Erneute Bund-Länder-Runde Länder hadern, doch Experten fordern Maßnahmen
09.12.2021, 16:08 Uhr
Eine Woche nach einem Bund-Länder-Gipfel sitzen die Regierungschefs erneut zusammen. Doch die Signale sind abwartend, große Beschlüsse dürfte es nicht geben. Dabei drängeln nicht nur Experten, auch die Kommunen fordern langfristige Konzepte.
Bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) der Bundesländer zeichnen sich keine neuen weitreichenden Beschlüsse ab. Allerdings brachten mehrere Länderchefs neue Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ins Spiel - und Experten fordern eine schnelle Reaktion angesichts hoher Fallzahlen. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst, der der MPK vorsitzt, sprach sich im Vorfeld für eine Medikamenten-Strategie aus. "Es gibt immer mehr Medikamente, die in der Zulassung sind, die verfügbar werden. Auch darüber würde ich gerne heute diskutieren", sagte der CDU-Politiker in der ARD. "Wir brauchen eine von Bund und Ländern abgestimmte Medikamenten-Strategie."
Gleichzeitig riet Wüst von größeren Reisen zu Weihnachten im In- und Ausland ab. "Nicht alles, was man darf, ist auch klug", sagte er, und fügte hinzu: Da "wäre ich eher zurückhaltend". Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil kündigte derweil an, in der Länderrunde über Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte nach Weihnachten sprechen zu wollen. Es komme darauf an, was Herr Weil sich unter einer solchen Weihnachtsruhe vorstelle, sagte Wüst dazu. "Ich bin offen für das Gespräch."
Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder wollen auf der virtuellen MPK über eine breite Themenpalette sprechen. Corona dürfte dabei auch eine Rolle spielen, allerdings hatten sich Bund und Länder erst in der vergangenen Woche über neue Corona-Maßnahmen geeinigt. Gleichzeitig ist es die erste Länder-Runde nach dem Regierungswechsel im Bund. Der neue Kanzler Olaf Scholz soll um 16:30 Uhr den Ländervertretern zugeschaltet werden.
Bremen lehnt allgemeinen Lockdown ab
"Wir haben uns verabredet, dass wir jetzt erst gucken wollen, ob die neuen Änderungen am Infektionsschutzgesetz reichen", sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow der "Rheinischen Post" und dem "General-Anzeiger". Er äußerte sich skeptisch zu möglichen weiteren Kontaktbeschränkungen. Selbst bei Geimpften sage der Impfstatus "nichts" darüber aus, "ob jemand nicht doch das Virus weitergeben kann". Er sei für Testen und ein "konsequentes Anwenden der 2G-Plus-Regel". Gleichzeitig will Ramelows Bundesland aber die Corona-Regeln für besonders schwer von der Pandemie betroffene Regionen verschärfen.
Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte nannte einen erneuten allgemeinen Lockdown den falschen Weg. Wer Geschäfte, Kinos und Gaststätten flächendeckend für alle schließen wolle, der müsse auch ehrlich bekennen, dass er einen Lockdown ebenso für doppelt und dreifach Geimpfte wolle, auch wenn diese zusätzlich noch getestet seien. "Dann gäbe es gar keinen Anreiz mehr, sich impfen zu lassen", sagte Bovenschulte in einer Regierungserklärung. In Bremen ist die Corona-Lage im Vergleich zu anderen Ländern weniger dramatisch. Zudem hat das Bundesland die höchste Impfquote.
Aus der Bundespolitik kamen ebenfalls eher abwartende Signale. Bevor weitere Corona-Regeln auch für Ungeimpfte aufgestellt werden, sollten bestehende Vorgaben besser kontrolliert werden, sagte der grüne Gesundheitsexperte Janosch Dahmen in der ARD. "Wir haben jetzt im Moment vor allem ein Problem, dass wir die Maßnahmen, die grundsätzlich gelten und möglich sind, auch durchsetzen müssen", betonte er. "Es bringen die besten Regeln nichts, wenn sie dann nicht angewendet werden in der Praxis."
DIVI-Leiter fordert Vorbereitungen auf Omikron
Doch der Druck auf die Landeschefs steigt. Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis forderte von der Politik eine zügige Vorbereitung auf eine mögliche starke Ausbreitung der Omikron-Variante. "Noch wissen wir nicht, wie gefährlich Omikron ist. Wir müssen uns also auf alles einstellen", sagte Karagiannidis dem "Spiegel". Er leitet das von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) geführte Register der Intensivkapazitäten in Deutschland.
Sollten sich die ersten Untersuchungen bestätigen, wonach die Impfstoffe nicht so gut gegen Omikron wirken wie gegen vorherige Varianten, müsse die Politik schnell handlungsfähig sein, verlangte Karagiannidis. Die Intensivstationen seien bereits jetzt am Limit, warnte er. "Wir müssen jetzt mit den Inzidenzen dringend ein gutes Stück runter, damit wir für Omikron Platz haben." Er nannte einen Wert von unter 200. "Manchmal kann ich mich selbst schon nicht mehr hören", sagte Karagiannidis weiter. Die Politik habe die Delta-Welle total unterschätzt und sich im kritischsten Moment in den Bundestagswahlkampf verrannt. "Ich würde empfehlen, dass die nächste Bundestagswahl verlegt wird, sollte sie noch einmal in eine kritische Phase einer Pandemie fallen."
Die Kommunen fordern derweil eine längerfristige Strategie von Bund und Ländern zur Bewältigung der Pandemie im kommenden Jahr. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, er erwarte, "dass sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf ein nachhaltiges Konzept verständigen, wie wir die Pandemiebekämpfung auch im Jahr 2022 weiter vorantreiben wollen". Dazu zählte er die Vorbereitung auf eine möglicherweise notwendige vierte Booster-Impfung, die Organisation der Impfungen bei Kindern und die Bereitstellung und Verteilung der Vakzine sowie "ein Konzept, wie Schul- und Kita-Schließungen dauerhaft weitgehend verhindert werden können".
Mit Blick auf die aggressiven Corona-Proteste forderte Landsberg von Bund und Ländern ein klares Signal, dass Demonstrationen unter Verstoß gegen die Corona-Verordnungen oder Demonstrationen vor Privathäusern von Politikern und Politikerinnen "nicht geduldet und mit polizeilichen Mitteln konsequent verfolgt werden".
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP