Zehn Prozent Erze und Co. EU macht Weg frei für mehr Rohstoffabbau
16.03.2023, 13:19 Uhr
Das Smartphone, mit dem EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen telefoniert, benötigt in der Herstellung zahlreiche seltene Rohstoffe, die zumeist aus Drittstaaten importiert werden müssen.
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Die EU-Kommission will die Mitgliedstaaten unabhängiger von Rohstoffimporten machen. Ein Gesetz soll eine Mindestmenge für den Abbau von Erzen und Mineralien festlegen, die etwa für den Exportschlager Auto wichtig sind. Dort droht China vor allem Deutschland abzuhängen.
Weniger Bürokratie für bestimmte Industriezweige und mehr Unabhängigkeit bei wichtigen Rohstoffen: Die EU-Kommission präsentiert am heutigen Donnerstag gleich zwei große Vorhaben für eine leistungsstarke und umweltfreundliche EU-Wirtschaft. Mit dem Europäischen Gesetz über kritische Rohstoffe werden einem Entwurf zufolge unter anderem Vorgaben für Produktionsziele gemacht. So sollen mindestens zehn Prozent des Jahresverbrauchs von bestimmten Erzen, Mineralien oder Konzentraten in der EU abgebaut werden können.
Bisher ist die EU bei wichtigen Rohstoffen abhängig von Drittstaaten. So kommen Kommissionsangaben von 2020 zufolge 78 Prozent des für die Batterieproduktion wichtigen Lithiums aus Chile. Aber auch aus anderen Ländern wie China und der Türkei stammen viele Rohstoffe, die für die EU-Wirtschaft von großer Bedeutung sind. Diese Rohstoffe brauche man etwa für Handys und Elektrofahrzeuge, Computerchips, Batterien, Solarpaneele und Windturbinen, betonte Kommissionschefin Ursula von der Leyen zuletzt.
Ihr Kollege, der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatte jüngst gesagt, zahlreiche Industrievertreter machten sich Sorgen um die Sicherheit der Rohstoffversorgung. Unter anderem die Corona-Pandemie hatte gezeigt, wie abhängig die EU von funktionierenden Lieferketten etwa nach Asien ist. So hatte etwa der Corona-Lockdown in Shanghai im vergangenen Frühjahr Lieferketten weltweit empfindlich gestört und Lieferungen deutlich verzögert.
Grüne: erst reduzieren, dann recyclen und abbauen
Im Europaparlament wird das Vorhaben der Kommission grundsätzlich begrüßt. "Der Ast, auf dem wir in Europa bisher saßen, war zu dünn", sagt etwa die CDU-Abgeordnete Hildegard Bentele. Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, die grüne Anna Cavazzini, betont: "Die Reduzierung des Verbrauchs von kritischen Rohstoffen muss vorne anstehen, danach folgen Recycling und am Ende erst der Abbau."
Für die Zukunft befürchtet die EU-Kommission aber nicht nur Abhängigkeiten bei der Rohstoffversorgung. "Systemrivalen versuchen, unsere Industriekapazitäten an sich zu ziehen und damit unsere Abhängigkeiten von morgen zu schaffen", sagte Breton mit Blick auf China. Im Bereich Elektroautos sehe er etwa ein reales Risiko, Nettoimporteur zu werden - also mehr Autos zu importieren als zu exportieren. "Vergangenes Jahr hat China Deutschland überholt und ist zum zweitgrößten Autoexporteur der Welt geworden", so der EU-Kommissar.
Denkfabrik nennt Entwurf "protektionistisch"
Um diesem und anderen Abhängigkeitsrisiken zu begegnen, sollen mit dem zweiten Gesetzesvorschlag unter anderem Genehmigungsverfahren für strategisch wichtige Wertschöpfungsketten erleichtert werden. Zudem sieht der Vorschlag vor, Beihilferegeln zu vereinfachen und die Verwendung von EU-Mitteln zu flexibilisieren. "Kurz gesagt, das Netto-Null-Industrie-Gesetz sorgt für Tempo, Vereinfachung und es stellt Fördergelder bereit", sagte von der Leyen. Welche Industrien genau von Sonderregeln profitieren sollen, wurde bis zuletzt diskutiert.
Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese begrüßt den Vorstoß. "Wir müssen hier jetzt überall Gas geben, um das Klima zu schützen und von Russland unabhängig zu werden", sagte er. Der Vorschlag zum Netto-Null-Industrie-Gesetz war auch innerhalb der EU-Kommission intensiv diskutiert worden. Durchgesickerte Entwürfe des Vorhabens hatten Autoren der Denkfabrik Bruegel als äußerst besorgniserregend bezeichnet. Die politischen Ziele seien unverhohlen protektionistisch. Wie stark sich der endgültige Vorschlag von bekannten Entwürfen unterscheidet, ist noch unklar. Von der Leyen wies die Kritik zurück. "Es gibt keinen einzigen Punkt, der protektionistisch ist", sagte sie in einem Interview des European Newsroom.
Quelle: ntv.de, als/dpa