Politik

Streit um Impfstofflieferungen EU hat schon 77 Millionen Dosen exportiert

köln.PNG

Astrazeneca hat der EU für das erste Quartal 120 Millionen Impfstoffdosen zugesagt, bislang aber weniger als ein Viertel geliefert. Dagegen erhielt allein Großbritannien bereits 21 Millionen Dosen aus europäischer Produktion. Die EU-Staats- und Regierungschefs unterstützen deshalb schärfere Ausfuhrkontrollen.

Angesichts anhaltender Lieferprobleme bei Corona-Impfstoffen haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs für schärfere Kontrollen von Ausfuhren in Drittstaaten ausgesprochen. Neue Regeln der EU-Kommission zu diesem Zweck "haben wir im Grundsatz befürwortet", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem EU-Videogipfel am Donnerstagabend. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, der Hersteller Astrazeneca müsse nun zunächst seine Lieferverzögerungen gegenüber der EU "aufholen", bevor er exportieren könne.

Ihren Angaben zufolge hat die EU seit dem 1. Dezember bereits 77 Millionen Dosen ins Ausland exportiert. Davon wurden 21 Millionen ans Vereinigte Königreich geliefert. Von diesen 21 Millionen Dosen stammt gut eine Million von Astrazeneca. Bei den restlichen handelt es sich laut von der Leyen um die Impfstofflieferungen von Pfizer und Biontech.

Astrazeneca hatte der EU für das erste Quartal 120 Millionen Impfstoffdosen zugesagt, bislang aber weniger als 30 Millionen geliefert. Die Kommission hatte deswegen am Mittwoch die EU-Exportregeln deutlich verschärft. Theoretisch sind nun Ausfuhrverbote möglich, wenn ein Zielland selbst Impfstoff produziert, aber nicht exportiert, oder wenn dessen Bevölkerung bereits weitgehend geimpft ist. Es gehe darum, dass "die Unternehmen ihre Verträge mit der EU erfüllen, bevor sie woanders hin exportieren", sagte von der Leyen.

"Exklusiv-Vertrag" mit Astrazeneca?

Die EU hat den Verdacht, dass insbesondere Astrazeneca Großbritannien bevorzugt beliefert. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock hatte am Donnerstag in einem Interview nochmals Öl ins Feuer gegossen. Großbritannien habe "einen Exklusiv-Vertrag" mit Astrazeneca, sagte er der "Financial Times". "Unser Vertrag übertrumpft den ihren. Das nennt man Vertragsrecht - so einfach ist das."

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte zeigte sich dennoch optimistisch, dass rasch eine Einigung mit London gefunden werde. Er hoffe, keine Impfstoffausfuhren blockieren zu müssen, würde dies auf Anweisung Brüssels aber tun. Eine Produktionsstätte von Astrazeneca im niederländischen Leiden war zuletzt in den Mittelpunkt des Streits gerückt, weil sowohl die EU als auch Großbritannien deren Produktion beanspruchen.

Im Nachgang der Ankündigung verschärfter Exportregeln durch die Kommission hatte es aus einer ganzen Reihe von EU-Staaten auch Warnungen vor Ausfuhrverboten gegeben. "Wir haben hier volles Vertrauen in die Handlungsweise der Kommission", sagte Kanzlerin Merkel. Aber zugleich dürften Lieferketten nicht infrage gestellt werden.

"Quadratur des Kreises"

Mehr zum Thema

Keine Lösung fanden die Staats- und Regierungschefs im Streit um die interne Verteilung von Impfstoff. Österreich, Tschechien, Slowenien, Bulgarien, Kroatien und Lettland hatten sich beschwert, weniger Dosen erhalten zu haben, als ihnen gemäß ihrer Bevölkerungsgröße zustehe. Die Unterschiede sind vor allem darauf zurückzuführen, dass diese Länder deutlich mehr Impfstoff bei Astrazeneca bestellt hatten.

Eine auf das zweite Quartal vorgezogene Lieferung von Biontech/Pfizer von zehn Millionen Dosen soll nun als Ausgleich genutzt werden. Die Mitgliedstaaten konnten sich aber nicht einigen, wie genau dies geschehen soll. Merkel sprach hier von einer "relativ komplizierten Aufgabe", die einer "Quadratur des Kreises" gleichkomme. Nun sollen sich die EU-Botschafter in Brüssel mit der Frage befassen.

Die Bundeskanzlerin verteidigte vor dem Hintergrund des Verteilungsstreits die gemeinsame Impfstoffbeschaffung. Sie wolle sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn einige EU-Staaten Impfstoffe hätten und andere nicht, sagte sie im Bundestag. "Das würde den Binnenmarkt in seinen Grundfesten erschüttern."

Quelle: ntv.de, chr/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen