"Nicht ideal" Lauterbach kritisiert RKI für Forderungspapier
21.12.2021, 17:09 UhrWenige Stunden vor einer neuen Bund-Länder-Konferenz zur Corona-Politik fordert das Robert-Koch-Institut sofortige und "maximale" Kontaktbeschränkungen. Gesundheitsminister Lauterbach, der einen Lockdown vor Weihnachten erst gerade ausgeschlossen hatte, zeigt sich irritiert.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat den Zeitpunkt der Veröffentlichung des jüngsten Strategiepapiers des Robert-Koch-Instituts kritisiert. Zur Stunde beraten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz zur Corona-Lage. An dem Treffen nimmt auch Lauterbach teil. Aus Teilnehmerkreisen heißt es, Lauterbach habe über das RKI-Papier gesagt, das sei "nicht ideal und nicht abgestimmt" gewesen.
Die Veröffentlichung des Papiers kurz vor der Bund-Länder-Runde löste nach ntv-Informationen auch bei den Ministerpräsidenten Verwirrung aus. Mehrere Länderregierungschefs wollten von Scholz wissen, ob er sich die Warnung des RKI zu eigen mache.
Unionsgeführte Länder fordern schnelle Impfpflicht
Sachsen plädierte in der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) für einen Lockdown. In einer eigenen Beschlussvorlage, die auf einer Vorlage des Kanzleramts basiert und ntv.de vorliegt, fordern die unionsgeführten Bundesländer die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. "Die Länder bitten die Bundesregierung, die diesbezüglichen Vorbereitungen zügig voranzutreiben und kurzfristig einen Zeitplan vorzulegen." Die Ampelkoalition hat eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal beschlossen, die ab Mitte März gilt. Einen Zeitplan für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gibt es noch nicht.
Die unionsgeführten Länder fordern in der Beschlussvorlage zudem, dass die Bundesregierung bei der nächsten MPK "eine konkrete Planung" vorlegt, die "weitere Maßnahmen identifiziert, die zur Eindämmung der Verbreitung der Omikron-Variante erforderlich sind".
Das Robert-Koch-Institut hatte sein Papier wenige Stunden vor Beginn der Bund-Länder-Runde auf Twitter veröffentlicht. Das Institut fordert darin unter anderem "maximale Kontaktbeschränkungen", "maximale infektionspräventive Maßnahmen" sowie eine "Reduktion von Reisen auf das unbedingt Notwendige". Ausdrücklich weist das RKI darauf hin, dass diese Maßnahmen "sofort begonnen und bis zunächst Mitte Januar 2022 beibehalten werden sollten". Die Phase der maximierten Kontaktbeschränkungen müsse genutzt werden, um die Impfungen und die Auffrischimpfungen voranzubringen.
RKI befürchtet Überlastung des Gesundheitssystems
Weiter schreibt das RKI in dem Papier, auch wenn die Omikron-Welle in Deutschland noch am Anfang stehe, zeige der Blick ins Ausland, "dass durch diese Variante mit einer Infektionswelle von bisher noch nicht beobachteter Dynamik gerechnet werden muss". Bereits Anfang Januar könne Omikron die Mehrzahl der Infektionen und mehrere Zehntausend Infektionsfälle täglich ausmachen. Sollte diese Dynamik nicht gebremst werden, sei mit einer Überlastung des Gesundheitssystems zu rechnen. Wie der Expertenrat der Bundesregierung befürchtet auch das RKI eine Beeinträchtigung der kritischen Infrastrukturen wie Energieversorgung, Polizei und Feuerwehr durch krankheitsbedingte Ausfälle.
Lauterbach hatte einen Lockdown zu Weihnachten am Wochenende noch ausgeschlossen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zeigte sich vor Beginn der Bund-Länder-Beratungen "höchst irritiert" über die Kommunikation von Bundesregierung und RKI. Es sei "extrem unglücklich", wenn es quasi im Stundenrhythmus neue Botschaften gebe, sagte Söder am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. "Wenn sich das Ministerium und die wichtigste Behörde widersprechen, hinterlässt das mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen."
Mit Blick auf eine mit den Staatskanzleien der Länder abgestimmten Beschlussvorlage aus dem Kanzleramt für die Bund-Länder-Runde sagte Söder: "Wir wundern uns etwas, was der Bund macht." In dem Papier sind keine neuen Kontaktbeschränkungen schon zu Weihnachten vorgeschlagen, sondern eigenverantwortliche Kontaktbegrenzungen bei Familienfeiern, echte Beschränkungen dann aber "spätestens ab dem 28. Dezember".
Quelle: ntv.de, hvo/dpa