Politik

Kontinent Afrika am Scheideweg Deutschland schaut hinterher

Merkel bei der Begrüßung in Kenia. Sie wird noch nach Angola und Nigeria reisen.

Merkel bei der Begrüßung in Kenia. Sie wird noch nach Angola und Nigeria reisen.

(Foto: dpa)

Drei Tage lang reist Bundeskanzlerin Merkel durch Kenia, Angola und Nigeria. Es sind neben Südafrika die wichtigsten Exportländer für Deutschland südlich der Sahara. Der ehemals kolonialisierte Teil des Kontinents steht an einer Weggabelung. In der einen Richtung winken Schwellenländer wie China und Indien, in der anderen die europäischen Staaten, darunter auch Deutschland.

Vor fünf Jahren startete das offiziell kommunistische Regime der Volksrepublik China in Afrika eine wirtschaftspolitische Offensive. Seitdem geht es dort nicht mehr nur noch um die Frage, wie das richtige Konzept für erfolgreiche Entwicklungshilfe aussieht. Sondern auch, wer es etablieren kann. Es ist einer der Gründe, warum Bundeskanzlerin Angela Merkel sich zumindest wenige Tage Zeit nimmt, um zu wichtigen Partnern auf dem Kontinent zu reisen.

Die Weggabelung für Afrika entstand vor einigen Jahren, während in der deutschen Öffentlichkeit fast alles im Jubel der Fußball-WM 2006 unterging. Damals bereisten sowohl Chinas Premierminister Wen Jiabao wie auch Präsident Hu Jintao den Kontinent und schlossen zahlreiche Abkommen mit einzelnen Staaten. Haben die Afrikaner nun die Wahl, wem sie ihr Vertrauen schenken? Rasant wachsenden Schwellenländern wie China? Oder etablierten Industrienationen wie Deutschland?

Staatsempfang für einen gesuchten Mann: Omar al-Baschir, links, bei seinem Besuch in Peking mit Chinas Präsident Hu Jintao.

Staatsempfang für einen gesuchten Mann: Omar al-Baschir, links, bei seinem Besuch in Peking mit Chinas Präsident Hu Jintao.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Sudan sind die Chinesen stark am Ölgeschäft beteiligt, zuletzt flog Präsident Omar al-Baschir zu Gesprächen nach Peking. Baschir wird wegen Menschenrechtsverletzungen in der sudanesischen Provinz Darfur international gesucht. Die Chinesen begegnen ihm trotzdem auf Augenhöhe. Wirtschaftliche Interessen stehen offenbar klar über politischen. Der Sudan ist ein Sonderfall, auch und besonders jetzt wegen der Abspaltung des Südsudans. Schon rasselte Baschir gegenüber dem neuen Staat mit dem Säbel. Der Grund ist einfach: China braucht Rohstoffe, und der größere Teil der erkundeten Ölfelder liegt im Süden.

Im Hintertreffen

Auch in Angola, ebenfalls ein ölreiches Land, ist Deutschland scheinbar im Hintertreffen. China handelte dort im Gegenzug für große Rohstoffkäufe bereits Aufträge für massive Infrastrukturprojekte aus. Der Energiebedarf von Schwellenländern wie Indien oder China wächst stetig, und mit ihm der Hunger auf Ressourcen. Auch aus Afrika. In Angola etwa beträgt der Anteil der Ölprodukte am Export 98 Prozent, in Nigeria sind es inklusive Gas 90 Prozent.

Nun reist Merkel hinterher, im Schlepptau eine Wirtschaftsdelegation mit zahlreichen Vertretern der Energiefirmen, die ebenfalls auf Aufträge hoffen. Auch in Kenia und Nigeria, den anderen beiden Ländern der Tour, sind Energiefragen ein wichtiger Bestandteil der Gespräche. Während China hauptsächlich die Rohstoffe im Blick hat, wollen die Deutschen ihre Technik verbreiten. So sind große Teile der Bevölkerung nicht ans Stromnetz angeschlossen. Ein Ansatzpunkt für deutsche Firmen, die nur zu gerne den Ausbau übernehmen würden.

Distanz zur Vergangenheit

Öl-Leitung im Niger-Delta in der Nähe von Port Harcourt.

Öl-Leitung im Niger-Delta in der Nähe von Port Harcourt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Dennoch dominiert der Eindruck: Die Chinesen machen vor, die Deutschen ziehen nach. Denn das im Juni verabschiedete neue Afrika-Konzept der Bundesregierung ist ein Paradigmenwechsel. Die ehemalige Entwicklungshilfe heißt konsequent Entwicklungszusammenarbeit. "Es wird eine große Distanz zur Entwicklungszusammenarbeit der vergangenen Jahrzehnte gesucht", sagt Birte Pohl, Afrika-Expertin des Leibniz-Instituts für Globale und Regionale Studien in Hamburg: "'Wir kommen zu euch und zeigen euch, was ihr braucht' bringt offenbar nichts."

Vielleicht kommt diese Erkenntnis zu spät. "Man spricht von 'Spill over'-Effekten - dass also eine neue Technologie in ein Land kommt und in der Folge auch dort verbreitet wird", sagt Pohl. Ihre Forschungsergebnisse legen nahe, dass sogenannte Süd-Süd-Kooperationen, also Direktinvestitionen von Entwicklungs- oder Schwellenländern für andere Länder, möglicherweise effektiver sein könnten – auch, weil die Technologien von potenziellen, ansässigen Arbeitskräften nicht bedient werden können.

Auf den ersten Blick lassen die Zahlen einen riesigen Rückstand vermuten: China pumpt über den Kauf von Rohstoffen und Investitionen Geld nach Afrika, im Jahr 2009 flossen allein nach Angola 14,6 Milliarden US-Dollar. Der Wert der Importe liegt bei 2,3 Millionen US-Dollar. Die deutschen Exporte 2010 im Wert von gerade mal 263,3 Millionen Euro machen deutlich, wie groß die Unterschiede der möglichen Einflussnahme sind. Mit dieser Summe liegt Angola südlich der Sahara auf Rang vier der wichtigsten Handelspartner für Deutschland. Afrika als Kontinent spielt allerdings keine besondere Rolle für die hiesige Wirtschaft: Insgesamt gingen im vergangenen Jahr nur zwei Prozent der deutschen Ausfuhren nach Afrika.

Zahlen sind nicht alles

Markt am Rande der angolanischen Stadt Kuito.

Markt am Rande der angolanischen Stadt Kuito.

(Foto: picture-alliance/ ZB)

Ob das, wie in Angola, über Rohstoffe ins Land geflossene Geld tatsächlich den Menschen zugutekommt, ist jedoch schlecht nachvollziehbar. "Im Vergleich zum Industrie- oder Dienstleistungssektor besteht im Rohstoffsektor ein geringeres Potenzial für die Übertragung und Verbreitung neuer Technologie oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze", sagt Expertin Pohl. "Auch dann, wenn die Devisen nicht verwendet werden, um lokale Projekte anzustoßen, sondern nur wenige Personengruppen davon profitieren." Häufig entstehen Jobs für Afrikaner bei einem Engagement Chinas nicht, da Infrastrukturprojekte mit chinesischen Arbeitern realisiert werden.

Dass das Potenzial der afrikanischen Länder für wirtschaftliche Kooperationen wegen der Bemühungen von Ländern wie Indien und China erschöpft sind, glaubt sie nicht. "Die Kooperationen ergänzen sich", so Pohl. Das Engagement von Industrie- und Schwellenländern sei kein Gegensatz.

Und so teilt sich der Weg für Afrika zwar in Richtung der Länder, die Rohstoffe brauchen, und jenen, die ihre Technologien verkaufen wollen. Doch die Pfade verlaufen nah nebeneinander – so dass der gebeutelte Kontinent beide zugleich nutzen kann.

Quelle: ntv.de

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