Politik

Bosporus-Durchfahrt möglich? Die Türkei baut der Ukraine neue Kriegsschiffe

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die "Hetman Iwan Masepa" beim Stapellauf im Oktober 2022.

Die "Hetman Iwan Masepa" beim Stapellauf im Oktober 2022.

(Foto: IMAGO/Cover-Images)

Die ukrainische Marine steht kurz davor, wieder ein eigenes Schiff zu haben. In der Türkei werden gerade zwei Korvetten für Kiews Seestreitkräfte gebaut. Sie sollen die ukrainische Dominanz im Schwarzen Meer stärken.

Die Geschichte über die ukrainische Marine ist schnell erzählt. Sie existiert de facto nicht mehr. Ihr Flaggschiff haben die Ukrainer kurz nach dem russischen Großangriff im Februar 2022 selbst versenkt, um es nicht den Kreml-Truppen zu überlassen. Jetzt gibt es aber Hoffnung, dass die ukrainische Marine bald wieder über mehrere eigene Kriegsschiffe verfügt: Die Türkei baut derzeit zwei Korvetten, die schon bald an Kiew übergeben werden sollen.

Als Erstes wartet die "Hetman Iwan Masepa" auf ihren Einsatz, benannt nach dem Hauptmann einer ukrainischen Kosaken-Gemeinschaft im 17. und 18. Jahrhundert. 2020 hat die Ukraine den Kaufvertrag mit der Türkei unterzeichnet. Kostenpunkt, Berichten zufolge, umgerechnet etwa 250 Millionen US-Dollar.

Die "Hetman Iwan Masepa" ist aktuell in der Erprobungsphase. Das heißt, es laufen noch Testfahrten, bevor die Korvette der Ukraine übergeben werden kann.

Die Arbeiten haben vor fast drei Jahren in einer Werft des türkischen Rüstungskonzerns STM in der Nähe von Istanbul begonnen. Im September 2021 wurde die "Hetman Iwan Masepa" auf Kiel gelegt. Im Oktober 2022 erfolgte der Stapellauf im Beisein der ukrainischen First Lady Olena Selenska. Im März dieses Jahres besuchte Präsident Wolodymyr Selenskyj das Schiff. Bei dem Termin teilte Selenskyj auch mit, dass die zweite in Bau befindliche Korvette "Hetman Iwan Wyhowskjy" heißen wird, benannt nach einem Kommandanten aus dem 17. Jahrhundert.

Raketen, Torpedorohre, Maschinengewehre

Beide Kriegsschiffe gehören zu der von der Türkei entworfenen Ada-Klasse. Sie sind speziell für den Einsatz in küstennahen Gewässern konzipiert und dank Elementen der Tarnkappentechnik schwer zu entdecken. Beide Korvetten sind etwa 100 Meter lang und 14 Meter breit. "Sie verfügen über Hubschrauber, Hydroakustik und elektronische Detektionssysteme, die Unterwassergeräusche klassifizieren können", sagt der Marineexperte Wolodymyr Zablotskij zu Radio Free Europe. "Es handelt sich um Schiffe, die wissen, wo sich ein U-Boot befindet und wie man es angreift."

Zur Ausrüstung der Korvetten gehören demnach amerikanische Harpoon-Schiffsabwehrraketen, Flugabwehrraketen, Artilleriegeschütze, Torpedorohre und großkalibrige Maschinengewehre.

Der ukrainische Präsident versicherte, dass die beiden Schiffe "die ukrainischen Seestreitkräfte stärken werden". Selenskyj dankte ausdrücklich seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan und den Rüstungsunternehmen für die enge Zusammenarbeit.

Lässt die Türkei die Schiffe durch?

Ob die "Hetman Iwan Masepa" und "Hetman Iwan Wyhowskjy" aber im Krieg gegen Russland überhaupt helfen können, ist unklar. Die Türkei müsste in diesem Fall explizit über das Montreux-Abkommen von 1936 hinwegsehen. Es besagt, dass Kriegsschiffe kriegsführender Parteien die Meerengen zum Schwarzen Meer nicht durchfahren dürfen und die Türkei das letzte Wort hat, welches Schiff es fahren lässt und welches nicht.

Als die Ukraine 2020 den Kaufvertrag mit der Türkei schloss, war das Land noch nicht im Kriegszustand. Deshalb musste sich Ankara darüber damals keine Gedanken machen.

Als der Krieg ausbrach, ließ Ankara weder russische noch ukrainische Kriegsschiffe durch. Anfang des Jahres verhinderte die Türkei auch, dass zwei Minenräumer der britischen Royal Navy den Bosporus durchfahren. Großbritannien hatte der Ukraine die zwei Schiffe geschenkt, doch die Übergabe scheiterte. Ankara verwies auf das Montreux-Abkommen.

Spekuliert wird jetzt, dass die Ukraine die Freigabe der Schiffe mit Verweis darauf fordern könnte, dass es bei der Abfahrt von der Werft in Istanbul nicht um eine Transitfahrt durch den Bosporus handelt. Möglich, dass die Türkei unter den Umständen grünes Licht für die Durchfahrt gibt.

Ukraine im Schwarzen Meer dominant

Während Selenskyj darauf hofft, die Korvetten bald einsetzen zu können, gibt es aber auch Kritik. Radio Free Europe zitiert Oleg Chubuk, einen ehemaligen Sprecher der ukrainischen Marine. Er hofft, "dass der Krieg vorbei ist, bevor diese Korvetten in Dienst gestellt werden". Auch Marineexperte Zablotskiy ist dieser Meinung. "Es ist besser, sie vorerst in der Türkei zu belassen", weil sie sofort nach der Ankunft in ukrainischen Gewässern ein hochwertiges Ziel für Russland darstellen würden.

Mehr zum Thema

Die ukrainische Militärführung und der Präsident werden dagegen darauf verweisen, dass Kiews Marine zuletzt sehr erfolgreich war. Die Ukraine ist dabei, zumindest den Seekrieg gegen Russland zu gewinnen. Sie dominiert im Schwarzen Meer, obwohl sie eine alles andere als funktionstüchtige Marine hat. Geheimnis des Erfolgs sind die ukrainischen Marinedrohnen. Seit Russlands Überfall hat die Ukraine nach eigenen Angaben schon fast ein Drittel der russischen Schwarzmeerflotte versenkt oder beschädigt. Die Angriffe haben dazu geführt, dass Russland einen Teil seiner verbliebenen Flotte vom Krimhafen in Sewastopol an andere Schwarzmeerhäfen verlegen musste.

Die neuen Korvetten aus der Türkei sollen der Ukraine dabei helfen, die Kontrolle auf See zu behalten. Russland kann seine Flotte dagegen nicht so einfach aufstocken, weil Schiffe von anderen Standorten nicht ins Schwarze Meer verlegt werden können. Die Türkei würde sie wegen des Montreux-Abkommens nicht durch den Bosporus lassen.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige. Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv-App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

Sie haben eine Frage? Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an podcasts@ntv.de

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen