Politik

Geheime NSU-Berichte geleakt Hessischer Verfassungsschutz stellt Strafanzeige

Neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin starben durch den Terror des NSU.

Neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin starben durch den Terror des NSU.

(Foto: imago/Hartenfelser)

Die Weitergabe von geheimen NSU-Berichten bleibt nicht ohne Folgen: Das Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen stellt eine Strafanzeige gegen Unbekannt. Eine NSU-Opferanwältin attestiert ihrerseits dem Verfassungsschutz des Landes ein "Komplettversagen".

Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen hat nach der Veröffentlichung von geheimen NSU-Berichten Strafanzeige gestellt. Die Strafanzeige sei wegen der unrechtmäßigen Weitergabe von als Verschlusssachen eingestuften Dokumenten gegen Unbekannt gestellt worden, teilte die Behörde in Wiesbaden mit. Das hessische Landeskriminalamt befasse sich nun mit den Ermittlungen.

Die Plattform "Frag den Staat" und das "ZDF Magazin Royale" von Jan Böhmermann hatten die Dokumente veröffentlicht und ins Internet gestellt. Die Strafanzeige des LfV richtet sich nur gegen die unrechtmäßige Weitergabe der Dokumente und nicht gegen die Veröffentlichung.

Das Landesamt für Verfassungsschutz betonte, dass die Dokumente zwei Untersuchungsausschüssen des hessischen Landtags vollständig vorgelegen haben. Auch die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission Verfassungsschutz hätten jederzeit die Möglichkeit, die Aktenprüfungsberichte einzusehen. Die Dokumente seien zudem dem Bundeskriminalamt, der Generalbundesanwaltschaft sowie dem hessischen Landeskriminalamt zur Verfügung gestellt worden.

Rechtsanwältin zeigt sich schockiert

Die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz vertrat im Münchener NSU-Verfahren die Familie von Enver Simsek, dem ersten Mordopfer des NSU.

Die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz vertrat im Münchener NSU-Verfahren die Familie von Enver Simsek, dem ersten Mordopfer des NSU.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz kritisierte indes den hessischen Verfassungsschutz scharf und sprach von einem "Komplettversagen" der Behörde. "Man ist Hinweisen nicht nachgegangen, man hat nichts getan", sagte Basay-Yildiz. Für sie sei es ein Schock gewesen, zu sehen, dass es entgegen der öffentlichen Behauptungen dabei nicht etwa um Quellenschutz gegangen sei.

In einer Vielzahl der gesammelten Informationen sei es um Waffen- sowie Sprengstofferwerb und -besitz von Rechtsextremisten gegangen. Daraufhin habe es aber offenbar keine weiteren Ermittlungen gegeben. "Es war für mich ein Schock", sagte Basay Yildiz, die im Münchner NSU-Verfahren die Familie von Enver Simsek vertrat. Der am 9. September 2000 ermordete Blumenhändler war das erste Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU gewesen.

Die sogenannten NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes sind Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU untersucht hatte. Um sie gibt es seit Jahren Streit. Die Akten waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Mehr als 130.000 Menschen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert.

Der NSU hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer der Rechtsterroristen waren neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin.

Quelle: ntv.de, lar/dpa

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