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Autotalk bei Lanz Ex-VW-Chef Diess: "Wir haben noch nicht verloren"

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Deutschland hat bei der Elektromobilität "ein bisschen gepatzt", meint Herbert Diess.

Deutschland hat bei der Elektromobilität "ein bisschen gepatzt", meint Herbert Diess.

(Foto: picture alliance/dpa)

Der Automarkt in Deutschland hat Probleme. Wie er überleben könnte, verrät bei Lanz der ehemalige VW-Chef Diess. Seine Bedingung: Wir müssen anfangen, E-Autos zu mögen, ja sogar zu lieben.

Es ist eine lebendige Diskussion, die sich die Gäste am Abend bei Markus Lanz im ZDF liefern. Dabei trifft die Ansicht von FDP-Fraktionschef Christian Dürr nach absoluter Energieoffenheit auf Kritik bei den Fachleuten. "Energieoffenheit ja, aber der Staat muss die Leitlinien vorgeben", fordert der ehemalige VW-Chef Herbert Diess. Der wird im Laufe der Sendung einen möglichen Weg aufzeigen, wie sich die deutsche Autoindustrie auf dem Weltmarkt wieder durchsetzen könnte.

Die Autoindustrie befinde sich in einer Transmissionsphase, sagt Diess. Und: "Im Premiumsegment ist da noch nichts vergeben." Darauf müsse Deutschland setzen, vor allem im Konkurrenzkampf mit China. Die historische Erkenntnis sei, dass bei einem Wechsel, wie er zurzeit stattfinde, die Etablierten nicht die größten Chancen hätten, vorne mitzuspielen. Sie seien oft in alten Techniken verhaftet und versuchten, daraus den größtmöglichen ökonomischen Gewinn zu ziehen. "Es ist häufig so, dass dann die Neueinsteiger die Führung übernehmen können", so Diess. Doch die positive Nachricht: "Es gibt immer noch Unternehmen, die es schaffen. Und ich glaube, die deutsche Autoindustrie hat immer noch gute Voraussetzungen."

Die liegen laut Diess im nationalen Premiummarkt. In diesem Segment sei Deutschland seit mehr als dreißig Jahren führend, "weil wir es geschafft haben, einen unglaublich starken Heimatmarkt zu schaffen." In kaum einem anderen Land seien zum Beispiel Dienstwagen so sehr gefördert worden. "Und wir haben Autobahnen, wir haben hochkompetente Zulieferer, und wir haben Cluster geschaffen. Das ist wettbewerbsfähig." Deutschland müsse sich nun fit machen für die elektrische Welt. "Und da haben wir ein bisschen gepatzt, denn dazu bräuchte man natürlich einen starken Heimatmarkt. Deutschland müsste heute der Hauptmarkt für teure Elektrofahrzeuge sein. Aber das ist China. Und deshalb haben wir da mit Sicherheit einen strukturellen Nachteil, den es jetzt aufzuholen gilt. Dafür ist noch Zeit, aber wir sollten jetzt anfangen."

Der Massenmarkt fehlt

Das Problem ist allerdings: Premiumautos wollen sich nur wenige Bundesbürger leisten. Journalistin Christina Kunkel von der "Süddeutschen Zeitung" kommt folglich auf den wichtigen Massenmarkt zu sprechen. In diesem Segment sei in Deutschland verschlafen worden, was in China passiert sei. "Man dachte, man könnte von Deutschland aus die ganze Welt beliefern, und die Welt will auf Jahr und Tag nur deutsche Verbrenner haben. Dabei hat man nicht gesehen, dass China schon sehr lange dabei war zu sagen: Wir machen eine eigene Strategie, und wir gehen mit einer neuen Technologie heran."

Der Ex-VW-Chef weist diesen Vorwurf zurück. Die deutsche Autoindustrie habe sehr genau auf die Entwicklung in China geschaut. Überrascht habe ihn jedoch die Dynamik, mit der die Volksrepublik sehr schnell einen Rückstand von drei oder vier Jahren aufgeholt habe, obwohl es dort eigentlich keine richtige Industriestrategie gegeben habe.

Die habe es sehr wohl gegeben, sagt Kunkel, und Autoexperte Stefan Bratzel stimmt ihr zu. "China hat schon vor zwanzig Jahren angefangen, sich diese Rohstoffe zu sichern, die Weiterverarbeitung, die Technologie aufzubauen." China habe andere Mittel gehabt, damit sich die Bevölkerung dort Elektroautos kaufen kann. "Vor allem: Sie haben sie erst mal gebaut."

"Wir müssen E-Autos lieben"

Deutschland habe auch die Innovationsfähigkeit beim Batteriebau unterschätzt, kritisiert Autoexperte Bratzel. In Deutschland habe man Batteriezellfabriken fünf bis sieben Jahre zu spät gebaut. Auch da sei China schneller gewesen. Das rächt sich jetzt, sagt auch Kunkel: "Es sieht nicht so aus, dass wir mit der Batteriezellproduktion in Deutschland in den nächsten ein oder zwei Jahren große Stückzahlen hätten. Was natürlich auch damit zusammenhängt, dass die Elektromobilität hier allgemein nicht ins Rollen kommt."

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Die europäischen Unternehmen hätten sich bei der Batteriezellproduktion zurückgehalten, weil sie die hohen Investitionen gescheut hätten, erklärt Diess. Auch er sagt: "Wir brauchen die Chinesen hier in Europa. Alleine werden wir es nicht schaffen." Kunkel stimmt ihm zu: "Die Relevanz, die in Zukunft die deutsche Autoindustrie noch haben wird, entscheidet sich zum großen Teil in China."

Bis vielleicht auf bestimmte Kernsegmente. Womit man wieder bei Premiumfahrzeugen wäre. "In Deutschland werden fast nur noch teure Autos hergestellt", sagt Diess. Sein Rat: "Wir müssen nun in der elektrischen Welt darstellen, dass wir bessere Autos bauen können. Das werden wir nur schaffen, wenn wir sie mögen, wenn wir sie lieben, wenn wir sagen, wir bauen die besten Elektrofahrzeuge der Welt." Diese Autos müssten auch auf dem Heimatmarkt verkauft werden. Dazu müssten die hier produzierten Autos in Maßen gefördert werden. Und dazu gehöre auch eine schnelle Ladeinfrastruktur. "Wir dürfen uns nicht eingraben und sagen: Wir haben verloren. Das ist noch nicht der Fall. Wir haben noch nicht verloren."

Quelle: ntv.de

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