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Kein Wort zur AfD Noch schweigt Meloni zum Wahl-Beben in der EU

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Vor einem großen "Grazie"-Schriftzug zeigte Giorgia Meloni sich am frühen Montagmorgen dankbar.

Vor einem großen "Grazie"-Schriftzug zeigte Giorgia Meloni sich am frühen Montagmorgen dankbar.

(Foto: IMAGO/ZUMA Press)

Die rechte Partei der italienischen Ministerpräsidentin Meloni hat bei der Europawahl zugelegt. Meloni freut sich, hält sich aber weiter bedeckt, was die Wiederwahl von Kommissionspräsidentin von der Leyen betrifft. Das hat auch mit der Französin Le Pen zu tun.

Es war eine offenkundig erfreute, gleichzeitig aber sehr besonnen wirkende Giorgia Meloni, die heute Morgen um 02.00 Uhr vor ihren Wählern und Unterstützern erschien. Erfreut zeigte sich die italienische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der rechtsnationalen Partei Fratelli d’Italia (FdI), über ein Wahlergebnis, das mit 28,8 Prozent der Stimmen einen deutlichen Zuwachs darstellt. Das gilt vor allem im Vergleich zur Europawahl 2019, als die FdI noch eine kleine Partei war und lediglich auf 6,5 Prozent kam. Es gilt aber auch im Vergleich zu den Parlamentswahlen im September 2022: Jetzt waren es noch einmal fast drei Prozentpunkte mehr als damals.

Besonnen erschien ihre Haltung zu den Ergebnissen in den anderen EU-Staaten. Bisher hat Meloni genau genommen noch gar keinen Kommentar dazu abgegeben. In der Wahlnacht sagte sie nur: "Ich bin stolz, dass diese Nation in Europa und beim G7-Gipfel mit der stärksten Regierung in der EU auftritt. Das ist eine große Genugtuung und gleichzeitig eine große Verantwortung."

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Zu Hause hat Meloni keine Konkurrenz

Mit keinem Satz würdigte Meloni den Sieg des französischen Rassemblement National von Marine Le Pen, den Erfolg der österreichischen FPÖ oder auch das Ergebnis der deutschen AfD. Auch das politische Erdbeben, das die Wahlen in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Belgien ausgelöst haben, erwähnte sie mit keinem Wort. Warum das so ist, warum sich Meloni bis jetzt nur auf das Ergebnis in Italien konzentriert, hat mehrere Gründe.

Erstens: Bei sich zu Hause hat sie nichts zu befürchten. Der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) ist zwar unter der Führung von Elly Schlein mit 24 Prozent im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2022 um fünf Punkte gewachsen, bleibt auch zweitstärkste Partei im Land. Aber der PD stellt angesichts der chronischen Zerstrittenheit im Mitte-Links-Lager keine Gefahr dar. Dasselbe gilt für Melonis Koalitionspartner, Lega und Forza Italia (FI), auch sie sind keine Gefahr. Eher eine Fußnote ist, dass FI, die Partei des vor einem Jahr gestorbenen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, mit 9,7 Prozent die Lega überholt hat, die auf 9,1 Prozent kommt. Das mag auch mit dem zunehmend rechts positionierten Vorsitzenden Matteo Salvini zu tun haben.

Le Pen und Meloni: Verbündete oder Konkurrentinnen?

Ganz anders sieht es, zweitens, in der EU für Meloni aus. Da geht es um künftige Allianzen, beziehungsweise neue Fraktionen im EU-Parlament; außerdem geht es um die Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der Rat der Staats- und Regierungschefs muss von der Leyen vorschlagen, gewählt wird sie im Europaparlament. Die Frage lautet nach der Wahl wie vor der Wahl: Welche Richtung wird Meloni nun einschlagen? Wird sie von der Leyens Wiederwahl unterstützen und sich damit an die Europäische Volkspartei (EVP) annähern oder nicht?

Und, drittens, fast noch wichtiger: Es geht um Melonis gefährlichste Konkurrentin Marine Le Pen. Wie wird sich die Beziehung zwischen den Parteien dieser beiden Frauen entwickeln? Sieht Meloni Le Pen als Freundin oder als Feindin? Auf dem Titel der britischen Wochenzeitung "The Economist" sah man Meloni schon zwischen von der Leyen und Le Pen. Die Überschrift lautete: "Die drei Frauen, die Europa gestalten werden." Bislang gehörte Melonis Partei der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer an, die politisch zwischen der christdemokratisch-konservativen EVP und der Fraktion Identität und Demokratie steht, der Le Pens Partei angehört, und aus der die AfD kürzlich rausgeworfen wurde.

Ein Dreierbündnis zwischen von der Leyen, Meloni und Le Pen ist ausgeschlossen: Von der Leyen hat eine Zusammenarbeit mit den Rechtsradikalen ausgeschlossen, nicht aber mit Meloni, weil (oder wenn) diese für Europa, für die Ukraine und für den Rechtsstaat stehe. Das kann Meloni schmeicheln, bringt sie aber noch mehr in die Pflicht, Farbe zu bekennen.

Unterstützung gegen Kommissionsposten?

Le Pen und ihr ID-Partner Matteo Salvini haben geschworen, niemals für eine Wiederwahl der scheidenden EU-Kommissionspräsidentin zu stimmen. Auch Meloni hatte sich zuletzt eher auf Distanz zu von der Leyen begeben, was aber nicht als Bruch verstanden werden sollte. Ein Spitzenpolitiker von Melonis Partei sagte, man werde im Interesse Italiens handeln.

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Meloni selbst bleibt vage. Am Morgen sagte sie in einem Radiointerview, statt über die politischen Erdbeben in Berlin und Paris zu sprechen, solle man lieber auf die geringe Wahlbeteiligung europaweit und nicht nur in Italien - wo gerade einmal 49,7 Prozent der Bürger wählen gingen - schauen. Dies sei der Beweis, dass die Bürger die EU als "fern und realitätsfremd empfinden", sagte sie. Brüssel müsse eine pragmatischere und nicht ideologische Politik machen, jedenfalls keine "verrückte" Politik wie im Fall des Green Deals. Melonis Motto lautet: EU nur, wenn nötig, ansonsten mehr nationale Politik.

Wie gut Melonis Karten sind, werden die Verhandlungen zwischen den Staats- und Regierungschefs sowie im Europäischen Parlament zeigen. Eine Variante: Meloni unterstützt die Wiederwahl von der Leyens, wenn Italien im Gegenzug einen strategischen Kommissionsposten bekommt.

Quelle: ntv.de

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