Politik

Prozess gegen Franco A. beginnt Oberleutnant mit Todesliste

Bundeswehr-Soldaten bei einer Übung.

Bundeswehr-Soldaten bei einer Übung.

(Foto: imago images/Björn Trotzki)

Von diesem Donnerstag an steht Franco A. vor Gericht. Der Bundeswehrsoldat soll als Flüchtling getarnt Mordanschläge geplant haben. Durch die Ermittlungen flogen rechte Netzwerke auf, in denen auch weitere Soldaten aktiv waren.

Heiko Maas stand auf seiner Liste, ebenso Claudia Roth und Anetta Kahane. Eine Liste von möglichen Mordopfern, so mutmaßt der Generalbundesanwalt, hat der Oberleutnant der Bundeswehr Franco A. geführt. Der damalige SPD-Justizminister, die Bundestagsvizepräsidentin von den Grünen, die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, die unter Rechtsextremen für ihre Integrationsarbeit verhasst ist - sie alle waren offenbar Gegner in den Augen des Soldaten, und er hatte sie ins Visier genommen.

Anfang 2017 wurde Franco A. verhaftet, als er im Wiener Flughafen eine dort deponierte Waffe abholen wollte, geladen mit sechs Schuss Munition. Von diesem Donnerstag an muss sich der mutmaßliche Terrorist wegen der "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat" vor Gericht verantworten.

Die Waffe hatte sich der Soldat den Ermittlungen zufolge im Sommer 2016 in Paris gekauft. Wenige Tage zuvor hatte er die Berliner Tiefgarage von Kahanes Stiftung ausspioniert. In jenen Tagen trainierte er auch mit einem Gewehr samt Zielfernrohr das Schießen. Die Vorbereitungen waren weit gediehen, doch kam es nicht zum Mordanschlag.

Die Ermittler sollen auf einen Flüchtling stoßen

Ein möglicher Grund für die Verzögerung: Der Oberleutnant will nicht nur das Attentat begehen, sondern womöglich auch sicherstellen, dass die Ermittler schnell einen vermeintlichen Erfolg vorweisen können. Könnte die Polizei nach dem Anschlag Fingerabdrücke sichern, so soll sie beim Abgleich wohl auch fündig werden: in einer Kartei des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Offenbach.

Die Abdrücke des mutmaßĺichen Attentäters hätten dann denen eines syrischen Flüchtlings mit dem Namen David Benjamin entsprochen. Der ist Ende Dezember 2015 nach einer dramatischen Flucht über die Balkanroute nach Bayern gekommen, so sagt er damals. Der Vater umgebracht, er selbst von der Terrormiliz Islamischer Staat verfolgt. Doch seine Anhörung vor dem Bamf in Offenbach kommt erst ein knappes Jahr später zustande.

Dort berichtet der bärtige Mann von seiner Flucht aus einem kleinen Dorf bei Aleppo. Er lässt Fingerabdrücke nehmen, erklärt sein schlechtes Arabisch damit, dass er ein französischsprachiges Gymnasium besucht und seine Familie französische Wurzeln habe. Die Beamtinnen und Beamten überzeugt er. Das Büro, in dem er das tut, liegt fußläufig entfernt von dem Haus, in dem er in Wirklichkeit aufgewachsen ist: mitten in Offenbach.

Mit Schuhcreme im Bart

Der vorgeblich syrische Flüchtling David Benjamin ist in Wirklichkeit niemand anderes als der deutsche Bundeswehrsoldat Franco A. - im Gesicht hat er Make-Up, im Bart schwarze Schuhcreme. Die Beamten merken nichts. Als Benjamin bekommt er eine Aufenthaltsgenehmigung und entsprechende Bezüge.

Als ihn die Polizei zwei Monate später auf der Wiener Flughafentoilette festsetzt, wo er in einem Schacht nach der dort deponierten Waffe gefingert hat, ahnt noch niemand, welche Terrorpläne und Netzwerke rund um den Verhafteten bei den Ermittlungen zum Vorschein kommen werden. Und tatsächlich lehnt das Frankfurter Oberlandesgericht es 2018 ab, ein Hauptverfahren zu eröffnen. Es sieht den Vorwurf geplanter Attentate nicht als hinreichend belegt an.

Ein Jahr später entscheidet der Bundesgerichtshof anders. Die Ermittlungen bringen ans Licht, dass die gefälschte Identität als Flüchtling Benjamin nur Teil eines Puzzles ist, das sich rund um die Umtriebe des Soldaten A. zusammensetzen lässt - viele der Puzzleteile deuten auf Rechtsradikalismus in der Bundeswehr.

So finden sich auf Franco A.s Smartphone Chatgruppen, die Teil eines Netzwerks sind, das sich um den Elitesoldaten André S. organisiert. S. gehört zum Kommando Spezialkräfte (KSK), ausgebildet für härteste Einsätze. Sich selbst nennt S. "Hannibal", er lässt in verschiedenen Chats Vorbereitungen für den sogenannten "Tag X" diskutieren. Am "Tag X" könnte aus Sicht vieler Rechter die öffentliche Ordnung zusammenbrechen, beispielsweise aufgrund eines Flüchtlingsstroms nach Deutschland. Das Kommando wollen dann sie übernehmen.

Der KSK-Standort sollte ein "Safe House" werden

Der Übergang zwischen Preppertum, also der Vorbereitung auf einen möglichen Ausnahmezustand, und der Planung eigener Terrorattacken, um diesen Zustand herbeizuführen, sind fließend. Recherchen der "taz" haben Teile des Netzwerks und deren Strategien offen gelegt. Offenbar gab es Planungen, den KSK-Standort Calw in Baden-Württemberg als Rückzugsort, als sogenanntes Safe House, für den Ernstfall zu übernehmen und dort Waffen und Munition zu besorgen.

Das KSK rückt immer stärker ins Zentrum der Ermittlungen zu rechten Umtrieben in der Bundeswehr. Im Sommer 2020 kündigt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an, die Eliteeinheit zu reformieren. "Hannibal" ist da seit beinahe einem Jahr nicht mehr bei der Bundeswehr. Seine Verpflichtung als Zeitsoldat ist ausgelaufen. Wegen unerlaubtem Waffenbesitz muss er eine Geldstrafe zahlen.

Anders Franco A.: Bis heute gehört er der Bundeswehr an, die Ausübung des Dienstes ist ihm allerdings verboten. Im Strafverfahren drückt die Beweislast schwer. Neben den mutmaßlichen Anschlagsplänen fanden die Ermittler heraus, dass er mehr als 1000 Schuss Munition gehortet hat und in einer 2013 verfassten Masterarbeit in Frankreich antisemitische Positionen vertrat. Auch Äußerungen wie "Hitler steht über allem" sind unter den Beweismitteln. A. hat über die Jahre etliche Sprachdateien mit dem Handy aufgenommen. Ein Terrorist sei ein "Freiheitskämpfer zur Herstellung einer gerechten Welt".

In Interviews, unter anderem mit der "New York Times", hat der mutmaßliche Terrorist immer wieder erklärt, die syrische Identität habe er nur angenommen, um damit aufzuzeigen, wie durchlässig das von der Bundesregierung installierte System zur Aufnahme von Flüchtlingen gewesen sei. Die geladene Waffe vom Wiener Flughafen will er gefunden haben. Wird er in den Anklagepunkten für schuldig befunden, drohen ihm mehrere Jahre Haft.

Quelle: ntv.de

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