SPD-Chef über Karlsruhe-Urteil "Kann Triumphgeheul der Union nicht nachvollziehen"


Klingbeil fordert "grundlegende Gespräche" in der Ampelkoalition.
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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Einhaltung der Schuldenbremse wertet SPD-Chef Lars Klingbeil als "Herausforderung für die Politik insgesamt". Die Ampel werde einen gemeinsamen Weg finden und "über vieles grundlegend reden müssen". Der Union wirft Klingbeil eine destruktive Haltung vor.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat die Reaktion der Union auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse scharf kritisiert. "Ich kann das Triumphgeheul der Union nicht nachvollziehen", sagte Klingbeil der Nachrichtenseite ntv.de. "Auch die Haushalte von CDU-geführten Ländern wie NRW oder Schleswig-Holstein könnten damit vor Probleme gestellt werden." Klingbeil wertete das Verdikt aus Karlsruhe als "Herausforderung für die Politik insgesamt, für den Bund, aber auch für die Länder".
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts war es nicht rechtens von der Bundesregierung, für Corona-Hilfen aufgenommene Sonderkredite für den Klimatransformationsfonds (KTF) umzuwidmen. Dem Topf, der Geld für den Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität, für Infrastrukturprojekte und Fördergelder zum Heizungstausch bereitstellt, fehlen damit schlagartig 60 Milliarden Euro, die der Bund noch 2021 unter der pandemiebedingten Ausnahme von der Schuldenbremse am Markt geliehen hatte.
"Feixende Jungs von der Union"
Der SPD-Chef forderte CDU und CSU zu einem konstruktiven Umgang mit dem Urteil auf. "Die Union kann sich vielleicht darüber freuen, dass sie einen juristischen Punkt errungen hat", sagte Klingbeil. Die "wirtschaftspolitische Dimension dieses Urteils und die politischen Herausforderungen" würden aber alle politischen Ebenen im Land betreffen und damit auch CDU und CSU. "Es bringt überhaupt nichts, wenn die Jungs von der Union darüber feixen." Es gelte nun eine neue Grundlage dafür zu finden, "die notwendigen Investitionen in die ökonomische Stärke unseres Landes zu tätigen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich den klimaneutralen Wandel leisten können".
Klingbeil verteidigte das grobe Festhalten am bisherigen Fahrplan zur Fixierung des Bundeshaushalts 2024. "Klar ist, dass wir den Haushalt im Dezember verabschieden wollen, damit dann auch alles geregelt seinen Weg gehen kann ab 1. Januar 2024." Aus der Union hatte es Forderungen gegeben, das Verfahren noch einmal zu öffnen. "Parallel wird an einem neuen Wirtschaftsplan für den Klima- und Transformationsfonds gearbeitet. Ich will die Situation nicht schönreden, trotzdem glaube ich, dass wir als Ampel die Kraft haben, das hinzukriegen." Einen genauen Zeitplan, bis wann die künftige Finanzierung der KTF-Projekte stehen soll, gibt es noch nicht.
"Über vieles grundlegend reden"
Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP müssen nun unter großem Zeitdruck Wege finden, um vorgesehen Projekte anderweitig zu finanzieren oder bereits geplante Vorhaben streichen. Da die FDP jedwede Form von Steuererhöhungen zur Gegenfinanzierung von Investitionen ablehnt, steht die Regierungskoalition einmal mehr vor einer Zerreißprobe. Alle Beteiligten bekundeten aber seit Bekanntwerden des Urteils am Mittwochvormittag ihre Entschlossenheit, einen gemeinsamen Weg zu finden. Die Streichungen betreffen insbesondere Vorhaben aus dem Haus von Robert Habeck, dem grünen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
"Für mich ist wichtig, dass wir jetzt nicht aufhören, dieses Land zu modernisieren", sagte Klingbeil mit Blick auf die weggefallenen Investitionsmittel. Die Bundesregierung müsse ihre Kraftanstrengungen fortsetzen, "damit Deutschland ein starker Industriestandort bleibt und durch Investitionen in den Klimaschutz neue Jobs hier entstehen". Klingbeil kündigte intensive Gespräche innerhalb des Dreierbündnisses an: "Darüber werden wir in der Koalition mit der Regierung, mit den Fraktionen und mit den Parteien die Köpfe zusammenstecken. Wir werden über vieles grundlegend reden müssen."
Unklar, aber möglich, dass die SPD zumindest hinter den Kulissen doch noch auf eine Erhöhung der Staatseinnahmen dringt. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hatte am Donnerstag im ZDF vorgeschlagen, etwa Subventionen zu streichen.
Quelle: ntv.de