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Parteivorsitzende wiedergewählt Lang und Nouripour führen Grüne in Bundestagswahl

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Omid Nouripour, Ricarda Lang und Annalena Baerbock warten auf dem Parteitag in Karlsruhe auf das zweite Wahlergebnis.

Omid Nouripour, Ricarda Lang und Annalena Baerbock warten auf dem Parteitag in Karlsruhe auf das zweite Wahlergebnis.

(Foto: dpa)

Ungeachtet einer schwierigen Lage haben die Grünen ihr Führungstrio auf dem Parteitag in Karlsruhe bestätigt. Die Vorsitzenden Lang und Nouripour sowie Geschäftsführerin Büning fahren hohe Ergebnisse ein, trotz vereinzelt geäußerter Zweifel.

Die Grünen werden auch die zweite Hälfte der Legislaturperiode mit Ricarda Lang und Omid Nouripour an ihrer Parteispitze bestreiten. Ungeachtet schwacher Umfragewerte, mehreren Landtagswahlniederlagen und einem tiefgreifenden Dissens in der Partei über den Asylkurs der Bundesregierung wurden beide Amtsinhaber mit sehr guten Ergebnissen bestätigt.

Lang erhielt mit rund 82 Prozent der Stimmen sogar rund sechs Punkte mehr als vor zwei Jahren. Nouripour kam auf 79 Prozent, hatte mit Philipp Schmagold aber auch einen Gegenbewerber. Bundesgeschäftsführerin Emily Büning erhielt 83 Prozent der Stimmen. Damit verantwortet das Trio Kurs und Vorbereitung der Grünen auf die Bundestagswahl 2025, wo die Partei weiterhin um das Bundeskanzleramt kämpfen will.

"Das waren zwei aufreibende Jahre, aber das waren die leichten Jahre, die beiden harten kommen noch", sagte Nouripour in seiner Bewerbungsrede. Es habe auch Momente des Zweifels gegeben. "Zweifel ist so oft ein guter Berater, aber Angst ist es nicht", sagte der 48-Jährige. Es habe aber auch einen Moment gegeben, "der mich fast an den Rand des Aufgebens gebracht hat". Während der iranischen Protestwelle "Frauen, Freiheit, Leben" hätten ihn Verwandte aus dem Iran gebeten, in Deutschland leiser aufzutreten, das iranische Regime weniger offensiv zu kritisieren. "Nicht alle haben das überlebt", sagte der in Teheran geborene Grüne. "Ich stehe hier und verspreche euch: Ich kann nicht leiser, ich kann nicht anders."

"Ein neues Gerechtigkeitsversprechen"

Nouripour und Lang lobten gleichermaßen ihre gute Zusammenarbeit trotz zuweilen unterschiedlicher Ansichten. Lang räumte in ihrer Bewerbungsrede Fehler ein: Ihr sei aufgefallen, dass sie in Drucksituationen "manchmal ein bisschen ins Technokratische abgedriftet" sei, sagte die 29-Jährige, mutmaßlich mit Blick auf die Debatte über das Heizungsgesetz. "In den Hintergrund getreten ist, was die Menschen umtreibt und was sie gerade fühlen." Es müsse ihr und der Partei künftig besser gelingen, Sorgen und Ängste der Menschen zu adressieren, insbesondere mit Blick auf die mittleren Einkommensschichten. "Wir brauchen ein neues Gerechtigkeitsversprechen für die gesellschaftliche Mitte", sagte Lang.

Zugleich forderte sie die Partei auf, sich nicht von der Konkurrenz zurück in eine politische Nische treiben zu lassen. "Wir werden uns nicht über Realität belehren lassen von denen, die Realitätsflucht zu ihrem politischen Prinzip gemacht haben", rief Lang. Nouripour lehnte es ab, den Koalitionspartner FDP im Bund härter anzugehen. "Wir haben sehr viel Streit und ich glaube, es ist unser aller Verantwortung, alles dafür zu tun, damit es weniger wird", sagte Nouripour und forderte mehr Frusttoleranz. Es sei "wichtiger, dass das Land vorankommt, und nicht, wie es uns damit geht".

Ein Signal nach außen

Nouripour ist als Vertreter der Realos an der Parteispitze, Lang ist die Stimme der Parteilinken. Beide waren 2021 als Nachfolger der heutigen Außenministerin Annalena Baerbock und des Wirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck zu Bundesvorsitzenden gewählt worden. Büning folgte auf Michael Kellner, den Habeck 2021 als Parlamentarischen Staatssekretär ins Bundeswirtschaftsministerium holte. Die Wahlergebnisse können als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Partei in schwierigen Zeiten die Reihen schließt, trotz Frust und Zweifel über die eigene Rolle in der Bundesregierung. Denn so gute Wahlergebnisse waren nicht unbedingt zu erwarten, das Trio ist nicht unumstritten.

Unter Lang und Nouripour musste die Partei teils schmerzhafte Landtagswahlniederlagen hinnehmen. In der Kommunikation nach außen geriet die Grünen-Spitze wiederholt hinter die Lage oder fand keinen Weg, Sorgen und Ängste der Bevölkerung - zum Beispiel mit Blick auf das Heizungsgesetz - zu zerstreuen. Auch in der Auseinandersetzung mit der politischen Konkurrenz tun sich die drei, zum Leidwesen der zu mehr Zurückhaltung verpflichteten Bundesminister, mitunter schwer, Angriffe zu kontern. Gerade Büning kann oder will die Rolle des auch mal polternden Generalsekretärs nicht ausfüllen, wie sie Kellner ausgefüllt hatte und die SPD weiterhin mit Kevin Kühnert hat.

Asyldebatte am Samstag

Die beiden Vorsitzenden wirken im Umgang mit dem seit Monaten kräftig wehenden Gegenwind für die Partei mitunter ratlos, präsentieren einander aber stets als unverdrossen fröhliches Spitzenduo. Lagerkämpfe, die bis 2019 die Partei kennzeichneten, brachen auch unter Lang und Nouripour nur selten durch. Umso auffälliger war im Frühjahr der Dissens über die Zustimmung der Bundesregierung zum Kompromiss bei der EU-Asylreform. Lang hielt es, wie auch weite Teile der Parteibasis, für falsch, dass künftig auch allein reisende Minderjährige sowie Familien mit Kindern im Rahmen von Außengrenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen in Europas Außengrenzstaaten festgehalten werden könnten.

Auch andere Asylrechtsverschärfungen wie die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten und die Erweiterung polizeilicher Befugnisse in Abschiebeverfahren lehnen viele Parteilinke ab. Beim kleinen Parteitag im Frühjahr in Bad Vilbel konnte die Parteiführung nur mit großer Mühe einen Antrag verhindern, der Außenministerin Baerbock enge Fesseln bei den weiteren Verhandlungen zur Asylreform angelegt hätte. Das Thema könnte erneut am späten Samstagabend hochkochen, wenn die Partei über die EU-Asylreform debattieren will. Die Grüne Jugend will die Grünen-Vertreter im Kabinett verpflichten, keiner weiteren Asylrechtsverschärfung in Deutschland und Europa zuzustimmen.

In Karlsruhe wählen die Grünen nicht nur ihren Vorstand sowie das erweiterte Vorstandsgremium namens Parteirat. Auf dem viertägigen Mammut-Parteitag soll auch das Europawahlprogramm festgezurrt und die Liste der Europawahlkandidaten bestimmt werden. Das spart Geld für einen gesonderten Europaparteitag, ist aber auch ein Kraftakt, der zudem die Europapolitiker mediale Aufmerksamkeit kostet. Am Donnerstag hatten die Grünen die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils debattiert. Dabei hatte Bundeswirtschaftsminister Habeck in einer mit viel Applaus bedachten Rede eine Reform der Schuldenbremse gefordert und die Union, allen voran CDU-Chef Friedrich Merz, scharf kritisiert.

Quelle: ntv.de

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