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Ampel beschließt Gesetzentwurf Regierung ermöglicht CO2-Speicher unter der Nordsee

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Für Großprojekte wie den Stuttgarter Hauptbahnof ("Stuttgart 21") werden auch künftig Unmengen Zement benötigt werden - doch der lässt sich bis auf Weiteres nicht klimaneutral herstellen.

Für Großprojekte wie den Stuttgarter Hauptbahnof ("Stuttgart 21") werden auch künftig Unmengen Zement benötigt werden - doch der lässt sich bis auf Weiteres nicht klimaneutral herstellen.

(Foto: picture alliance / imageBROKER)

Die Ampelkoalition ermöglicht etwas, das wie ein genialer Einfall wirkt: CO2 schon im Schornstein abfangen und anschließend im Boden speichern. Umweltverbände sind skeptisch bis dagegen. Die FDP klar dafür.

Die Idee ist bestechend: Statt den Klimakiller CO2 in die Luft zu blasen, kann man ihn vorher abfangen und gleich aus dem Abgas herausfiltern. So bleibt die Luft sauber und das Klima wird nicht weiter belastet. Genau das will die Bundesregierung jetzt ermöglichen. An diesem Vormittag hat die Ampelkoalition einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. Zwei Konzepte stehen dabei im Mittelpunkt: CCS und CCU.

Die erste Abkürzung steht für Carbon Capture and Storage, also Abfangen und Speichern von Kohlenstoff (CO2). CCU steht für Carbon Capture and Utilization - Abfangen und Nutzung von Kohlenstoff. Als Speicherort soll beispielsweise der Meeresgrund dienen. Dort gibt es gigantische Hohlräume, die beispielsweise nach der Förderung von Erdgas entstanden sind. Dort hinein könnte man CO2 pumpen.

Konkret sieht der Gesetzentwurf eine Carbon-Management-Strategie vor, mit der die CO2-Speicherung unter der Nordsee ermöglicht werden soll. Meeresschutzgebiete sollen unberührt bleiben. Außerdem soll erlaubt werden, CO2 an neuen Gaskraftwerken abzuscheiden und zu speichern - nicht aber an Kohlekraftwerken. Deren Auslaufen soll nicht infrage gestellt werden, indem man sie quasi-klimaneutral macht.

"Norwegens Geschenk an die Welt"

Die neue Speicher-Erlaubnis gilt aber nicht für das Festland. Gleichwohl gibt es eine Hintertür. Die Bundesländer sollen künftig selbst entscheiden dürfen, ob sie das ermöglichen wollen. "Der Einsatz von CCS in Deutschland ist eine große Chance für den Klimaschutz und die deutsche Wirtschaft", sagte FDP-Vize-Fraktionschef Lukas Köhler. Aber auch Wirtschaftsminister Habeck stellt sich hinter den Entwurf: "CCS und CCU sollen in Deutschland ermöglicht werden, sonst sind die Klimaschutzziele nicht zu erreichen", sagte er.

Dabei weiß er die meisten Klimaexperten hinter sich, darunter den Weltklimarat IPCC. Auf fossile Brennstoffe werden einige Branchen nicht schnell genug verzichten können, um die Klimaziele einhalten zu können. Dabei geht es beispielsweise um die Herstellung von Zement oder Kalk. Auch in anderen Produktionsverfahren kann vorläufig nicht vollständig auf fossile Brennstoffe verzichtet werden. Zugleich kann CO2 auch ein Rohstoff sein. Etwa für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe oder von Baumaterialien. Mit Norwegen gibt es auch bereits ein Land, das auch CO2 aus dem Ausland einspeichern will. Dort spricht man gar von "Norwegens Geschenk an die Welt" in Sachen Klimaschutz.

Alles paletti also, wenn sogar der Klimaschutzminister der Grünen den Daumen hebt? Nicht ganz. Ausgerechnet Umweltverbände stehen solchen Verfahren kritisch gegenüber. "Die Verpressung von CO2 täuscht eine Lösung nur vor", heißt es beispielsweise von Greenpeace. Die Methode sei "viel zu teuer, aufwendig und bräuchte Jahrzehnte bis zur Umsetzung". Außerdem sei sie nicht ausreichend erprobt: So sei etwa unklar, wie lange die geplanten CO2-Endlager "dicht halten".

Habeck: Zeit für Klima-Pragmatismus

Hinzu kommt, dass die Lagerstätten begrenzt sind. Dem Speichern von CO2 sind also Grenzen gesetzt. Klimaschützer fürchteten zudem, der Ausbau erneuerbarer Energien und sauberer Technologien könnte gebremst werden, wenn das Klimagas im großen Stil unter der Erde gelagert werde.

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Auch die Deutsche Umwelthilfe äußert sich entsetzt. Die Nordsee drohe zur CO2-Deponie zu verkommen, der fossilen Industrie werde der rote Teppich ausgerollt. "Der Gesetzentwurf zur Kohlenstoffspeicherung ist ein gefährlicher Schnellschuss", sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Erst über die neuen LNG-Terminals Fracking-Gas aus den USA zu importieren und dann die CO2-Emissionen der neuen Gaskraftwerke einzufangen, ist klimapolitisch absurd."

Er selbst habe CCS "vor 10, 15 Jahren kritisch gesehen", sagte Habeck. "Aber es ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und für pragmatischen Klimaschutz entscheidend." Diese und weitere Technologien seien "Treibstoffe für die Industrie der Zukunft". Es sei Zeit für "Klima-Pragmatismus". Und: "Es ist besser, das CO2 ist sicher im Boden als in der Atmosphäre."

Quelle: ntv.de, mit dpa/rts/AFP

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