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Merz vs. Junge UnionDer Nachwuchs hört nicht mehr auf den Kanzler

15.11.2025, 17:04 Uhr RTL01231-1Volker Petersen
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Der Kanzler zu Gast bei Freunden? Nur bedingt - JU-Chef Winkel und Landes-Chef Hummel (l.) sind beim Rentenpaket nicht kompromissbereit. (Foto: picture alliance/dpa)

Im Tonfall freundlich, in der Sache hart - das ist der Sound der Debatte zur Rentenreform auf dem Deutschlandtag der Jungen Union. Der Bundesregierung steht damit eine neue Super-Krise ins Haus.

Eines war nicht zu erwarten: Dass Bundeskanzler Friedrich Merz die Rentenrebellen von der Jungen Union an diesem Wochenende mit ein paar guten Argumenten mal eben überzeugt. Der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, sowie der Vorsitzende der Jungen Gruppe im Bundestag, Pascal Reddig, machten unmissverständlich deutlich: Sie sind weiter gegen das Paket.

Winkel erklärte das am Freitagabend schon zu so etwas wie der Gretchenfrage für die Jungen Union. "Unser Anspruch sind Entscheidungen für die junge Generation", sagte er. Jeder in der Jungen Union habe schon einmal für Generationengerechtigkeit argumentiert. Damit hängte er die Frage sehr hoch, frei nach Martin Luther: "Hier stehe ich und kann nicht anders."

Zugleich breitete er wortreich aus, wie sehr die Junge Union Merz von Anfang an unterstützt habe, bei seinem Ziel, erst CDU-Chef und später Kanzler zu werden. "Ohne die Junge Union wäre Friedrich Merz nicht Parteivorsitzender und ohne Parteivorsitz ganz bestimmt nicht Kanzlerkandidat geworden", sagte Winkel in seiner Rede am Freitagabend.

JU erhöht Druck auf Merz

Merz habe sich auf die Junge Union verlassen, jetzt verlasse sie sich auf Merz. Das klang stark nach: Kanzler, wir haben dich groß gemacht, du schuldest uns etwas. Das wirkte auch entlarvend. Offenbar war die frenetische Unterstützung für Merz im Wahlkampf weniger echter Begeisterung geschuldet, sondern vielmehr an klare Erwartungen geknüpft. Und Winkel setzte noch einen drauf: Merz solle deutlich machen, wer die Wahl gewonnen habe und wer den Bundeskanzler stelle.

Mit solchen Äußerungen ignorierte der Chef der Jungen Union die politische Realität und erhöhte den Druck auf Merz. Doch der Kanzler hatte völlig recht, als er darauf hinwies, dass er einen Koalitionspartner hat. Die in der Union verbreitete Vorstellung, eine Seite, in diesem Fall die eigene, müsse sich permanent durchsetzen, führt ins Leere. Wer so regiert, steht ganz schnell alleine da. Koalitionspartner sitzen im gleichen Boot - ohne den jeweils anderen gibt es keine Mehrheit. Das erfordert behutsames, respektvolles Verhandeln. So sollte man es eben auch nicht als selbstverständlich hinnehmen, dass die SPD die harte Migrationspolitik mitträgt. Es ist ein Geben und Nehmen.

Merz hat das gegenteilige Denken allerdings in Teilen selbst befeuert, als er im Wahlkampf mit CDU pur warb und so tat, als ob die SPD sich schon fügen werde. Damals klopfte er noch Sprüche wie "Links ist vorbei" oder behauptete, sobald er mit den Dienstwagenschlüsseln winke, würde die SPD jede Forderung erfüllen. Damit weckte er hohe Erwartungen im eigenen Lager. So hinterlässt sein eigentlich richtiges Werben für Kompromisse vor dem Parteinachwuchs nun einen schalen Beigeschmack.

Autorität von Merz angekratzt

Merz setzte noch einen anderen Punkt - er verwies auf das große Ganze und die Gefahr durch die AfD. "Wir müssen zeigen, dass wir die Probleme unseres Landes in der Mitte lösen können", sagte er und spielte damit auf das Gefühl an, diese Regierung sei zum Erfolg verdammt, ja die "letzte Patrone der Demokratie" wie es CSU-Chef Markus Söder einmal gesagt hat. Wenn sich Junge Union und Junge Gruppe dazu aufschwingen, ihrem eigenen Kanzler zu sagen, was er zu tun hat, kratzt das an dessen Autorität.

Wie angekratzt die ist, zeigt dieser Deutschlandtag. Dass die Junge Union das Thema derart eskaliert, dass sie sich als Kanzlermacher darstellt, zeigt ihr strotzendes Selbstbewusstsein. Aber vielleicht wollten die Jungen das gar nicht. "Die Zeiten, innerhalb derer die Union blind der Bundeskanzlerin und ihrem Fraktionsvorsitzenden gefolgt sind, diese Zeiten sind vorbei", sagte der Baden-Württemberger Landesvorsitzende Florian Hummel am Freitagabend. Eine klare Drohung.

Quelle: ntv.de