Politik

Matthias Platzeck selbstkritisch Der "Putin-Versteher vom Dienst" legt die russische Brille ab

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"Wir brauchen eine neue Ostpolitik" forderte Matthias Platzeck 2020 in einem Buch.

"Wir brauchen eine neue Ostpolitik" forderte Matthias Platzeck 2020 in einem Buch.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Jahrelang wird Matthias Platzeck für seinen russlandfreundlichen Kurs kritisiert. Erst mit der groß angelegten Invasion in der Ukraine gibt der SPD-Politiker den Vorsitz des Deutsch-Russischen-Forums auf. In einem Interview zeigt er sich jetzt selbstkritisch - und unterstützt Waffenlieferungen für die Ukraine.

Viele Jahre lang galt SPD-Politiker Matthias Platzeck als Unterstützer von Russland und dessen Staatschef Wladimir Putin. 2014 sagte der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg nach der Besetzung der Krim durch russische Kräfte: "Die Annexion der Krim muss nachträglich völkerrechtlich geregelt werden, sodass sie für alle hinnehmbar ist." Im selben Jahr übernahm Platzeck den Vorsitz des Deutsch-Russischen-Forums. 2018 sorgte er für Aufsehen, als er sich für eine Rückkehr Russlands in die G7 aussprach, 2020 erschien sein Buch mit dem Titel: "Wir brauchen eine neue Ostpolitik". Mittlerweile jedoch gibt sich der 69-Jährige deutlich kritischer - auch in Bezug auf seine eigenen Ansichten.

Einen Tag nach dem Großangriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 trat Platzeck als Vorsitzender des Deutsch-Russischen-Forums, das laut eigenen Angaben "den Dialog der Gesellschaften Deutschlands und Russlands" fördert, zurück. Er habe die Entwicklung in Russland für "nicht möglich" gehalten. Platzeck gab sich nach rund acht Jahren der russischen Aggression gegenüber der Ukraine geläutert, sprach von einer "Fehleinschätzung".

Andere waren da deutlich schneller. Bereits im März 2015 trat die Journalistin Elfie Siegl aus dem Deutsch-Russischen-Forum aus und kritisierte den damaligen Vorsitzenden Platzeck: "Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass Verständnis für Russland immer mehr Einverständnis mit der Politik Putins bedeutet. Ich habe das nicht", sagte Siegl ntv.de. Für sie bestand damals schon kein Zweifel: "Putins Politik ist aggressiv. Er führt das Land in die Isolation." Sie sollte recht behalten.

"Zu sehr die russische Brille aufgehabt"

Das Deutsch-Russische-Forum gab mit dem Rücktritt Platzecks eine Mitteilung heraus, in der man den "vom russischen Präsidenten befohlenen Überfall" auf die Ukraine "auf das Schärfste" verurteilte. Dieser habe auch für die Arbeit des Forums eine Zäsur dargestellt, hieß es.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk hat sich Platzeck nun nochmals selbstkritisch zu seiner Russland-Vergangenheit geäußert. "Bei genauem Hinschauen hätte man wahrscheinlich schärfer und klarer sehen können, welche Entwicklungsrichtung dort genommen wird", so der SPD-Politiker. Die Frage, warum er sich lange zu "Russland geirrt hat", hält Platzeck für "durchaus berechtigt". Er habe "mit Sicherheit" zu sehr die "russische Brille" aufgehabt - auch durch den Vorsitz beim Deutsch-Russischen Forum. Platzeck gab an, oft in Russland gewesen zu sein und viel Kontakt zu den Menschen dort gehabt zu haben. Dadurch habe er "vielleicht ein Stück weit an Einschätzungsvermögen verloren".

Platzeck für Waffenlieferungen an Ukraine

Seine Russland-Motivation sei daraus resultiert, dass er der Sowjetunion nach den "Gräueln des Zweiten Weltkriegs immer hoch angerechnet" habe, dass sie "Vergebung und Versöhnung angeboten hat". Er wollte außerdem einen "kleinen Beitrag" dazu leisten, "dass die Russische Föderation in Europa bleibt".

Platzeck sagte im Deutschlandfunk zudem, dass er hoffe, dass die Unterstützung für die Ukraine im Angesicht des Israel-Krieges nicht untergehe. Er sprach sich für Waffenlieferungen an Kiew aus. "Ich glaube, wenn ein Land von einem anderen überfallen wird, dann kann man dieses Land nicht untergehen lassen." Trotzdem denke er, dass man "Leute nicht denunzieren sollte, die sich, so unrealistisch es erscheint, vehement dafür einsetzen, alles zu versuchen, was an diplomatischen Möglichkeiten da ist, um zu Waffenstillstand oder Frieden zu kommen".

Die Ukraine fordert, dass die russischen Invasoren alle Gebiete verlassen, die sie seit 2014 besetzt haben. Russland führt seinen Angriffskrieg dennoch weiter und versucht, weitere Teile des Landes zu besetzen.

Quelle: ntv.de, rog

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