Faeser über Lehnitzsee-Treffen "Das weckt Erinnerungen an die Wannseekonferenz"
20.01.2024, 01:42 Uhr Artikel anhören
In diesem Gästehaus am Potsdamer Lehnitzsee trafen sich Rechtsradikale, um über die Deportation von Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund zu sprechen.
(Foto: dpa)
Das Treffen von Rechtsradikalen in Potsdam erinnert Bundesinnenministerin Faeser an die Wannseekonferenz der Nazis. Einen AfD-Verbotsantrag sieht sie skeptisch, ebenso den Versuch, dem AfD-Politiker Höcke die Grundrechte zu entziehen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser fühlt sich durch das kürzlich bekannt gewordene Treffen von Rechtsradikalen in Potsdam an die Wannseekonferenz der Nationalsozialisten von 1942 erinnert. "Das weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannseekonferenz", sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe.
Sie wolle beides nicht miteinander gleichsetzen, so Faeser. "Aber was hinter harmlos klingenden Begriffen wie 'Remigration' versteckt wird, ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren."
Zugleich sagte Faeser mit Blick auf Vergleiche mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten, Deutschland sei heute ein anderes Land als in den 1930er-Jahren. "Trotzdem müssen wir aufpassen und die Gefährdung unserer Demokratie erkennen."
Bei Lehnitzsee-Treffen wurde Vertreibung besprochen
Nach Berichten des Medienhauses Correctiv fand am 25. November in Potsdam ein Treffen von Rechtsradikalen statt, an dem auch mehrere AfD-Politiker teilgenommen hatten. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten diesen Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Dem Bericht zufolge schloss Sellner deutsche Staatsbürger in seine Vertreibungspläne ausdrücklich ein.
Bei der Wannseekonferenz schmiedeten die Nazis Pläne zur Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas. Das Gebäude, in dem die Vertreter des NS-Regimes tagten, liegt nicht weit entfernt von dem Hotel am Potsdamer Lehnitzsee, in dem sich die Rechtsradikalen im November trafen.
Faeser gegen Verbotsantrag und Grundrechte-Entzug
Ein AfD-Verbotsverfahren sieht Faeser skeptisch. "Unsere Verfassung sieht dieses schärfste Instrument der wehrhaften Demokratie zurecht als Ultima Ratio vor." Bei entsprechender Sachlage könne dies niemand ausschließen. In der politischen Auseinandersetzung sei dies jedoch kein Mittel. "Wenn sich Menschen einer solchen Partei zuwenden, müssen wir dafür werben, dass diese Menschen zu den demokratischen Parteien zurückkommen."
Faeser sieht auch wenig Chancen, dem rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen, um zu verhindern, dass er in ein politisches Amt gewählt wird. "Das Bundesverfassungsgericht hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch in keinem Fall entschieden, dass eine Person ihre Grundrechte verwirkt hat", sagte Faeser. Es gebe hier hohe Hürden. "Deshalb muss es auch bei Herrn Höcke und seinem als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Thüringer AfD-Landesverband zuerst um die politische Auseinandersetzung gehen."
"Die AfD verachtet unser modernes Deutschland"
Eine gegen Höcke gerichtete Online-Petition hat die Marke von einer Million Unterschriften überschritten. Die Petition fordert, dass die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 des Grundgesetzes stellt.
Gemäß dieses Artikels können demjenigen einzelne Grundrechte genommen werden, der diese "zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht". Es könnten also zum Beispiel das Wahlrecht oder die Befugnis, öffentliche Ämter auszuüben, entzogen werden.
Eindringlich warnte Faeser vor einer Regierungsübernahme der AfD. "Die AfD verachtet unser modernes Deutschland", sagte sie. "Sie will die Rolle der Frau zurückdrehen, freie Medien und die unabhängige Justiz angreifen - und offenkundig viele Menschen, die eine Einwanderungsgeschichte haben, nicht in unserem Land haben."
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP