Politik

Kapitalmarkt soll Renten stützen Lindner bejubelt den "Paradigmenwechsel"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
"Ein guter sozialliberaler Kompromiss" sei das Rentenpaket, sagte Lindner im Beisein von Heil.

"Ein guter sozialliberaler Kompromiss" sei das Rentenpaket, sagte Lindner im Beisein von Heil.

(Foto: picture alliance/dpa)

Einträchtig präsentieren Bundesfinanzminister Lindner und Bundesarbeitsminister Heil ihre Rentenreform. Der Staat soll künftig Geld für die Rente am Kapitalmarkt erwirtschaften. Für FDP-Chef Lindner ist dieser "Paradigmenwechsel" nur ein erster Schritt hin zu mehr aktiengedeckter Altersvorsorge.

Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht in der Einführung einer dritten Säule zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung eine "Chance, einen gesellschaftlichen Lerneffekt einzuleiten". Mit der Einführung des Generationenkapitals seien "künftig 35 Millionen Beitragszahler am Kapitalmarkt engagiert, die es bisher nicht sind", sagte Lindner bei der gemeinsamen Vorstellung des Rentenpakets II an der Seite von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in Berlin. Der FDP-Vorsitzende sprach von einem "echten Paradigmenwechsel". Deutschland steige ein in die teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente. "Es ist überfällig, dass wir die Chancen der Kapitalmärkte auch für die gesetzliche Rentenversicherung nutzen."

Die Bundesregierung will mit Haushaltsmitteln das sogenannte Generationenkapital mit einem Kapitalstock von rund 200 Milliarden Euro aufbauen, den eine regierungsunabhängige Stiftung am Kapitalmarkt anlegen und dessen Rendite ab Mitte der 2030er-Jahre in die Finanzierung der gesetzlichen Rente fließen soll. Das Vorhaben stößt zum Teil auf Kritik, weil das Anlagekapital in Form von Staatsanleihen finanziert wird - in der Annahme, dass die Renditen langfristig deutlich höher sind als die Kreditkosten.

Um 0,3 Prozentpunkte geringerer Rentenbeitrag

Kritiker brandmarken den Plan wahlweise als zu teuer und riskant, wenn sich der Staat als Anleger betätigt. Anderen geht er zur Finanzierung der gewaltigen Rentenlücke nicht weit genug. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat errechnet, dass auch mit dem Generationenkapital im Jahr 2035 rund 34 Milliarden Euro fehlen werden, wenn das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent der durchschnittlichen Löhne bleiben soll. Lindner verwies darauf, dass schon jetzt mehr als 100 Milliarden Euro Bundesmittel in die gesetzliche Rentenkasse fließen, weil die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu deren Finanzierung nicht ausreichen. "Das ist fast ein Viertel des gesamten Etats", sagte Lindner. 2024 wird der Bund rund 480 Milliarden Euro ausgeben.

Das Generationenkapital in seiner geplanten Form "führt zu einer Senkung des Rentenversicherungsbeitrags von 0,3 Prozentpunkten", sagte Lindner. Er liegt derzeit bei 18,6 Prozent, könnte aber nach den Prognosen der Bundesregierung schon 2035 auf 22,3 Prozent steigen, wenn das Rentenniveau und das Renteneintrittsalter unverändert bleiben sollen. Lindner hofft daher langfristig, die Tür geöffnet zu haben zu einer umfassenderen Kapitalmarktfinanzierung der Altersvorsorge. Er und Heil kündigten zudem an, noch in diesem Jahr eine Reform der betrieblichen und privaten Altersvorsorge vorzulegen, die auch riskantere und potenziell gewinnträchtigere Altersvorsorgemodelle unterstützt. Die prognostizierte Beitragserhöhung könne durch gute Arbeitsmarktpolitik und innovative Modelle zur Finanzierung der Rentenversicherung abgewendet werden.

"Ein riesiger Kraftakt für unser Land"

SPD-Politiker Heil sagte ebenfalls, das Generationenkapital werde die Steigerung der Beitragssätze abbremsen helfen. "Ich finde, das ist eine intelligente Form langfristiger Zukunftsvorsorge", sagte Heil. "Etiketten mit 'Zockereien' und 'kurzfristigen Spekulationen' sind ja nicht die Wahrheit, sondern das ist langfristig gut angelegtes Geld." Das Generationenkapital alleine werde aber nicht reichen, das Rentenniveau und das Renteneintrittsalter niedrig zu halten. Beides sei aber wichtig: "Wenn die Jüngeren von heute immer mehr einzahlen und nichts mehr rausbekommen, dann brechen wir den Generationenvertrag." Das habe unabsehbare Folgen.

Mehr zum Thema

"Die wesentliche Schlacht ist am Arbeitsmarkt", sagte Heil. Angesichts des demografischen Wandels brauche es mehr Weiterqualifizierung, mehr Aktivierung von Frauen und älteren Arbeitnehmern sowie Fachkräftegewinnung im Ausland, um auch in Zukunft genügend Beitragszahler zur Finanzierung der gesetzlichen Rente zu haben. Bis 2035 müssten 7 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ersetzt werden, die in Rente gehen. "Die Zahl ist erst mal erschreckend groß", sagte Heil. "Das wird ein riesiger Kraftakt für unser Land."

"Kein Arbeitsplatz, der von einem Angehörigen der Babyboomer-Generation verlassen wird, weil er oder sie in Rente geht, darf dauerhaft unbesetzt bleiben", warnte auch Lindner vor den Folgen sowohl für den Wirtschaftsstandort Deutschland als auch für die Finanzierung der Sozialsysteme. Er und Heil betonten, es brauche mehr Anreize für freiwillige Arbeit über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus. Beide würden hierzu Gespräche mit Gewerkschaften und Arbeitgebern führen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen