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Union weist Ampel Schuld zu Schulterschluss des Bundestags gegen AfD scheitert

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Die AfD-Vorsitzenden Chrupalla und Weidel sowie Fraktionsgeschäftsführer Baumann (unten rechts) lauschen der Debatte über ihre Partei.

Die AfD-Vorsitzenden Chrupalla und Weidel sowie Fraktionsgeschäftsführer Baumann (unten rechts) lauschen der Debatte über ihre Partei.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nach Bekanntwerden eines Treffens von Rechtsextremen mit AfDlern kommt der Bundestag zur Aktuellen Stunde zusammen. Eindringlich warnen Vertreter von Regierungsparteien und Union vor der AfD. Doch ein Zusammenrücken bleibt aus: Redner von CDU und CSU machen die Ampel für das AfD-Hoch verantwortlich.

Wie umgehen mit der offensichtlichen Nähe der AfD zu Rechtsextremisten und völkisch-nationalistischen Organisationen? Nach Bekanntwerden einer Veranstaltung, bei der in Gegenwart von AfD-Vertretern über die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund sinniert wurde, sind in den vergangenen Tagen deutschlandweit Zehntausende auf die Straße gegangen. Auch die demokratischen Parteien im Bundestag wollten ein Zeichen setzen und kamen auf Antrag der Regierungsfraktionen aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP zu einer aktuellen Stunde zusammen. "Klare Kante gegen Demokratiefeinde und Vertreibungspläne", hieß es in der Überschrift zu der Aussprache. Doch das erhoffte Signal von einem Zusammenrücken der demokratischen Parteien zur Verteidigung von Rechtsstaat und Demokratie geriet zum Fiasko. Zu sehr sieht die Union die Ampel in der Verantwortung für das Umfragehoch der AfD.

"Die AfD will Millionen Menschen aus der Mitte unseres Landes aus Deutschland vertreiben", warnte SPD-Chef Lars Klingbeil. "Weil diese Menschen der AfD nicht weiß genug sind, weil sie nicht ihrem völkischen Weltbild entsprechen, weil sie den falschen Nachnamen haben." Das aber würden die demokratischen Parteien nicht zulassen, versprach Klingbeil: "Wir passen auf euch auf, ihr seid ein Teil dieses Landes und wir stehen an eurer Seite." Die Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann, sprach von "barbarischen Plänen einer massenhaften Deportation von deutschen Staatsbürgerinnen" und sagte über die AfD: "Sie verachten unser demokratisches, vielfältiges Gesicht. Es sind Faschisten."

"Erinnert an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte"

Mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesfamilienministerin Lisa Paus sprachen auch zwei Kabinettsmitglieder, was die Bedeutung der Debatte unterstrich, die die Ampel dem Thema beimisst. Die AfD verfolge den "Traum von einer gleichgeschalteten Gesellschaft, die alles ausschließt, was nicht in ihre rassistische und menschenfeindliche Ideologie passt", sagte SPD-Politikerin Faeser und versprach einen robusten Kampf des Rechtsstaats gegen rechtsextreme Netzwerke. Die Regierung werde Finanzströme trockenlegen, Extremisten entwaffnen und aus dem öffentlichen Dienst entfernen.

"Das ist unser aller Land, wir weichen nicht", sagte Grünen-Ministerin Paus. Sie verwies auf eine Stellungnahme der AfD-Fraktionsvorsitzenden in den ostdeutschen Parlamenten mit der Forderung, Deutschland müsse wieder deutscher werden. "Dieses völkische Verständnis erinnert an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte", sagte Paus. Die SPD-Innenpolitikerin Gülistan Yüksel mahnte: "Wir müssen diese Gefahr ernst nehmen." Auch sie sei von den Deportationsfantasien der Rechtsextremen betroffen, Millionen Menschen in Deutschland mit Migrationsgeschichte seien in großer Sorge.

Als Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, als zweiter Redner auftrat, zeigte er sich ähnlich alarmiert. Mit Blick auf AfD-Umfragewerte deutlich über 30 Prozent bestehe die Gefahr, "dass bei den Wahlen im Osten in diesem Jahr wir an die Grenzen unseres Parlamentarismus kommen". Am 1. September wählen Sachsen und Thüringen ein neues Parlament, drei Wochen später Brandenburg. Es zeichnen sich extrem schwierige Regierungsbildungen ab, Sperrminoritäten der AfD für Verfassungsänderungen; ihr könnten als jeweils stärkster Partei Parlamentsvorsitze und die Aufsicht über die Parlamentsverwaltung zufallen sowie größerer Einfluss auf Richterwahlen.

Union macht Ampel für AfD-Erfolg verantwortlich

Allerdings sagte Frei auch, "wenn eine Partei wie die AfD solche Werte in Wahlen und Umfragen bekommt, hat das durchaus seine Gründe". Er nannte daraufhin allerdings nur einen einzigen Grund: "Das hängt natürlich ganz entscheidend damit zusammen, dass 80 Prozent der Menschen bei uns im Land glauben, dass die Regierung nicht eine Politik macht, die gut für unser Land ist", sagte Frei. Umgehend setzte Empörung in den Reihen der Regierungsfraktionen ein, empörte Zwischenrufe wie "Das kann ja wohl nicht wahr sein", waren zu vernehmen. Doch Frei machte weiter: Er warf der Ampel vor, dass "Sie an den Menschen vorbei regieren und das führt dazu, dass der Ansehensverlust der Politik zu einem Ansehensverlust der Institutionen führt."

In das gleiche Horn stießen CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor und CSU-Mann Alexander Hoffmann, ebenfalls im Innenausschuss. Die Ampel deute jede Kritik an ihr "in demokratiefeindlich, rechtsradikal, rassistisch" um, sagte Amthor. "Damit betreiben Sie das Geschäft der Feinde der Demokratie." Erneut Empörung in den Regierungsfraktionen, doch Amthor machte weiter: "Bessere Politik machen: Das ist unser Weg und so werden wir diese Truppe auch wieder kleinkriegen."

Hoffmann sagte, der Kampf gegen die AfD müsse die Demokraten einen, sah aber ebenfalls die Hauptschuld an der Lage bei der Bundesregierung: "Sie machen an mancher Stelle eine Politik, die die Menschen in die Arme der AfD treibt", sagte Hoffmann und erinnerte an das Heizungsgesetz. Die Ampel müsse der AfD die "identitätsstiftenden Themen" wegnehmen, etwa durch eine andere Migrationspolitik, anstatt über ein AfD-Verbot zu diskutieren.

FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle hatte da schon auf das Gesetz für erleichterte Abschiebungen verwiesen, das ebenfalls am Donnerstag verabschiedet wurde, und eingeräumt: "Es ist unsere Verantwortung, dass viele Menschen bislang den Eindruck haben, dass wir nicht genügend Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik haben." Aber: "Keine Asylrechtsverschärfung und kein Abschiebegesetz wird den Rassisten und völkischen Nationalisten, die sich in Potsdam versammelt haben, jemals genug sein." Kuhle widersprach Frei, dass es der AfD doch gar nicht um die Performance der Ampel-Regierung gehe. Kuhle erinnerte die Union an den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, der die EU zerstören wolle. "Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben", rief er den von Herzen pro-europäischen Fraktionen von CDU und CSU zu.

AfD sieht sich als Opfer, doch Amthor hat eine Frage

Die AfD verfolgte die Anwürfe gegen ihre Partei demonstrativ entspannt. Alice Weidel, Chefin von Partei und Fraktion, gähnte gespielt während Klingbeils Rede. Der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann zeigte sich siegesgewiss: In Sachsen sei die "AfD schon bei 35 Prozent, wir sind aktuell fünfmal so stark wie diese Kanzlerpartei". Die Berichterstattung über das Treffen in Potsdam sei eine "hinterhältige Kampagne von Politikern und Journalisten der linken Klasse", sagte Baumann.

"Je höher die Umfragewerte der AfD, desto bösartiger diffamieren Sie unsere Partei", sagte Baumann. Die AfD wolle lediglich abschieben, wer kein Aufenthaltsrecht mehr in Deutschland habe - aus Sicht der AfD auch 600.000 Syrer, weil in ihrem Herkunftsland kein Krieg mehr tobe. In Potsdam habe sich ein "kleiner, privater Debattierclub" getroffen und die Äußerungen eines Gastredners könnten nicht der AfD oder anderen Zuhörern zugeordnet werden. Der Deportationsplan war laut Rechercheportal "Correctiv" von einem Aktivisten der rechtsextremen Identitären Bewegung vorgetragen worden. AfD-Vertreter sollen sich demnach zustimmend geäußert haben.

Amthor kritisierte, dass die AfD die Berichte "ins Lächerliche" ziehe und sich in eine Opferrolle begebe. Sie könnte schließlich auch selbst verurteilen, was in Potsdam offensichtlich an Deportationsfantasien besprochen wurde. "Wieso bekommen Sie es nicht über die Lippen, Extremismus als das zu benennen, was es ist", fragte er in Richtung AfD-Fraktion. "Dass sie das nicht über die Lippen kriegen, entlarvt sie als das Ende dessen, was irgendwie bürgerlich sein kann", beantwortete er die Frage gleich selbst. Wenn schon nicht bei der Suche nach Ursachen und Antworten auf den AfD-Erfolg, so waren sich Ampel und Union zumindest in der Bewertung der Partei einigermaßen einig. Die Regierungsparteien hatten sich von dieser Aktuellen Stunde dennoch erkennbar mehr erhofft.

Quelle: ntv.de

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