Politik

Inzidenz als Maß aller Dinge Merkel sägt vorsichtig an der 35

Die Zielmarke kam für viele urplötzlich, nun wird sie schon wieder aufgeweicht: Weil eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35 bei steigenden Infektionszahlen kaum mehr zu erreichen ist, erwägt die Kanzlerin nun, bei Öffnungsschritten auch einen weiteren Faktor zu berücksichtigen: Massentests.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich offen dafür gezeigt, neben dem 35er-Inzidenzwert auch weitere Faktoren zur Voraussetzung für Lockerungen zu machen. Konkret nannte sie Schnelltests als möglichen "Puffer", um Öffnungen trotz höherer Fallzahlen zu erlauben. "Grundsätzlich kann ein solcher Schnelltest zeigen, dass jemand an genau dem Tag nicht infiziert ist, oder umgekehrt, dass jemand, obwohl noch symptomlos, bereits infiziert und auch ansteckend ist", erklärte Merkel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ). Eine "intelligente Öffnungsstrategie" sei mit umfassenden Schnelltests - also dem sogenannten Freitesten - untrennbar verbunden. Beim Bund-Länder-Gipfel am 3. März wolle sie mit den Ministerpräsidenten und -präsidentinnen darüber beraten.

Dass zu einem Zeitpunkt über Lockerungen diskutiert werde, an dem die Infektionszahlen wieder steigen, hält die Kanzlerin nicht für einen Widerspruch. Die Situation sei eine andere als noch im November, so die CDU-Politkerin. "Heute haben wir wegen der Impfstoffe und der Aussicht auf umfassende Testmöglichkeiten eine andere Lage als im letzten Jahr." Merkel warnte mit Blick auf die sich ausbreitenden Mutanten aber auch davor, zu schnell zu viel zu wollen. "Bis in einigen Monaten durch die Impfungen die sogenannte Herdenimmunität erreicht ist, ist es mein Ziel, so vorzugehen, dass wir nicht immer wieder aufmachen und dann wieder zu", so die Kanzlerin.

Schon jetzt seien Schulen und Kitas in den meisten Ländern wieder geöffnet. Am 1. März dürfen bundesweit auch Friseure wieder den Betrieb aufnehmen - und in einigen Bundesländern kommen Baumärkte, Gartencenter und Fahrschulen noch hinzu. "Die Auswirkungen all dieser Öffnungen müssen wir jetzt genau beobachten", so Merkel. "Sie zeigen sich frühestens zehn Tage später." Sollte die Inzidenz in einigen Regionen dennoch weiter unter der Marke von 35 Infektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen bleiben, hält die Kanzlerin auch lokale Lockerungen für sinnvoll - allerdings mit einer Einschränkung: dem Einzelhandel. "In einem Landkreis mit stabiler Inzidenz von 35 kann es möglich sein, alle Schulen zu öffnen, ohne dass es im Verhältnis zu anderen Landkreisen mit höherer Inzidenz und noch nicht geöffneten Schulen zu Verwerfungen kommt", so Merkel. "Bei Geschäften kann das schwieriger werden."

Kein Zeitplan "auf dem Reißbrett"

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Die Sorge der Kanzlerin vor einem möglichen Shopping-Tourismus aus Nachbarregionen ist groß. Und auch für die Hotellerie rät Merkel eher zu einem bundesweit abgestimmten Öffnungsplan. "Über grundsätzliche Abläufe, Priorisierungen und ein auch regional differenzierteres Vorgehen" könne man aber sprechen, sagte sie der "FAZ". Generell gebe sie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit seiner Absage an einen konkreten Zeitplan recht. "Es kann und wird nicht den einen Plan mit exakten Daten gleichsam wie auf dem Reißbrett geben", sagte Merkel. "Wir müssen immer flexibel sein." Unabhängig von konkreten Terminen wolle sie eine Reihenfolge erarbeiten, "unter welchen Voraussetzungen welcher Bereich geöffnet werden kann und soll".

Einen entsprechenden Plan hatte sie bereits am Montag in der CDU-Präsidiumssitzung vorgestellt. Er sieht Öffnungsschritte in drei verschiedenen Strängen vor. "Ein Strang betrifft die Frage, wie man die derzeit strengen persönlichen Kontaktbeschränkungen lockern kann", so Merkel. "Ein zweiter Strang betrifft den Bildungsbereich, um auch die höheren Klassen in die Schulen zurückzuholen und Berufsschulen sowie Universitäten wieder zu öffnen. Ein dritter Strang betrifft die Geschäfte, Restaurants und Hotels, Kultureinrichtungen und den Sport in Gruppen." Am 3. März soll Kanzleramtschef Helge Braun mit den Ländern, die teils auch eigene Öffnungspläne beschlossen haben, ein gemeinsames Vorgehen abstimmen.

Quelle: ntv.de, jug

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