Politik

"Schwarzbuch" rügt Verschwendung Ein Bank-Debakel und ein Spatenstich zu viel

Kostenexplosion am Bau, unnütze Infrastruktur oder falsch berechnete Subventionen: Bei öffentlichen Geldern ist das besonders ärgerlich. In seinem "Schwarzbuch" hat der Bund der Steuerzahler millionenschwere Pannen bei der Corona-Hilfe im Visier. Und eine Pleitebank.

Steuergelder und deren Verwendung sind ein Reizthema. Wofür wird das Geld der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt - ist das sinnvoll oder nicht, ist es vielleicht Verschwendung oder liegen gar Fehlinvestitionen der Verwaltung vor? Aufregung ist schnell erzeugt, wenn es um angebliche oder tatsächliche Steuerverschwendung geht. Diese Aufregung erhofft sich auch der Bund der Steuerzahler, der entsprechende Fälle in einem "Schwarzbuch" sammelt.

Der gemeinnützige Verein schaut besonders genau hin, ist sein erklärtes Ziel doch nicht nur die Vermeidung von Fehlern in der Finanzplanung von Bund, Ländern und Kommunen, sondern auch ganz allgemein: Steuersenkungen. In vielen Fällen weist der Steuerzahlerbund völlig berechtigt auf Fehler hin, die die Bürgerinnen und Bürger teils Millionen Euro kosten.

Ein Beispiel: Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser in Bremerhaven, wenn diese Kapazitäten für Corona-Patienten freihalten und dafür auf planbare Operationen verzichten. Wegen unzulänglicher Bestimmungen habe es hier offenbar fragwürdige Zahlungen in Millionenhöhe gegeben, heißt es im "Schwarzbuch". Das Problem in diesem konkreten Fall war, dass sich die Zahlungen an den Belegungszahlen von 2019 orientieren. Wurden dann in der Corona-Krise 2020 weniger Patienten behandelt, erhielten die Kliniken einen Ausgleich. So wurde auch ein privates Klinikunternehmen auf Grundlage der Zahlen von 2019 ausbezahlt. Der Haken: Es hatte laut Steuerzahlerbund zum Jahreswechsel 2019/20 seine Abteilung für Kinderheilkunde an ein städtisches Klinikum vor Ort abgegeben. Dennoch machte der Privatanbieter die 2020 fehlenden Belegungen bei der Berechnung der Ausgleichszahlungen geltend.

"Knapp 2,9 Millionen Euro des Bundes flossen so an den alten Träger, obwohl ihm die entschädigten Betten seit Januar 2020 - und damit bei Ausbruch der Pandemie - gar nicht mehr gehörten", heißt es im "Schwarzbuch". Das städtische Krankenhaus hatte dagegen keinen Anspruch, schließlich gehörten ihm 2019 die entsprechenden Betten noch gar nicht - das Bremer Gesundheitsressort schüttete an die Klinik dennoch 1,6 Millionen Euro aus den Bundesmitteln aus, zumindest bis Berlin die Zahlungen bemängelte. Dennoch erhielten fünf Monate lang zwei Kliniken Geld für dieselben Betten.

Digitalisierung, Autobahn-App, Sanduhren

Später flossen über ein landeseigenes Ausgleichsprogramm nochmals 311.000 Euro an die Privatklinik und 540.000 Euro an den städtischen Betreiber, schließlich war auch hier 2019 das Referenzjahr. "Unterm Strich sind im Zeitraum März 2020 bis Ende Januar 2021 wegen der offenkundig unzureichenden Berechnungsgrundlagen in Bremerhaven mindestens 3,2 Millionen Euro an den ehemaligen und somit 'falschen' Klinikträger geflossen, während das städtische Klinikum als neuer Betreiber der Kinderklinik durch ergänzende Zahlungen in Höhe von insgesamt 2,1 Millionen Euro milde gestimmt wurde", heißt es im "Schwarzbuch".

Etliche andere Beispiele für Steuerverschwendung zählt das "Schwarzbuch" auf. Etwa die immer teurer werdende und trotzdem kaum vorankommende Digitalisierung der Bundesverwaltung. "Die 'IT-Konsolidierung Bund' gleicht eher einem IT-Chaos Bund. Das Megaprojekt wurde offenbar deutlich unterschätzt und unzureichend koordiniert und vorangetrieben", stellt der Steuerzahlerbund fest. Auch die App der Autobahn GmbH stößt auf scharfe Kritik: 1,2 Millionen Euro habe die Entwicklung gekostet, trotz geringen Mehrwerts gegenüber privaten Anbietern, sinkender Nutzerzahlen und negativer Bewertungen. Erst Ende Oktober wurde eine komplette Überarbeitung der App angekündigt - also weitere Kosten.

Verpuffte Subventionen für Elektroautos, ein Neubau für das Kanzlerinnenamt, "Dauerbaustelle im Regierungsviertel" - das "Schwarzbuch" zählt viele Beispiele auf. Allerdings wirken manche Kritikpunkte überzogen. "Beim öffentlichen Bauen muss mehr Energie darauf verwendet werden, Gebäude innerhalb des Zeitplans fertigzustellen", heißt es an einer Stelle. Doch auch private Großbaustellen kämpfen mit Verzögerungen oder Kostensteigerungen aufgrund von Lieferengpässen. Auch wenn es natürlich ärgerlicher ist, wenn es um öffentliche Mittel geht.

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Die Bundesstraße 5 wird ausgebaut. Das wurde gleich bei zwei ersten Spatenstichen gefeiert.

(Foto: picture alliance / dpa)

Dass nicht jedes der im "Schwarzbuch" aufgeführten Beispiele als Nachweis von Steuerverschwendung taugt, hat dem Steuerzahlerbund immer wieder Kritik eingebracht. Denn mitunter ist es Interpretationssache, ob eine Straße billiger, ein Schwimmbad kleiner hätte ausfallen können. Dass für den 20 Kilometer langen Ausbau der Bundesstraße 5 zwischen Husum und Tönning gleich zwei Feiern mit erstem Spatenstich ausgerichtet - und vom Steuerzahler bezahlt - wurden, taugt eher zur Provinzposse als zum Skandal. Bei der Anschaffung fehlerhafter Park-Sanduhren in Wittenberg kritisiert der Verein nicht die Kosten, sondern den Verwaltungsaufwand. Die Forderung nach einer effizienteren Bürokratie mag berechtigt sein, doch sie wird nie ganz erfüllt werden - gerade weil es um öffentliche Mittel geht.

Kommunen verlieren Geld bei Greensill Bank

Diese wenig überzeugenden Beispiele sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es überaus ärgerliche Fälle von Steuerverschwendung gibt, erst recht, wenn konkretes Fehlverhalten zu Millionenverlusten führt. Ausführlich widmet sich das "Schwarzbuch" der Insolvenz der privaten Greensill Bank, deren Folgen für die öffentlichen Haushalte noch nicht abzuschätzen sind. Der Steuerzahlerbund schreibt von einem "Debakel". Denn hier "drohen den Steuerzahlern hohe Verluste durch risikobehaftete Finanzgeschäfte der Kommunen", wie es heißt. Zur Erinnerung: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) verhängte Anfang März wegen drohender Insolvenz eine Zwangsschließung über die Bank. Zu diesem Zeitpunkt hatten laut Steuerzahlerbund rund 40 Gebietskörperschaften, vor allem Kommunen, Einlagen in Höhe von etwa 350 Millionen Euro bei dem Geldhaus. Und diese waren nicht von der gesetzlichen Einlagensicherung geschützt.

Das "Schwarzbuch" zählt nicht nur die Kommunen auf, deren Einlagen nun weg sein könnten. Es verweist vor allem darauf, dass es Fälle geben könnte, in denen sich die Verwaltungen nicht an die eigenen Richtlinien für Kapitalanlagen gehalten haben. "In den betroffenen Rathäusern wird das derzeit geprüft, denn die Gemeinden sind nach den Vorschriften des Haushaltsrechts dazu angehalten, bei Geldanlagen grundsätzlich auf eine ausreichende Sicherheit zu achten", schreiben die Autoren und verweisen auf mögliche Schadenersatzforderungen.

Am Beispiel des hessischen Schwalbach zeigt das "Schwarzbuch" detailliert auf, dass eigene Vorgaben nicht beachtet wurden. "Mit der Anlage bei der Greensill-Bank hat die Stadt auch gegen eigene Regeln verstoßen", heißt es. Im Dezember 2020 habe der Magistrat eine Anlagerichtlinie auf Grundlage von Vorgaben des hessischen Innenministeriums und der Mustersatzung des Städtetags beschlossen. Schon im Februar 2019 hatte der Magistrat demnach festgelegt, "dass Festgelder bei Instituten der Sparkassengruppe, bei Genossenschaftsbanken oder der Bundesbank angelegt werden müssen". Der neu gewählte Bürgermeister hatte aber nach eigener Darstellung keine Kenntnis davon, wie es weiter heißt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn.

Im Fazit wird der Steuerzahlerbund grundsätzlich: "Wie schon bei früheren Verlustinvestments der öffentlichen Hand, erinnert der Bund der Steuerzahler an den Grundsatz: Wer das Geld der Steuerzahler treuhänderisch verwaltet, muss Sicherheit vor Rendite walten lassen!" Aus dem "Greensill-Debakel" müssten Konsequenzen gezogen werden.

Quelle: ntv.de

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