Politik

Hoffnung auf RentenmehrheitMerz schickt Spahn zur Bewährung durch die Fraktion

28.11.2025, 15:45 Uhr b58b01e6-b3b2-4108-ace9-39b8c6dbd390Hubertus Volmer
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In Einzelgesprächen versucht Unionsfraktionschef Spahn (r.) derzeit, eine Mehrheit für das Rentenpaket zu organisieren. Bundeskanzler Merz muss er nicht überzeugen. (Foto: picture alliance / dts-Agentur)

Bundeskanzler Merz sieht "begründete Hoffnung", dass auch die Gruppe der jungen Abgeordneten dem Rentenpaket der Koalition zustimmt. Organisieren muss die Mehrheit für den Gesetzentwurf Fraktionschef Spahn.

Die drei sehen zuversichtlich aus - aber woraus schöpfen sie ihre Zuversicht? Es sei anstrengend gewesen, habe aber auch "Freude gemacht gestern Abend", sagt Bundeskanzler Friedrich Merz am Vormittag über den sechsstündigen Koalitionsausschuss, der erst gegen zwei Uhr morgens zu Ende gegangen war. "Die Koalition ist arbeitsfähig und entschlossen, die Probleme dieses Landes zu lösen."

SPD-Chef Lars Klingbeil ergänzt, die Gespräche im Koalitionsausschuss seien "immer konstruktiv, immer von einem Miteinander geprägt" gewesen. Und der CSU-Vorsitzende Markus Söder, stets ein zuverlässiger Lieferant von pointierten Einschätzungen, erklärt das informelle Gremium zum "Kompetenzzentrum für Entscheidungen", das "einige dicke Brocken abgeräumt" habe.

Am Rentenpaket der drei Bundesregierung soll allerdings nichts geändert werden. "Wir schlagen den Koalitionsfraktionen vor, diesen Gesetzentwurf in der nächsten Woche zu verabschieden", so Merz. Auf Wunsch der SPD werde der Gesetzentwurf nicht verändert, aber es gebe zusätzlich einen Entschließungsantrag, "der sich im umfassenden Sinne äußert zu den Notwendigkeiten einer Reform".

Nur zwölf Stimmen

Merz betont, die SPD sei der Union beim Verbrenner-Aus entgegengekommen, aber es darf bezweifelt werden, ob die Junge Gruppe in der Unionsfraktion das honorieren will. Ihnen ist vor allem die von der SPD durchgesetzte Stabilisierung des Rentenniveaus über das Jahr 2031 hinaus ein massiver Dorn im Auge.

Die Mütterrente der CSU lehnen die jungen Abgeordneten zwar ebenfalls ab - die kritisieren sie jedoch nicht so laut. Das liegt auch daran, weil der Streit im Kern einer um eine Formalie ist: Die Jungen sagen, der Gesetzentwurf aus dem Haus von Arbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas gehe über die Verabredungen im Koalitionsvertrag hinaus. SPD und Unionsspitze bestreiten das. Beides, Mütterrente und Rentenniveau bei 48 Prozent, bilden zusammen mit der sogenannten Frühstartrente und der Aktivrente das Rentenpaket.

Die relativ knappe Mehrheit der Koalition von zwölf Stimmen sorgt dafür, dass Union und SPD sich nicht viele Abweichler leisten können. Nicht nur der Entschließungsantrag soll die Junge Gruppe motivieren, dem Gesetz zuzustimmen: Söder verspricht, die Junge Gruppe werde "eine zentral prägende Rolle" in der Rentenkommission bekommen, sie werde dort "aktiv entscheiden" können. Merz deutet an, dies könne einer der Vizevorsitzposten sein. Damit wäre tatsächlich erheblicher Einfluss verbunden.

"Wir meinen es ernst"

Die Stärkung der privaten Altersvorsorge kann zudem als weiteres Zugeständnis an die Renten-Kritiker gesehen werden: Die Dividenden eines Zehn-Milliarden-Euro-Aktienpakets des Bundes sollen genutzt werden, um private Vorsorge der jungen Generation zu fördern. Klingbeil zufolge rechnet die Koalition bisher mit einem Betrag von "grob" 400 Millionen Euro.

Offen ist, ob den jungen Abgeordneten das alles reicht. Der Unmut unter ihnen ist weiterhin groß, auch nach einem Treffen mit dem Kanzler und Fraktionschef Jens Spahn am Morgen. Merz habe ihnen keine Gespräche angeboten, sondern Disziplin verlangt, heißt es. Auch in der Pressekonferenz blitzt für einen Moment die Forderung nach Folgsamkeit auf. Der Bundeskanzler sagt zunächst, er rechne mit breiter Zustimmung in der Unionsfraktion und "dass wir das nächste Woche gut entscheiden". Auf die Frage nach seinem Optimismus sagt Merz: "Es ist nicht nur Bauchgefühl, sondern es ist die begründete Hoffnung, … dass die Kollegen sehen, dass wir es ernst meinen."

Spahn muss die Mehrheit organisieren

Faktisch schiebt Merz die Verantwortung damit auf Spahn. Der Fraktionsvorsitzende muss dafür sorgen, dass die Mehrheit steht. Zur Not mit dem Hinweis, dass hintere Plätze auf Landeslisten nicht so gut sind wie vordere.

Dabei gäbe es durchaus inhaltliche Gründe, die ein Einlenken der Jungen Gruppe rechtfertigen würde. Immerhin drückt Merz mächtig auf die Tube: Die Rentenkommission wird noch in diesem Jahr eingesetzt, bis Mitte 2026 soll sie Ergebnisse vorliegen, auf deren Basis die Koalition eine umfassende Reform des Altersversorgungssystems "auf den politischen Weg" bringen will. "Nächstes Jahr um diese Uhrzeit" werde die Koalition in der Schlussphase ihrer Beratungen für ein Gesamtpaket über die Altersversorgung sein, kündigt der Kanzler an.

Klappen wird das allerdings nur, wenn Spahn die Mehrheit für den Kanzler organisiert. Das hat bislang nicht immer geklappt - Kritiker des Unionsfraktionsvorsitzenden erinnern gern an die abgesagte Wahl der Verfassungsrichterin, die erst im zweiten Anlauf mit einer neuen Kandidatin über die Bühne gehen konnte. Auch wird - zu Recht oder zu Unrecht - Spahns Name genannt, wenn Gerüchte über eine etwaige Minderheitsregierung der Union kolportiert werden. Auch der Rentenstreit innerhalb der Union konnte nur eskalieren, weil Spahn "den Widerstand in seiner Truppe offenkundig nicht energisch genug nach oben gemeldet" hat, wie der "Stern" kürzlich schrieb.

Normalerweise ist es der Job des Chefs der größten Regierungsfraktion, dem Bundeskanzler den Rücken freizuhalten. Ob Spahn das auch so sieht, ist nicht immer klar. Vor gut zehn Tagen sagte er dem "Tagesspiegel", Merz habe "sehr deutlich gemacht", dass über das Rentenpaket in der Koalition noch zu reden sein wird. Es klang, als schiebe Spahn die Verantwortung Richtung Kanzler, nicht zum ersten Mal. Im Sommer hatte er Merz' Entscheidung, Rüstungsexporte an Israel einzuschränken, "vertretbar" genannt. Mit einer Mehrheit für das Rentenpaket könnte der Fraktionschef seinen angekratzten Ruf aufpolieren.

Quelle: ntv.de, mit AFP

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