Frankreich rückt nach rechts Le Pens Popstar heißt Jordan Bardella


Im Wahlkampf ein Herz und eine Seele: Le Pen und Bardella.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Er ist jung, charismatisch und hat algerisch-italienische Wurzeln. All das macht Jardon Bardella zum Überflieger in Le Pens rechtspopulistischer Partei RN. Er ist der beliebteste Politiker Frankreichs. Dabei helfen ihm Halbwahrheiten über seine Kindheit in einem armen Vorort von Paris.
Ein adrett gezogener Seitenscheitel, haselnussbraune Augen und Grübchen, die ein schneeweißes Lächeln umspielen: Auf Fotos sieht Jordan Bardella gut aus. Er ist das neue Gesicht der Rechtspopulisten in Frankreich. Gerade einmal 28 Jahre ist er alt und bereits seit knapp zwei Jahren Vorsitzender des rechtsextremen Rassemblement National (RN). Die Partei feiert Bardella als ihren Popstar.
Möglich gemacht hat diese steile Karriere seine politische Ziehmutter Marine Le Pen, die ihn nach der Neuwahl im Juli im Amt des Premierministers sehen möchte. Bardella in die vorderste Reihe des RN zu stellen, war ein kluger Schachzug Le Pens. Er macht die Partei massentauglich. In Interviews bleibt Bardella inhaltlich vage, aus seinem Migrationshintergrund schlägt er politisches Kapital - neben bürgerlichen Schichten überzeugt er auch junge Franzosen, ihr Kreuz beim RN zu machen.
Auf Tiktok folgen Bardella 1,6 Millionen Menschen. Im jährlichen Ranking der beliebtesten Franzosen des "Journal du dimanche" lag Bardella 2023 auf Platz 30. Damit ist er der beliebteste Politiker Frankreichs, noch vor Premierminister Gabriel Attal auf Platz 57. Laut Umfragen will mehr als ein Drittel der Franzosen bei den Neuwahlen am 30. Juni und 7. Juli den RN wählen.
"Wirtschaftlich bin ich vernünftig"
Auch im französischen Fernsehen ist Bardella mittlerweile gern gesehener Gast. Dabei überlässt er nichts dem Zufall. Alles choreografiert er durch, bis hin zur Kleidung. Bei Auftritten überprüft er immer wieder, ob die Bügelfalten seiner Hose noch sitzen. Bardella trägt bei offiziellen Terminen nur noch Anzüge der niederländischen Marke Suit Supply, die, auch wegen ihrer günstigen Preise, bei rechten Jugendlichen beliebt ist. Das vermittelt neben Selbstvertrauen auch Bodenständigkeit. Ein weiterer Kniff, um sich volksnah zu geben.
Rhetorisch setzt Bardella auf einfache Worte und schlagkräftige Formeln. Inhaltlich ist er ein Wendehals. Vor wenigen Tagen distanzierte er sich von den Wahlversprechen des RN, die Rentenreform Macrons zurückzunehmen. "Wirtschaftlich bin ich vernünftig", sagte Bardella dazu. Das passt zu Le Pens Ratschlag, den sie ihm kurz vor seinem Amtsantritt als Parteivorsitzender gegeben haben soll: "Sei korrekt."
Politisch korrekt ist Bardella freilich nicht. Schon seit einiger Zeit bemüht er sich, gemäßigt aufzutreten. Dabei entlarven frühere Äußerungen seine Vorliebe für rechtsextreme Verschwörungserzählungen. Er soll von identitären Ideen sogar noch begeisterter sein als Le Pen. Mehrere französische Medien berichteten bereits vor Jahren, wie Bardella bei Auftritten Verschwörungstheorien verbreitete. Bardella glaubt demnach an den "großen Austausch" - ein rechtsradikaler Kampfbegriff, mit dem die Einwanderung von Nichtweißen auf eine Verschwörung zurückgeführt wird: Die weiße Mehrheitsbevölkerung in westlichen Staaten soll so angeblich ersetzt werden.
Bardella fordert Migranten zur Assimilation auf
So referierte Bardella im Mai 2022 auf der CPAC, dem Treffen der amerikanischen Konservativen, über einen "Ansturm auf Europa" aus Afrika. Einige Wochen später fabulierte er in diesem Zusammenhang im südfranzösischen Cavaillon über die "Frage der Zivilisation" und die Unsicherheit, die sich deshalb "wie die Metastasen eines Krebsgeschwürs" ausbreiten würde. Inzwischen vermeidet Bardella den Begriff "großer Austausch". Le Pen hat das Wort verboten. Es passt er nicht mehr zum neuen Image des anschlussfähigen RN mit dem dynamischen Bardella an der Spitze.
Bardella verbreitet rechtsextreme Parolen, obwohl er selbst ein Kind italienischer Einwanderer ist. Sein Vater hat sogar zum Teil algerische Wurzeln. Rund um seine Herkunft hat Bardella einen Mythos gesponnen. Aufgewachsen ist er in Seine-Saint-Denis, einem ärmlichen Arbeitervorort von Paris. Seine Mutter sei nach der Scheidung alleinerziehend gewesen, sagt Bardella. Als Hilfskraft in einer Vorschule habe sie nur wenig Geld verdient und mit ihm in einer Sozialwohnung gelebt. Oft erzählt Bardella die Anekdote, er habe sich auf dem Weg von der Schule nach Hause unsicher gefühlt, weil im Treppenhaus Drogendealer herumlungerten.
Er stilisierte sich zum Überlebenden, der seinem gefährlichen Zuhause entfloh, aus einer Siedlung, die von Drogenkriminalität und dem radikalen Islam beherrscht wird. Ein Ort, den er "nicht hassen kann", aber sehr wohl verurteilt. "Ich mache Politik für all das, was ich dort erlebt habe. Damit es nicht zum Zustand in ganz Frankreich wird. Denn was dort passiert, ist nicht normal", sagte Bardella.
Die Geschichten über seine Kindheit nutzt Bardella für eine stark verkürzte Botschaft: Nur wer sich in Frankreich assimiliert - wie er und seine Vorfahren - darf an der Gesellschaft teilhaben. Die Generation seiner Eltern habe "hart gearbeitet und Frankreich geliebt". Nachfolgende Generationen sollten sich ein Beispiel nehmen und "nicht von diesen Anstrengungen befreit werden". Diese Botschaft verfängt auch im migrantischen Milieu in Frankreich, das Bardella wesentlich zugeneigter ist als den RN-Vorsitzenden vor ihm.
Bardellas Vater finanzierte ihm die Privatschule
Auch Le Pen schlachtet Bardellas politische Karriere für ihre Zwecke aus. Ihr Nachname ist für sie mittlerweile zum Fluch geworden. Schließlich steht ihr Vater Jean-Marie Le Pen für die antisemitische und offen rechtsextreme Fundamentalopposition der Partei in ihren Anfangsjahren. Er gründete den RN 1972. Seine Tochter übernahm 2011 den Vorsitz, bevor sie ihn an Bardella übergab. Die Radikalisierung ihres Vaters stand Le Pens Ziel im Weg, Präsidentin zu werden. Sie schloss ihn deshalb 2015 aus der Partei aus. Indem sie Bardella im November 2022 auf den Thron hievte, gab sie sich als Förderin eines aufstrebenden Einwanderer-Kindes aus armen Verhältnissen aus.
In diesem Mythos werden jedoch wichtige Details über Bardellas Kindheit verschwiegen. Sein Vater war laut Medienberichten wohlhabend genug, um ihn auf eine Privatschule zu schicken. Er ließ die Mutter demnach mit der Erziehung nicht völlig im Stich. Bardella besuchte seinen Vater an Wochenenden und jeden Mittwoch in der wohlhabenden Gemeinde Montmorency. Ihm wurde dort sogar eine Wohnung zur Verfügung gestellt.
An Bardellas 18. Geburtstag flog sein Vater mit ihm nach Miami und schenkte ihm sein erstes Auto, einen Smart. Seinem Vater gehörte ein Unternehmen, das Getränke- und Süßwarenautomaten betrieb. Für diese Firma arbeitete Bardella im Sommer - außerhalb der Politik ist das der einzige Job, den er je gemacht hat. Auch sein Studium brach er ab, um sich ganz dem RN zu widmen.
Bereits mit 16 Jahren wurde er Mitglied der Partei, die damals noch "Front National" hieß. Mit 22 Jahren wurde Bardella einer von drei Parteisprechern. 2019 ernannte ihn Le Pen zum Spitzenkandidaten bei den Europawahlen. Dann folgte der Parteivorsitz. Und Bardella visiert schon die nächste Stufe auf der Karriereleiter an, sollte der RN bei der Neuwahl die Mehrheit holen: Premierminister Frankreichs.
Quelle: ntv.de