Merz und die RenteDie V-Frage könnte Rettung oder Untergang sein
Volker Petersen
Es geht nicht vor und nicht zurück - im Streit ums Rentenpaket will sich niemand bewegen. Nicht die Junge Union, nicht die SPD. Greift Merz zur nuklearen Option?
Was macht man, wenn nichts mehr geht? Diese Frage muss Friedrich Merz beantworten. Der Streit um das Rentenpaket ist eskaliert, jetzt ist guter Rat teuer. Die Junge Union lehnt das Paket ab, weil angeblich Vorentscheidungen für die Zeit nach 2031 getroffen werden. Die SPD lehnt sich zurück und es ab, noch einmal zu verhandeln.
Was verständlich ist. Denn so kann man nicht regieren - sie hatte sich ja mit Kanzler Merz und der Unionsführung geeinigt. Wenn eine Einigung nicht gilt und Parteiflügel oder Fraktionsgruppen noch nachträglich Einspruch einlegen dürfen, kommt man nie zu einem verbindlichen Ergebnis.
Und die SPD ist sich keiner Schuld bewusst. Sie hat unter Schmerzen die harte Migrationspolitik mitgetragen. Sie macht Kompromisse beim Bürgergeld. Sie hält sich an die Abmachungen, so die Selbstwahrnehmung - die auch nicht falsch ist.
Nicht mehr viele Optionen
Leider ist aber die Junge Union ähnlich entschlossen, bei ihrer Sicht der Dinge zu bleiben. Am Wochenende gaben die Chefs von Junger Union und Junger Gruppe im Bundestag Schwüre ab: Niemals dürfe das Rentenpaket so kommen wie es jetzt ist. Merz Vorschlag, noch einen Entschließungsantrag danebenzustellen, der weitere Reformen verspricht, verpufft. Der Jungen Union ist das Rentenpaket einfach viel zu teuer. Es geht gegen alles, was sie will.
Viele Optionen hat Merz nicht mehr. Er kann versuchen, doch noch einmal alle an einen Tisch zu bekommen. Aber bleibt es bei der Blockade, gibt es noch eine Möglichkeit, die man auch die "nukleare Option" nennen könnte: Die Vertrauensfrage. Merz könnte das Rentenpaket mit der Vertrauensfrage verknüpfen.
Die Abstimmung über das Rentenpaket wäre dann zugleich eine Abstimmung über seine Kanzlerschaft. Die Junge Union wüsste: Stimmen wir jetzt mit "Nein", ist Kanzler Merz Geschichte. Dann gäbe es Neuwahlen - und angesichts aktueller Umfragen wäre das für die Union nicht gerade vielversprechend. Die AfD könnte stärkste Kraft werden. Die Union müsste wohl mit SPD und Grünen regieren. Das wäre vieles, aber eines nicht: Einfacher als ein Bündnis nur mit der SPD. Und eine Minderheitsregierung wäre ein Himmelfahrtskommando.
Ausgerechnet für die Rente?
Bundeskanzler stellen die Vertrauensfrage sehr selten - zuletzt tat das Olaf Scholz vor einem Jahr, um den Weg frei für Neuwahlen zu machen. Da war seine Regierung aber bereits gescheitert. Es war eine Formalie.
Vier Mal haben Bundeskanzler vor Scholz die Vertrauensfrage gestellt - und sie kamen ebenfalls alle von der SPD. Willy Brandt 1972, Helmut Schmidt 1982 und Gerhard Schröder 2001 und 2005. Nur Schröder verknüpfte bisher eine Vertrauensfrage mit einer Abstimmung über ein Gesetz. 2001 war das, als es um den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ging.
Wenn nun ausgerechnet der CDU-Kanzler Merz die Vertrauensfrage stellt, um ein SPD-Herzensprojekt durchzudrücken, wäre das schon kurios. Und ganz sicher nichts, was Merz leichtfiele. Ihm winkt bloß ein Pyrrhus-Sieg. Seine Autorität würde weiter geschwächt. Es hieße: "Der Merz musste schon nach einem halben Jahr die Vertrauensfrage stellen - wie soll das nur weitergehen?"
Zumal der Koalition noch heiße Diskussion bevorstehen, etwa um die Pflegeversicherung. Im kommenden Jahr wird außerdem in fünf Bundesländern gewählt. Schlechte Ergebnisse werden auch die Koalition durchschütteln. Wer da nicht fest im Sattel sitzt, wird es schwer haben.
Merz muss wohl darauf hoffen, dass vielleicht doch noch etwas geht. Sich die eine oder andere Seite bewegt - am besten beide. Dafür müssten alle Beteiligten eines erkennen: Sie sitzen im gleichen Boot.