
Nach dem Osteraufstand 1916 gleicht die Dubliner Innenstadt, hier zu sehen das Hauptpostamt, einem Trümmerfeld.
(Foto: Screenshot Twitter @PittsburghPG)
Es ist Ostern, als sich in Irland ein Bündnis Aufständischer gegen die britische Kolonialmacht erhebt. Obwohl die Rebellion blutig niedergeschlagen wird und scheitert, hat sie weitreichende Folgen. Nun jährt sie sich zum hundertsten Mal.
Die Einschusslöcher an den Säulen des Dubliner Hauptpostamtes sind noch immer deutlich zu erkennen. Zwar putzt sich die irische Hauptstadt in diesen Tagen gründlich heraus, doch die Schönheitsfehler an der Fassade des imposanten Gebäudes im neoklassizistischen Stil bleiben davon unberührt. Sie zeugen von einem Ereignis, das einen besonderen Platz im kulturellen Gedächtnis der Iren einnimmt und sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal jährt: Der Osteraufstand (Easter Rising) von 1916. Auf der gesamten Insel - auch im Norden - bereitet man sich seit Wochen auf Gedenkveranstaltungen zu dem Ereignis vor, das als Beginn der irischen Unabhängigkeit von Großbritannien gefeiert wird. Dabei ist der Osteraufstand kaum mehr als der gescheiterte Versuch einer Revolution.

Bei den Kämpfen während des Osteraufstands starben in Dublin über 450 Menschen, über 2600 wurden verletzt.
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In Europa tobt der Erste Weltkrieg, als sich ein Bündnis intellektueller Iren dazu entschließt, der Fremdherrschaft durch Großbritannien ein Ende zu setzen. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts ist Irland faktisch eine Kolonie des britischen Empire. Während etwa 80.000 Iren gemeinsam mit den Briten in den Schützengräben gegen Deutsche Soldaten kämpften, marschieren am Ostermontag des Jahres 1916 rund 1200 Paramilitärs unter der Führung von Patrick Pearse und James Connolly in der Dubliner Innenstadt auf. Die Rebellen besetzen mehrere öffentliche Gebäude, darunter das Postamt, das ihnen als Hauptquartier dient. Dort verliest Pearse unter dem Gelächter einiger Schaulustiger eine Erklärung der selbsternannten siebenköpfigen "provisorischen Regierung der Irischen Republik" und proklamiert zugleich im Namen des irischen Volkes die Unabhängigkeit Irlands.
Von den britischen Truppen bekommen zunächst nur wenige etwas von der Rebellion mit. Wie viele Zivilisten genießen auch die meisten Soldaten den Feiertag. So kommt es, dass die Briten zunächst mit einiger Verzögerung reagieren. Die British Army mobilisiert über 16.000 Soldaten, die den Aufstand der knapp 1200 Rebellen niederschlagen sollen. Nach fünf Tagen kommen die Kämpfe zu einem blutigen Ende. Mehr als die Hälfte der über 450 Todesopfer sind Zivilisten, insgesamt werden über 2600 Menschen verletzt.
Neu erweckter irischer Freiheitsgeist

Auch in der nordirischen Hauptstadt Belfast erinnern zahlreiche der berühmten Mauergemälde an den Osteraufstand von 1916.
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Nach dem Osteraufstand gleicht die Dubliner Innenstadt einem Trümmerfeld. Das Empire ist erschüttert - und darum bemüht, das Bild der hart durchgreifenden Besatzungsmacht aufrecht zu erhalten. Die Regierung in London ordnet die Hinrichtung von 16 der führenden Rebellen an, darunter Connolly und Pearse. Zudem werden in den folgenden Tagen tausende Iren willkürlich verhaftet und es gilt das Kriegsrecht.
Mit dieser brutalen Reaktion der Briten geht die Strategie der irischen Rebellen auf. Vor dem Osteraufstand soll Connolly gesagt haben: "Die Regierung muss nur ihre 'konstitutionelle Maske' ablegen und die Freiheit der Rebellen einschränken, um das gesamte Volk gegen sich aufzubringen." Tatsächlich wendet sich nach Ostern 1916 das Stimmungsbild in der irischen Bevölkerung. Die Mehrheit der Iren hatte zunächst lediglich eine staatliche Selbstverwaltung (Home Rule) unter der britischen Krone befürwortet. Als die Rebellen zu Ostern in Dublin einmarschieren, ist die allgemeine Zustimmung zu der Rebellion entsprechend gering. Erst die Briten sorgen letztlich dafür, dass sich breite Teile der irischen Bevölkerung mit den Aufständischen solidarisieren.
Obwohl der Osteraufstand kläglich scheitert und dessen Köpfe Connolly und Pearse unterschiedliche Visionen einer unabhängigen Republik Irland haben, wird der irische Freiheitsgeist ab Ostern 1916 zu neuem Leben erweckt. Inmitten der Kämpfe kommt es zur Gründung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), die anschließend ebenfalls wie die radikale republikanische Partei Sinn Féin enormen Zulauf bekommt. Beide Gruppierungen avancieren zu den führenden Institutionen der irischen Unabhängigkeitsbewegung. Heute werden sie vor allem mit dem später aufflammenden Nordirland-Konflikt in Verbindung gebracht.
Verklärte Darstellung
1918 gewinnt Sinn Féin bei den britischen Unterhauswahlen 80 Prozent der irischen Mandate und ruft die unabhängige Republik Irland aus. Es folgt der Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten, an dessen Ende die Insel in den unabhängigen Freistaat Irland und in das mehrheitlich protestantische Nordirland, das britisch bleibt, geteilt wird.
Wie viele Ereignisse in der bewegten irischen Geschichte ist auch der Osteraufstand von 1916 zu einem Mythos verklärt worden. Das romantische Bild der geeinten Nation Irland, die gegen Großbritannien um ihre Unabhängigkeit kämpft, ist nicht wahrheitsgetreu. Spätestens mit dem auf den Unabhängigkeitskrieg folgenden blutigen Bürgerkrieg wurde deutlich, dass weder die breite Bevölkerung noch die Rebellen selbst eine einheitliche Vorstellung davon hatten, wie die Zukunft der grünen Insel aussehen sollte.
Dennoch werden Connolly und Pearse heute in Irland als Nationalheilige verehrt. Besonders an diesem Osterwochenende wird ihres gescheiterten Putschs gedacht, der einen bedeutenden Wendepunkt in der irischen sowie britischen Geschichte darstellt. Auch in Belfast werden dazu mehrere tausend Republikaner auf die Straße gehen. Während die Polizei der nordirischen Hauptstadt vereinzelte Anschläge befürchtet, rechnet man in Dublin mit friedlichen Gedenkmärschen. In der Hauptstadt der unabhängigen Republik Irland erwartet man bei der Parade Hunderttausende Teilnehmer. Ihr Weg wird sie über die O'Connell Street führen - vorbei am demolierten Gebäude des Hauptpostamtes.
Quelle: ntv.de