
Maaßen bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit Thilo Sarrazin kurz vor der Bundestagswahl im thüringischen Suhl.
(Foto: dpa)
Der frühere Verfassungsschutzchef Maaßen erregt mit Interview-Äußerungen den Unmut von Parteifreunden - wieder einmal. Forderungen nach einem Parteiausschlussverfahren werden laut. Doch es gibt auch Widerspruch.
Das neue Jahr beginnt für die CDU mit einem alten Streit: Kann und soll Hans-Georg Maaßen noch Mitglied der selbsternannten Volkspartei der Mitte sein? Anlass für das Aufflammen der Diskussion ist ein Interview des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Am Neujahrswochenende äußerte er darin "den Anfangsverdacht", dass die Corona-Pandemie genutzt werden solle, um den Staat autoritärer und weniger freizumachen. Dabei berief er sich auf das Buch "Covid-19: Der große Umbruch" von Klaus Schwab und Thierry Malleret, das in rechtsextremen Kreisen als Beweis für entsprechende Verschwörungstheorien gesehen wird.
Ein Schnipsel des Interviews kursiert seitdem in sozialen Medien und führte zu empörten Reaktionen bis in die CDU hinein. So forderten etwa Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, und der frühere Generalsekretär Ruprecht Polenz ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen. Prien twitterte auf Französisch "Ça suffit", auf Deutsch so viel wie: "Es reicht", und fügte die Hashtags #Maaßen und #Parteiausschlussjetzt hinzu. Auf die Frage eines Followers schrieb sie, sie werde ein Ausschlussverfahren fordern.
Polenz schrieb bei Twitter: "Bei ihrer Erneuerung muss die @CDU nicht nur deutlich machen, was sie will, sondern auch, was sie nicht mehr will. Der Parteiausschluss von #Maassen ist überfällig." Als Reaktion auf Priens Tweet schrieb er: "Das Fass ist längst übergelaufen." Polenz hatte auch schon früher ein Parteiausschlussverfahren gefordert, etwa als Maaßen im Sommer eine Art Gesinnungstest für "Tagesschau"-Redakteure gefordert hatte. Polenz und andere werfen Maaßen vor, inhaltlich am rechten Rand zu fischen und AfD-Programmatik mit CDU-Etikett zu propagieren. Bei der Bundestagswahl hatte er als Direktkandidat in Thüringen kandidiert, blieb aber mit 22 Prozent der Erststimmen 11 Prozentpunkte hinter SPD-Kandidat Frank Ullrich zurück.
Tino Sorge gegen Parteiausschlussverfahren
Vom Vorstand der Partei reagierte bis zum Nachmittag niemand, auch nicht der designierte Parteichef Friedrich Merz. Gegenüber ntv.de sprach sich aber der CDU-Abgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge gegen ein Parteiausschlussverfahren aus. Dieses "würde ihm nur neue mediale Aufmerksamkeit bescheren. Es sollte um die Sache gehen. Eine derartige Bühne zur Selbstdarstellung zu bieten, hielte ich als CDU derzeit für wenig hilfreich."
Die Methode Maaßens sei durchschaubar: "Er provoziert, testet Grenzen aus und feiert sich dann als Märtyrer, der vermeintlich mundtot gemacht werden soll. Als große Volkspartei müssen wir uns allerdings auch mit solchen Meinungen auseinandersetzen." Maaßen suche Aufmerksamkeit in Kreisen, die fernab der CDU liegen. "Wer dubiose Appelle für ein 'Impfverbot' verbreitet, mag das im Rahmen seiner freien Meinungsäußerung tun. Er sollte aber auch überlegen, ob er der Diskussion in dieser Art und Weise einen Gefallen tut." Maaßen hatte zuletzt einen Aufruf auf seinem Twitter-Account weitergeleitet, die Corona-Impfungen zu verbieten. Im Sommer rückten mehrere CDU-Politiker von ihm ab, weil er antisemitische Inhalte weitergeleitet hatte.
In dem Interview am Neujahrswochenende griff Maaßen eine rechtsextreme Verschwörungstheorie auf: "Da habe ich den Anfangsverdacht, dass das, was Klaus Schwab in seinem Buch 'Die große Transformation' geschrieben hat, hier umgesetzt werden soll: Wir wollen das hier als Vorwand nutzen, Covid, um diesen Staat in einer Weise zu gestalten, wie wir es wollen, mit weniger Freiheiten, mit mehr Autorität und wo wir den Menschen vorschreiben können, wie sie zu leben haben."
In ihrem Buch "Covid-19: Der große Umbruch" fordern Klaus Schwab und Thierry Malleret, die Corona-Pandemie dazu zu nutzen, die Weltwirtschaft zugunsten von mehr Nachhaltigkeit und klimafreundlichen Wirtschaftens umzugestalten. Schwab ist Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos. Sein Buch basiert auf Vorträgen, die er dort hielt.
Wink an Rechtsextreme
Schwab und seinem Ansinnen schlug Skepsis und Misstrauen von Linken entgegen, die nicht glaubten, dass Konzerne und Großunternehmer tatsächlich ein Interesse an einer solchen Umgestaltung haben könnten. Nach und nach wurde das Buch aber auch von Rechtsextremen wahrgenommen und als Plan "der Elite" gedeutet, die Welt umzugestalten. Es wird behauptet, die Corona-Pandemie sei nur ein Werkzeug dafür. Nicht die Eindämmung des Virus sei das eigentliche Ziel, sondern die dauerhafte Umgestaltung des Staates unter linken oder gar kommunistischen Vorzeichen.
Die Personalie Maaßen sorgt seit Langem für Streit in der Union. Sie zeigt auch, was für Kräfte an der Partei zerren. So gibt es einige Landesverbände, insbesondere in Thüringen, aber auch im Westen, etwa in Baden-Württemberg, in denen manche mit einem Rechtsruck der Partei liebäugeln. In Thüringen etwa stimmte die CDU-Fraktion 2020 im Landtag mit der AfD, um einen FDP-Politiker zum Ministerpräsidenten zu wählen. In Baden-Württemberg wurde die Werteunion gegründet, die ähnliche Positionen wie die AfD vertritt. Nach der Regierungskrise in Thüringen zog sich die damalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer von der Parteispitze zurück. Ihr Nachfolger Armin Laschet vermied es daraufhin, klar Stellung zu Maaßens Kandidatur bei der Bundestagswahl zu beziehen. Der künftige Parteichef Friedrich Merz hatte im Sommer nicht ausgeschlossen, mit Maaßen Wahlkampf zu machen. Es ist eine der spannenden Fragen, wie er als Parteichef mit der Personalie Maaßen umgehen wird.
Laschet hatte betont, dass es hohe Hürden für ein Parteiausschlussverfahren gebe. In Paragraf 11 des Parteistatuts heißt es dazu: "Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung der Partei oder erheblich gegen deren Grundsätze oder Ordnung verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt." Als parteischädigendes Verhalten gilt es beispielsweise, "in Versammlungen politischer Gegner, in deren Rundfunksendungen, Fernsehsendungen oder Presseorganen gegen die erklärte Politik der Union Stellung" zu nehmen. Auf Twitter hatte Maaßen etwa über Angela Merkel geschrieben: "Sie zählte sicherlich zu den schlechtesten deutschen Regierungschefs! Der Schaden, den sie angerichtet hat, ist gewaltig." Ob Maaßen solche zur Last gelegt werden könnte, müsste ein Parteigericht entscheiden.
Quelle: ntv.de