US-Journalist ist Geisel Putin will in Deutschland inhaftierten Mörder freipressen
09.02.2024, 05:10 Uhr Artikel anhören
Gershkovich nach einem Gerichtstermin in Moskau. Der 33-jährige Reporter wurde im März 2023 in Russland verhaftet.
(Foto: dpa)
Seit bald elf Monaten sitzt der US-amerikanische Journalist Evan Gershkovich in Russland im Gefängnis, die Staatsanwaltschaft wirft ihm Spionage vor. Im Interview mit Tucker Carlson deutet Kreml-Chef Putin an, dass er freigelassen werden könnte - allerdings zu einem hohen Preis.
Russlands Präsident Wladimir Putin gibt sich im Fall des in russischer Untersuchungshaft sitzenden US-Journalisten Evan Gershkovich gesprächsbereit. "Ich schließe nicht aus, dass Herr Gershkovich in sein Heimatland zurückkehren wird", sagte Putin in dem Interview mit dem US-Talkmaster Tucker Carlson, das in der Nacht veröffentlicht worden ist. "Es macht keinen Sinn, ihn in Russland im Gefängnis zu halten."
Die USA sollten darüber nachdenken, wie sie zu einer Lösung beitragen könnten, sagte der Kremlchef - und deutete die Möglichkeit eines Gefangenenaustauschs an. "Wir sind gesprächsbereit." Es gebe bereits jetzt einen ständigen Dialog zwischen den zuständigen Stellen in den USA und Russland. "Wir sind bereit, das Problem zu lösen, aber es gibt bestimmte Bedingungen, die zwischen den Geheimdiensten diskutiert werden. Ich glaube, dass eine Einigung erzielt werden kann", so Putin. Seine Äußerungen ließen sich so interpretieren, dass eine Freipressung des im Dezember 2021 verurteilten Tiergarten-Mörders Vadim K. gemeint sein könnte, der in Deutschland zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. K. hatte 2019 in Berlin einen Georgier erschossen, mutmaßlich im Auftrag des Kremls.
WSJ: Aussagen Putins "ermutigend"
Das "Wall Street Journal" (WSJ), für das Gershkovich bis zu seiner Festnahme in Russland recherchierte, reagierte mit einer Stellungnahme auf die Aussagen Putins. "Wir sind ermutigt, den Wunsch Russlands nach einem Deal zu sehen, der Evan nach Hause bringt", hieß es. Man hoffe, dass der Reporter schnell zu seiner Familie und in die Redaktion zurückkehren könne. "Evan ist Journalist und Journalismus ist kein Verbrechen."
Der 33-jährige Gershkovich war Ende März 2023 auf einer Reportagereise in Jekaterinburg am Ural festgenommen worden. Die russische Staatsanwaltschaft wirft ihm Spionage vor. Der US-Amerikaner, dessen Eltern aus der Sowjetunion stammen, und die Zeitung weisen die Vorwürfe vehement zurück. Auch die US-Regierung betonte, Gershkovich werde zu Unrecht festgehalten. Im Dezember teilte das Weiße Haus mit, Moskau habe ein Angebot Washingtons zur Freilassung des Journalisten abgelehnt. Ende Januar wurde seine Untersuchungshaft um weitere zwei Monate verlängert, womit er nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax vorläufig bis zum 30. März hinter Gittern bleibt.
Im Dezember 2022 war nach monatelangen Verhandlungen die wegen angeblichen Drogenbesitzes in Russland festgenommene US-Basketballspielerin Brittney Griner freigekommen. Die USA entließen im Gegenzug den als "Händler des Todes" bekannten russischen Waffenhändler Viktor Bout aus der Haft.
Tucker Carlson hatte das Gespräch mit dem Kremlchef bereits am Dienstag in Moskau geführt. Das 127 Minuten lange Interview erschien in der deutschen Nacht auf Carlsons Website und auf X. Es ist das erste ausführliche Gespräch Putins mit einem US-Interviewer seit Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine vor fast zwei Jahren. Carlson hatte das Interview zuvor als großes Medienereignis angekündigt.
Der 54-jährige Carlson ist für die Verbreitung von Verschwörungstheorien bekannt und wurde im vergangenen Jahr vom erzkonservativen US-Sender Fox News entlassen, dessen Aushängeschild er jahrelang gewesen war. Carlson vertritt scharf rechte Positionen - und steht mit Blick auf den Ukraine-Krieg für eine sehr russlandfreundliche und Kiew-kritische Haltung. So hat er wiederholt die US-Hilfe für die Ukraine kritisiert.
Quelle: ntv.de, ino/dpa