Politik

"Prinzipienlos und unmoralisch"Das ist der Russe hinter "Trumps Friedensplan"

24.11.2025, 18:35 Uhr 6d612840-d481-4c7d-9138-8a2e83199fdbUladzimir Zhyhachou
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In der Ukraine geboren, in den USA studiert, an der Côte d’Azur zu Hause - und doch im Dienste des Kremls unterwegs: Kirill Dmitrijew. (Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Als die USA vergangene Woche ihren mit Russland ausgehandelten Plan für den Frieden in der Ukraine vorstellen, ist die Handschrift des Kreml kaum zu übersehen. Zu sehr ähneln die 28 Punkte einer Forderungsliste Moskaus. Durchgesetzt hat sie ein russischer Investmentbanker - mit ukrainischem Hintergrund.

Mitte vergangener Woche kommt in die festgefahrenen Bemühungen um eine Waffenruhe in der Ukraine wieder Bewegung. Die USA und Russland setzen sich zusammen und präsentieren kurz darauf einen 28-Punkte-Friedensplan. Die Autoren: zwei Vertraute der Staatschefs beider Länder, Steve Witkoff und Kirill Dmitrijew. Die Ukrainer und Europäer sind nicht vertreten - genauso wenig wie deren Interessen. Nichtsdestotrotz werden die 28 Punkte zur Grundlage weiterer Gespräche, darunter das Treffen der USA und der Ukraine in Genf am Wochenende.

In Medien werden die 28 Punkte gerne als "Trumps Friedensplan" bezeichnet, obwohl unklar ist, inwieweit der US-Präsident in die Ausarbeitung involviert war und ob er überhaupt mit den Details vertraut ist. Vieles spricht dafür, dass er seinem Vertrauten, dem Ukraine-Sondergesandten Witkoff, freie Hand ließ, nach dem Motto: "Der kennt sich aus, der soll liefern, wir brauchen einen Deal".

In den darauffolgenden Tagen tauchten allerdings Hinweise auf, dass der "US-Plan" möglicherweise gar kein amerikanischer ist, sondern eher eine Liste russischer Forderungen darstellt. Zwei US-Senatoren behaupteten das unter Berufung auf Außenminister Marco Rubio. Er dementierte zwar später - denn das zuzugeben wäre einem öffentlichen Eingeständnis gleichgekommen, dass sich die USA von Russland ausmanövrieren lassen. Und das wäre politisch äußerst unangenehm gewesen. US-Außenminister Marco Rubio erklärte, der Plan basiere auf US-Vorschlägen, "Anregungen der russischen Seite" und auf früheren Beiträgen der Ukraine.

Dass der Plan zumindest in Teilen aus einer russischen Feder stammen könnte, hatte zuvor der Journalist und Russland-Experte Luke Harding nahegelegt. "Einige Formulierungen im 'Friedensvorschlag' der USA für die Ukraine scheinen ursprünglich auf Russisch verfasst worden zu sein. An mehreren Stellen würde die Sprache auf Russisch funktionieren, wirkt jedoch auf Englisch ausgesprochen seltsam", schrieb er im "Guardian".

Doch von wem stammen diese Formulierungen? Wer ist der Mann hinter dem 28-Punkte-Plan?

Kirill Dmitrijew, der russische Unterhändler, kommt - genauso wie Witkoff, der eigentlich Anwalt und Immobilienunternehmer ist - nicht aus der Politik. Der 50-jährige Russe ist ein äußerst erfolgreicher Investmentbanker mit einer Karriere wie aus einem Hollywood-Film. Noch als Jugendlicher ging er erstmals in die USA, studierte Volkswirtschaft an den Elite-Unis Stanford und Harvard, arbeitete danach bei Goldman Sachs und später bei McKinsey. Danach war er in Russland und der Ukraine tätig, unter anderem in Kiew für den Investmentfonds von Oligarch Wiktor Pintschuk, dem Schwiegersohn des früheren Präsidenten Leonid Kutschma. 2011 übernahm Dmitrijew die Leitung des Russischen Fonds für Direktinvestitionen (RDIF) - eines der wichtigsten Vehikel des Kremls für internationale Projekte.

"Auf der Suche nach Möglichkeiten, sich einen Namen zu machen"

Während der Corona-Pandemie wurde er einem breiteren Publikum bekannt. Der RDIF war Investor des russischen Impfstoffs Sputnik V, den Dmitrijew mit enormem Ehrgeiz international vermarktete. "Er ist extrem ehrgeizig und immer auf der Suche nach Möglichkeiten, sich einen Namen zu machen", zitierte das Exil-Medium "Meduza" Menschen, die damals mit ihm zu tun hatten. Intern galt er als fordernd, autoritär - und sehr gut vernetzt: Seine Frau soll mit Wladimir Putins jüngerer Tochter befreundet sein. Laut einer Recherche der Antikorruptionsstiftung FBK, die von dem verstorbenen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny gegründet wurde, besitzen Dmitrijew und seine Familie Immobilien im Gesamtwert von rund 81 Millionen Euro - nicht nur in Russland, sondern auch in Frankreich, Monaco und Dubai.

Als Donald Trump Anfang des Jahres wieder ins Weiße Haus einzog, machte der Kremlchef Dmitrijew zu seinem Beauftragten für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Damit rückte er in die russische Delegation für die ersten direkten Gespräche mit den USA seit Beginn der Invasion auf, die im Februar in Saudi-Arabien stattfanden. Neben Außenminister Sergej Lawrow und dem außenpolitischen Berater von Putin, Juri Uschakow, vertrat er die Interessen des Kreml. Beobachter schreiben ihm die Idee zu, Trumps Deal-Mentalität für Moskau nutzbar zu machen - "Wirtschaft zuerst" als diplomatischer Ansatz. Laut "Bloomberg" war er es, der Putin überzeugt haben soll, die Ukraine-Verhandlungen mit Trump auf der Grundlage von Geschäftsinteressen zu führen.

Bei den Gesprächen vergangene Woche verhandelte Dmitrijew bereits allein mit Witkoff. Dass Putin ausgerechnet auf ihn setzt, ist ein Hinweis darauf, dass der Kreml diesen wirtschaftsgetriebenen Ansatz für vielversprechend hält. Für Dmitrijew spreche zudem, dass er die Mentalität der US-Geschäftswelt kennt und die Amerikaner von möglichen Vorteilen einer Zusammenarbeit überzeugen kann, sagt Osteuropa-Experte Alexander Friedman im Gespräch mit ntv.de. "Und das kann er deutlich besser als typische Diplomaten der sowjetischen Schule wie Lawrow, Uschakow oder Geheimdienstler, die diese Auslandserfahrungen nicht haben."

Wie gut Dmitrijew die Trump-Welt versteht, zeigt etwa sein Vorschlag, einen Tunnel zwischen Alaska und Russland zu bauen - ein übertriebenes, gigantisches Protz-Projekt, offensichtlich darauf angelegt, Trump zu imponieren.

"In der Lage, jedem System zu dienen"

Für Dmitrijew könnte auch seine Herkunft sprechen: Er ist in Kiew geboren. Er selbst betont, dass er "nicht in der Ukraine, sondern in der Sowjetunion" zur Welt gekommen sei. Obwohl er sich nicht als Ukrainer identifiziert, dürfte sein Geburtsort für Putin eine gewisse Rolle spielen, mutmaßt Friedman. Dmitrijew sei für Putin ein Musterbeispiel für einen Menschen aus der Ukraine, wie Putin sie gern sehen wolle: Russland-orientiert, überzeugt davon, dass die Ukraine Teil Russlands ist - mit klar prorussischer Haltung. "Das ist die perfide KGB-Logik", sagt Friedman: Putin lasse einen Mann mit ukrainischen Wurzeln für die aus seiner Sicht "wahren" Interessen der Ukraine kämpfen, während die aktuelle ukrainische Regierung das Land angeblich an den Westen verkaufe.

Dmitrijew ist kein Diplomat und kein Politiker. Dennoch lässt man ihn über den Friedensplan verhandeln – was aber nicht heißt, dass er bei der Entwicklung des Plans eine entscheidende Rolle gespielt haben muss. Der Inhalt sei für ihn zweitrangig, sagt Friedman. Er beschreibt Dmitrijew als einen Technokraten: jemanden, der genau weiß, welche Vorgaben die russische Führung setzt, und der sich strikt daran hält. Dmitrijew habe keine eigene politische Agenda. Er bekommt eine Aufgabe - und betrachtet es als seine Mission, diese Aufgabe zu erfüllen. Genauso sei es bei Wittkoff: "Keinerlei politische oder diplomatische Erfahrung, aber ein enger Vertrauter Trumps. Deswegen passen die beiden so gut zusammen", erklärt Friedman.

Er fügt hinzu: "Leute wie Dmitrijew oder Witkoff sind in der Lage, jedem System zu dienen. Er ist ein starker Profi, absolut prinzipienlos, absolut unmoralisch. Seine Aufgabe ist es, das Ergebnis zu erzielen."

Sollte der 28-Punkte-Plan am Ende scheitern, weil Europäer und die Ukraine ihn so stark verändern, dass er für Russland inakzeptabel wird, "dann ist das wohl das Ende von Dmitrijews Stern", ist sich Friedman sicher. "Er versteht, dass er im Falle einer Fortsetzung des Krieges keine Zukunft hat. Wenn der Krieg weitergeht und die Annäherung zwischen Russland und den USA ausbleibt, wird jeder Bedarf an ihm verschwinden. Deshalb kämpft er jetzt so für sich selbst."

Sollte der Plan jedoch am Ende doch zur Grundlage eines echten Friedensprozesses werden, wäre das ein bisheriger Höhepunkt von Kirill Dmitrijews bemerkenswerter Karriere. Er ist ehrgeizig und motiviert - und es wird bereits spekuliert, dass er eines Tages in höchste Regierungsämter aufsteigen möchte. Seine Biografie zeigt: Der Mann traut sich viel zu.

Quelle: ntv.de

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