Politik

Rentenstreit geklärt?Merz schreitet voran, aber das Eis bleibt dünn

28.11.2025, 12:13 Uhr RTL01231-1Volker Petersen
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Stimmt die Junge Gruppe jetzt für die Rentenreform oder nicht? Das ist immer noch offen. (Foto: REUTERS)

Nach dem Koalitionsausschuss zeigt sich Kanzler Merz zuversichtlich im Rentenstreit mit der Jungen Gruppe. Er glaubt an eine breite Zustimmung seiner Fraktion. Nach allem, was bekannt ist, wäre das eine Überraschung.

Ist der Kanzler wirklich so zuversichtlich oder tut er nur so? Bis spät in die Nacht hatte sich Friedrich Merz mit Markus Söder, Lars Klingbeil und Bärbel Bas zurückgezogen - und nun präsentieren sie Ergebnisse, allerdings ohne die SPD-Chefin, die zeitgleich im Bundestag spricht. Nach dem Koalitionsausschuss ist gegenseitiges Schulterklopfen angesagt: Die Koalition sei "arbeitsfähig", konstatiert der Bundeskanzler. Sie sei "handlungsfähig" schwärmt der SPD-Chef. Sie habe "dicke Brocken abgeräumt", frohlockt der bayerische Ministerpräsident.

Wirklich? Das Verbrenner-Aus wollen sie lockern, das ist das eine. Hybrid-Motoren und Range-Extender sollen auch nach 2035 erlaubt bleiben, dafür wollen sie sich gemeinsam in Brüssel einsetzen. Der Kauf von E-Autos soll wieder gefördert werden. Aber der eigentliche "dicke Brocken" ist der Rentenstreit - und ob der wirklich abgeräumt ist, das ist nun die Frage. Am Gesetzentwurf soll nichts mehr geändert werden. Darin stecken die Aktivrente, die Mütterrente, die Frühstartrente - und der große Streitpunkt, die Haltelinie. Bis 2031 soll die das Rentenniveau bei 48 Prozent halten.

Was denn nun?

Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion stemmt sich seit Monaten dagegen, wegen der hohen Kosten in den 2030er Jahren. Sie will das Rentenniveau 2031 auf 47 Prozent sinken lassen. Was nicht zu sinkenden, sondern zu langsamer steigenden Renten führen würde. Das sind die Fakten.

Aber es geht hier um Politik und da geht es auch um Fragen wie: Wer hat die Mehrheit? Wer setzt sich durch? Merz zeigt sich betont zuversichtlich. Dabei hat er noch gar keine Zusage der Rentenrebellen. Es gab wieder einmal Gespräche, sicher nicht die ersten, aber die Fraktion soll erst am kommenden Dienstag entscheiden, wie sie sich dazu stellt. Unionsfraktionschef Jens Spahn hat also noch ein paar Tage Zeit, junge Abgeordnete ins Gebet zu nehmen - oder unter Druck zu setzen, je nach Wahrnehmung. Ist das Problem also nur vertagt? Und was, wenn die Fraktion nächste Woche immer noch nicht mitzieht?

In politischen Ämtern müsse man zuversichtlich sein, dass die Dinge gelingen, sagt Merz. Was ein bisschen nach Prinzip Hoffnung klingt. Es sei mehr als ein "Bauchgefühl", was ihn zu dieser Auffassung bringe, versichert der Kanzler. Er habe die "begründete Hoffnung", dass die Kollegen sehen, "dass wir es ernst meinen". Hier schwingt durchaus ein bisschen von dem Druck mit, den Spahn in diesen Tagen ausübt. Trotzdem ist Stand jetzt weiter offen, wie die Jungen Abgeordneten stimmen werden.

Immerhin, der Kanzler steht nicht mit leeren Händen da. Auch wenn sich am Gesetzentwurf kein Komma ändert, verspricht er neues Tempo für den Reformprozess. Die geplante Rentenkommission soll bis Mitte 2026 Ergebnisse vorlegen, dann soll es schnell Gesetze geben. Nächstes Jahr um diese Zeit werde man in der Schlussphase der Beratungen für ein neues Paket der Gesamtversorgung sein. Der Plan: Betriebsrenten und private Vorsorge sollen gestärkt werden.

Junge Gruppe hat einiges erreicht

Ursprünglich sollte das alles viel länger dauern, bis in die nächste Wahlperiode, wie Merz wirbt. Das ist zweifellos ein Erfolg der Jungen Gruppe und der Jungen Union. Und nicht der einzige: Mit ihrem Aufstand haben sie eine breite Debatte ausgelöst. Die Rentenkommission hat nun Druck, schnell Ergebnisse zu liefern. Ein ewiges "Weiter so" wie bisher wird die Unionsfraktion wohl nicht mehr mittragen. Dafür haben zu viele offen oder verdeckt Sympathien für die Junge Gruppe und ihre Argumente geäußert.

Die Pläne für die Kommission sollen noch einmal in einem ausführlichen Entschließungsantrag niedergeschrieben werden. Das ist ein langes Papier, über das der Bundestag abstimmen soll. Das Problem dabei: Rechtlich verbindlich ist das nicht. Deswegen reicht das der Jungen Gruppe nicht. Auch die Aussicht auf einen stellvertretenden Vorsitz in der Kommission konnte sie bisher nicht umstimmen. Dass sie die gesamte Koalition wackeln lassen, sehen sie nicht so. Sie fordern Argumente in der Sache und misstrauen offenbar der SPD und der Kommissionsarbeit. Gerade deshalb betonte Merz, er habe "das Vertrauen in die Führung der SPD, dass wir diesen Weg gemeinsam miteinander gehen, und ich hoffe, dass das Vertrauen auch von den Kolleginnen und Kollegen geteilt wird". Da ist es wieder, das Prinzip Hoffnung.

Und nun sollen die Jungen zustimmen? Einfach so? Im Moment ist schwer vorstellbar, wie die Junge Gruppe das dann begründen will. So zuversichtlich Merz auch ist - das Eis, auf dem er nun voranschreitet, bleibt dünn. "Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist", sagen die Amerikaner. Gewonnen hat Merz erst, wenn die Abstimmung durch ist.

Quelle: ntv.de

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