle der Verhängung eine stufenweise Einführung von Fahrverboten vor. So sollen in Stuttgart zunächst Fahrverbote für ältere Diesel bis Euro-4-Norm geprüft werden, für Euro-5-Autos soll es Fahrverbote frühestens ab September 2019 geben.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann begrüßte, dass durch das Urteil nun endlich Klarheit herrsche. Er forderte den Bund auf, eine "Blaue Plakette" einzuführen. Es dürfe in Deutschland kein Flickenteppich entstehen, sagte der Grünen-Politiker.

Theurer: "Kalte Enteignung durch die Hintertür"

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht nach dem Urteil vor allem die Städte selbst in der Pflicht. Städte wie Düsseldorf oder Stuttgart müssten selbst für Abhilfe sorgen, eine blaue Plakette sei nicht notwendig, sagte Dobrindt.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sprach von einer "kalten Enteignung durch die Hintertür". Die Konsequenzen des Urteils könnten "für Berufspendler, Handwerker, Selbstständige und damit den Mittelstand in Deutschland zu einem Alptraum" werden.

DUH: Autobauer sollen Diesel nachrüsten

Ähnlich sehen das auch Umweltverbände. Der Chef der Umweltschutzorganisation BUND, Hubert Weiger, bezeichnete das Urteil als "umweltpolitische Ohrfeige für die Bundesregierung". Nun räche sich, dass Industrie und Regierung die Zeit seit Bekanntwerden des Diesel-Skandals "nicht zum Gesundheitsschutz der Menschen, sondern vor allem zur Sicherung der Gewinninteressen der Autohersteller verwandt" hätten.

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, forderte den Bund auf, nun für eine einheitliche Regelung mit einer "Blauen Plakette" zu sorgen und die betrügerische Autoindustrie dazu bringen, die neun Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel auf Einhaltung der Abgaswerte auf der Straße nachzurüsten." Resch sprach nach dem Urteil von einem "ganz großen Tag für saubere Luft in Deutschland". Die DUH hatte den Fall mit einer Klage in mehreren Städten ins Rollen gebracht.

Eine "Blaue Plakette" lehnt die Bundesregierung aber weiter ab. "Es ist richtig, dass es nicht zu pauschalen Verboten kommt - und dass deswegen auch eine blaue Plakette nicht erforderlich ist", sagt Unionsfraktionschef Volker Kauder. Er forderte von Kommunen wie Stuttgart konsequentere Anstrengungen, um die Richtwerte einzuhalten.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn glaubt nicht, dass nach dem Urteil Dieselfahrzeuge in seiner Stadt schon bald von den Straßen verbannt werden. Er rechne vielmehr damit, dass das Land Baden-Württemberg in etwa einem halben Jahr einen neuen Luftreinhalteplan beschlossen haben werde: "Dann kommt es zu einer Entscheidung, wie genau die Ausgestaltung in der Stadt Stuttgart sein wird." Auch der Deutsche Städtetag rechnet nicht mit kurzfristig eingeführten Fahrverboten. Zunächst seien die Länder am Zug, die Luftreinhaltepläne anzupassen.

Quelle: ntv.de, hul/AFP/rts/dpa

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