Wirtschaftstalk bei Illner Habeck: "Wir haben vieles richtig gemacht, aber immer zu spät"
06.12.2024, 06:35 Uhr Artikel anhören
Habeck würde das Lieferkettengesetz entschärfen und somit gerade kleine Unternehmen entlasten.
(Foto: ZDF und Svea Pietschmann)
Am Donnerstagabend ist Wirtschaftsminister Robert Habeck zu Gast bei Maybrit Illner im ZDF. Er gibt sich selbstkritisch, glaubt aber weiterhin, Antworten auf die Herausforderungen der kommenden Zeit zu haben. Auch auf die Präsidentschaft von Donald Trump.
Es ist nicht viel Neues, was Bundeswirtschaftsminister Habeck am Donnerstagabend bei Maybrit Illner im ZDF fordert. Es klingt wie ein Vermächtnis, fast schon ein Abgesang. Dennoch hat Habeck einige Ideen, wie Deutschland die wirtschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre bestehen könnte. Das Ganze wirkt wie ein Mix aus dem Koalitionsvertrag der Ampelparteien und dem Wahlprogramm der Grünen.
Habeck bekräftigt zwar, dass er sich das Amt des Bundeskanzlers zutraut, für das ihn seine Partei vor einigen Wochen nominiert hat. Doch er kennt die aktuellen Umfragen. Viel Selbstbewusstsein strahlt er an diesem Abend nicht aus. Man könnte fast meinen, Habeck fürchtet gar, nicht mal einen Ministerposten zu bekommen. Zu viele der vollmundigen Ampelversprechen hat die Koalition am Ende nicht oder nur schlecht umgesetzt. Das sagt Habeck selbst: "Wir haben vieles richtig gemacht, aber immer zu spät und immer zu wenig."
An der aktuellen Wirtschaftssituation in Deutschland trägt die Ampelkoalition sicher nicht die alleinige Schuld. Aber Habeck scheint erkannt zu haben: Die Politik hätte die Wirtschaft besser unterstützen können. Stattdessen steht Deutschland jetzt vor Herausforderungen, die fast unlösbar scheinen: Die Wirtschaft brummt nicht mehr, Jobs werden abgebaut. Michael Hüther, der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), fürchtet für das kommende Jahr eine Arbeitslosenquote von 6,6 Prozent. Die Zahl der Arbeitslosen könnte die Drei-Millionen-Grenze überschreiten.
Was die Politik in der nächsten Zeit unternehmen muss, um Deutschland wieder fit zu machen, weiß Habeck. Seine Vorschläge widerspiegeln zugleich das Scheitern der Ampelregierung in wichtigen Fragen.
Habeck hofft auf Zustimmung der Union
Am liebsten wäre es Habeck, wenn seine Vorschläge noch vor den Wahlen am 23. Februar umgesetzt würden. An die Opposition im Bundestag appelliert er: "Was wäre denn, wenn man sich hinstellen würde und sagen, das waren nicht meine Gesetze, trotzdem habe ich vier oder fünf Dinge mit durchgewunken. Ich glaube, das würde belohnt werden." Natürlich weiß Habeck: Ein Entgegenkommen der Unionsparteien zur Umsetzung seiner Vorschläge ist unwahrscheinlich. "Ich gebe die Hoffnung zwar nicht auf, aber die wird wahrscheinlich nicht erfüllt werden", sagt der Minister.
Vor allem brauche es jetzt einen Abbau der Bürokratie, fordert Habeck. Zum Beispiel beim Lieferkettengesetz. Da müssen die einzelnen Unternehmen sich darum kümmern, nicht mit Partnern zusammenzuarbeiten, die Produkte von Kindern oder von Menschen herstellen lassen, die unter unwürdigen Bedingungen arbeiten. Gerade kleine Unternehmen können das nicht stemmen, für sie ist der bürokratische Aufwand zu groß. "Wenn wir weiterkommen wollen, können wir diese Berichtspflichten auch ein bisschen regionaler und digitaler machen. Aber wenn wir wirklich weiterkommen wollen, dann über Verantwortung", sagt Habeck. Das könnte bedeuten: Man überlässt es den deutschen und europäischen Unternehmen, mit wem sie zusammenarbeiten. Damit würde ein wichtiger Teil des Lieferkettengesetzes ausgesetzt. "Das ist der richtige Weg, wenn wir Bürokratie loswerden wollen. Dann geht es nur fundamental über persönliche Verantwortungsübernahme", so Habeck.
Und Hüther geht sogar noch einen Schritt weiter: Die nächste Regierung solle sich mehr um Deregulierung kümmern, fordert er. Er nennt ein Beispiel. "Wir haben in der Bauwirtschaft ein großes Produktions- und Leistungsproblem." Gleichzeitig sei der Bau von Häusern und Wohnungen zu teuer. "Wir sollten die Struktur der Manufakturbauwirtschaft, die wir jetzt haben, anders denken. Und dazu muss auch der Staat seinen Beitrag leisten", so Hüther. Er fordert: Die Bauregeln müssen leichter werden.
"Die Veränderungen in der Wirtschaft sind so dramatisch, dass wir neu ansetzen müssen. Wir müssen das deutsche Wirtschafts- und Erfolgsmodell neu denken. Wir müssen uns nochmal neu erfinden", fordert Habeck. Dazu müssten innovative Unternehmen aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden. Habeck will, dass "Grundkomponenten der Substanz der Volkswirtschaft auch hier in Europa produziert werden." Dazu brauche es staatliche Anschubfinanzierungen. Auch die Infrastruktur müsse gefördert werden, fügt Hüther hinzu. Er fordere schon seit mehreren Jahren einen Infrastruktur- und Transformationsfonds, mit dem nicht nur klimaeffiziente Verkehrssysteme, sondern auch die Digitalisierung finanziert werden solle.
Habeck: Mit Investitionen in Forschung Trump kontern
Eine neue Regierung müsse sich auch der sozialen Herausforderungen annehmen, mit denen viele Bundesbürger zu kämpfen haben, sagt Habeck. So fordert der Minister eine Mietpreisbremse, günstige Verkehrsangebote und günstigen Strom.
Und schließlich sei da noch die Herausforderung Donald Trump, der Zölle auf europäische und chinesische Produkte einführen wolle. Darauf könne man mit eigenen Zöllen antworten, sagt Habeck. "Eine zweite Möglichkeit ist, dass Europa wettbewerbsfähiger wird, dass wir in Europa und vor allem in Deutschland wieder mehr ins eigene Land investieren, dass wir unsere Infrastruktur schier machen."
Europa müsse neue Produkte herstellen. Darum müsse man auch in die Forschung investieren, fordert Habeck. "Darum geht es: dass wir kein Museum verwalten, sondern die nächste Zukunft schaffen. Und das schließt Klimatechnologien mit ein." Statt an alten Technologien wie Kohlekraftwerken oder dem Verbrennermotor festzuhalten, müsse sich Europa auf die Entwicklung von künstlicher Intelligenz oder klimafreundlicher Technologien konzentrieren.
Quelle: ntv.de