Wiederholungswahl in Berlin Der Ampel droht schon der nächste Denkzettel


Die Ampel-Koalition bekommt wieder Nachrichten aus Karlsruhe, vom Bundesverfassungsgericht. Und wieder ist es keine frohe Botschaft: Die Bundestagswahl muss in Teilen von Berlin wiederholt werden. Das könnte peinlich für die Ampel werden.
"Auch das noch", könnte den verbliebenen Freunden der Ampel-Koalition an diesem Vormittag durch den Kopf geschossen sein. Wieder fällt das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das der Bundesregierung nicht gefallen kann - auch wenn es nicht so dramatisch ist, wie der Richterspruch zum Haushalt vor gut vier Wochen. Die Bundestagswahl muss in Teilen von Berlin wiederholt werden. Am 11. Februar soll es so weit sein. 455 von 2257 Wahlbezirken mitsamt Briefwahlbezirken sind betroffen, das sind knapp 20 Prozent. Ihre Mehrheit wird die Ampel-Koalition zwar in keinem Fall verlieren, es droht aber ein peinlicher Denkzettel.
Damals, am 26. September 2021, blamierte sich die Hauptstadt vor dem Rest des Landes, weil sie daran scheiterte, den Urnengang ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen. Wahlzettel fehlten, waren falsch bedruckt und die Wahllokale schlossen teils erst weit nach 18 Uhr. So waren schon Prognosen über das Ergebnis in Umlauf, als noch gar nicht alle ihre Stimme abgegeben hatten - ein absolutes No-Go im demokratischen Prozess, weil die Wahlentscheidung davon beeinflusst werden könnte. Die zeitgleich stattfindende Wahl zum Abgeordnetenhaus des Landes Berlin wurde deswegen bereits im vergangenen Februar vollständig wiederholt - und endete mit einem klaren Wahlsieg der CDU.
CDU will Ampel "Stoppschild" zeigen
Wegen der zahlreichen Fehler hatte der Bundestag bereits beschlossen, auch die Bundestagswahl teilweise zu wiederholen. Der Union ging das aber nicht weit genug. Sie wandte sich an das Bundesverfassungsgericht, das der Oppositionspartei nun teilweise recht gab. In 31 Wahlkreisen mehr als bislang geplant muss nun noch einmal abgestimmt werden. SPD-Chefin Saskia Esken versuchte, das Positive zu sehen. Das Urteil stärke das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Bedeutung ihrer Stimme. Es müsse gewährleistet sein, dass so eine Wahl ohne Fehler ablaufe und richtig ausgezählt werde, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Die CDU reibt sich derweil verbal die Hände. "Wir verstehen die Wiederholungswahl als Chance, der Ampelregierung ein Stoppschild zu zeigen", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am frühen Nachmittag im Konrad-Adenauer-Haus. Im Gegensatz zu Umfragen werde es nun belastbare Zahlen geben.
Bei der Linken heißt es Durchatmen: Die Wiederholungswahl kann ihre beiden in Berlin gewonnenen Direktmandate für den Bundestag nicht in Gefahr bringen. Damit wird die Partei im Bundestag vertreten bleiben.
Die Umfragen verheißen nichts Gutes für die Ampel. Im aktuellen Trendbarometer von RTL und ntv zeigen sich desaströse Werte: SPD 14 Prozent, Grüne 13, FDP 5 Prozent. Zusammen sind das gerade einmal ein Prozentpunkt mehr als CDU und CSU bekämen, die bei 31 Prozent stehen. Die AfD kommt in dieser Umfrage auf 23 Prozent. Die Haushaltskrise der vergangenen Wochen kostete die Bundesregierung weiteres Vertrauen.
Die Regierungsmehrheit ist aber sicher - die Ampel-Fraktionen haben zusammen fast 100 Sitze mehr als die Opposition und nur 17 davon steuern Berliner Abgeordnete bei. Wie viel davon überhaupt verloren gehen könnten, ist noch unklar. Doch es droht ein Debakel. Etwa eine halbe Million Wahlberechtigte sind zur Stimmabgabe aufgerufen. Das ist mehr als es in Bremen Wahlberechtigte gibt, und damit genug, um ein politisches Ausrufezeichen zu setzen.
11. Februar nur die erste schwierige Wahl
Man darf nicht den Fehler machen, die Werte aus der bundesweiten Umfrage eins zu eins auf die Hauptstadt zu übertragen. Dort herrschen traditionell andere Mehrheitsverhältnisse, linke Parteien sind meist stärker. Bei der Bundestagswahl 2021 erreichte die CDU beispielsweise nur 15,9 Prozent der Zweitstimmen (deutschlandweites Ergebnis: 24,1). Die Linke kam auf 11,4 (4,9), während die Grünen bei 22,4 (14,8) landeten.
Das gilt umso mehr, wenn man noch etwas genauer hinschaut. Viele nun beanstandete Wahlbezirke liegen im Pankower Wahlkreis 76. Das aber ist eine Hochburg für Grüne (Ergebnis 2021: 25,5 Prozent) und zumindest ein gutes Pflaster für die SPD (21,5 Prozent). Die Union erreichte dort nur 12,7 Prozent. Im ebenfalls stark betroffenen Wahlkreis 80 (Charlottenburg-Wilmersdorf) ist die CDU zwar deutlich stärker, SPD und Grüne hatten aber ebenfalls viele Wähler.
Neuer und damit wohl aussagekräftiger sind aber die Zahlen der Wahl zum Abgeordnetenhaus in diesem Februar. Die CDU wurde mit Abstand stärkste Kraft, kam auf 28,2 Prozent. SPD und Grüne landeten jeweils bei 18,4 Prozent, die Linke bei 12,2. Die FDP flog aus dem Parlament, während die AfD nur 9,1 Prozent der Stimmen bekam und damit ebenfalls weit unter dem Bundestrend lag.
Der 11. Februar wird der erste große Wahltermin im kommenden Jahr. Ein guter Start könnte Rückenwind für die Europawahl im Juni und im Herbst für die Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen geben. Alles andere als eine Blamage in Berlin wäre für die Ampel-Parteien schon ein Erfolg. Mehr ist derzeit nicht drin.
Quelle: ntv.de