Politik

Lange Reise, viele Themen Bundeskanzler Scholz hofft auf Xis Hilfe bei Putin

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Wichtige Handelsbeziehungen: Deutschland und China

Wichtige Handelsbeziehungen: Deutschland und China

(Foto: dpa)

Auf der längsten Auslandsreise seiner bisherigen Amtszeit hat Bundeskanzler Scholz eine umfassende Wirtschaftsdelegation dabei. In China geht es um Kooperationshemmnisse und Produktpiraterie, aber auch um den Ukraine-Krieg - und einen möglichen alternativen Draht zu Wladimir Putin.

Für jemanden aus Potsdam, Rüdesheim oder Hannover mag Berlin eine Großstadt sein. Sogar manche, die in Berlin leben, glauben das. Aber der Begriff Großstadt ist wie alles im Leben relativ. Wenn der Bundeskanzler am Sonntagmorgen zum Auftakt seiner Chinareise in Chongqing landet, besucht er eine Stadt, die mit offiziell 32 Millionen Einwohnern mehr als achtmal so viele Menschen beherbergt wie die deutsche Hauptstadt.

Chongqing, eine rasant wachsende Wirtschaftsmetropole im Südwesten Chinas, ist in ihren Ausmaßen in etwa so groß wie Österreich. Aktuell ist sie die größte Stadt der Welt, die sich, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, unter den 50 größten Volkswirtschaften wiederfinden würde, wäre sie ein unabhängiges Land. Allein die Dimensionen dieser einen Stadt lassen die globale Bedeutung des Riesenreichs erahnen - wirtschaftlich genauso wie geopolitisch. Manche sagen, wenn China sich den Fuß verstaucht, geht der Rest der Welt am Stock.

Nimmt sich Zeit für China: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Nimmt sich Zeit für China: Bundeskanzler Olaf Scholz.

(Foto: REUTERS)

Olaf Scholz kommt als Bundeskanzler bereits zum zweiten Mal nach China. Als er im November 2022 nach Peking reiste, blieb er nur ein paar Stunden. Die Corona-Pandemie diktierte die Regeln. Die Begleitung einer großen Wirtschaftsdelegation oder Besuche bei deutschen Unternehmen waren damals undenkbar. Das soll dieses Mal anders sein. Scholz, der ja wie seine Vorgänger auch, immer als oberster Handelsvertreter für Produkte und Dienstleistungen "Made in Germany" unterwegs ist, bleibt volle drei Tage in China. So viel Zeit hat er sich für ein einzelnes Land bisher noch nie genommen. Scholz trifft Präsident Xi Jinping, nimmt zusammen mit Ministerpräsident Li Qiang an einem Treffen des deutsch-chinesischen Wirtschaftsausschusses teil und besucht mehrere deutsche Unternehmen.

Riesiger Markt, große Risiken

Geopolitisch hofft Deutschland darauf, dass die Chinesen mehr Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausüben, um eine Lösung im Krieg um die Ukraine herbeizuführen. Präsident Xi Jinping gehört zu den wenigen, die überhaupt noch zu Putin durchdringen. Auch die angespannte Situation zwischen China und den USA und die Taiwan-Frage möchte Scholz ansprechen. Sollte sich China das als abtrünnige Provinz betrachtete Taiwan gewaltsam einverleiben, könnte das eine weltweite Sanktionspolitik gegen Peking auslösen. Viele Unternehmen, auch deutsche, wären unmittelbar betroffen und haben bereits damit begonnen, ihr Risikomanagement anzupassen. So wird die Produktion mehr und mehr lokalisiert, sodass die Unternehmen im Fall von Ex- und Importbeschränkungen den chinesischen Markt mit vor Ort produzierten Gütern bedienen könnten.

Auch ohne geopolitische Gefahren haben es die Wirtschaftsbeziehungen mit China in sich. 1,4 Milliarden Menschen - das ist ein riesiger Markt mit vielen Möglichkeiten, aber fast genauso vielen Risiken. Bekommt die chinesische Wirtschaft einen harmlosen Schnupfen, könnte ein an sich kerngesundes mittelständisches Unternehmen daran sterben. Buchstäblich. Umgekehrt wohl kaum. Allerdings ist auch der europäische und damit der deutsche Markt für China wichtig, den zu vernachlässigen sich die Chinesen nicht leisten können. Noch nicht, muss man wohl sagen.

Solange der sogenannte Globale Süden nicht imstande ist, die Handelsbeziehungen mit Europa auszugleichen, brauchen die Chinesen europäische Märkte. Das wird sich womöglich irgendwann ändern. Aber noch ist es nicht so weit. Noch sind beide Seiten aufeinander angewiesen. Allerdings waren die Beziehungen zwischen China und Deutschland schon mal besser, mindestens auf wirtschaftlicher Ebene. Maximilian Butek, der Geschäftsführer der Außenhandelskammer China, beklagt, dass die Gespräche in den vergangenen vier Jahren etwas eingeschlafen seien, und hofft auf eine Wiederbelebung durch den Besuch aus Deutschland.

Beziehungsprobleme der Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft ist mit großen Namen im Regierungsflieger von Olaf Scholz vertreten. Die Bosse von Siemens, Bayer, Mercedes, BMW, Merck, DHL und Thyssenkrupp sind an Bord. Sie alle hoffen darauf, dass der Bundeskanzler in den Gesprächen mit der chinesischen Führung ihre Sorgen mit Nachdruck anspricht. "Dass der Kanzler so lange nach China kommt und in drei Städte reist, ist ein starkes Zeichen der Normalisierung der Beziehungen", resümiert Maximilian Butek, und weiter: "Wir hoffen, dass Bundeskanzler Scholz der chinesischen Führung klarmacht, dass die Wirtschaft Probleme hat, die, wenn sie nicht gelöst werden, nicht zu einer Weiterentwicklung der deutsch-chinesischen Erfolgsstory führen werden."

Die Liste der Klagen deutscher Unternehmen ist lang: zunehmende Beschränkungen zum chinesischen Markt, fehlende Rechtssicherheit, unfaire Wettbewerbsbedingungen durch chinesische Subventionen in die eigene Wirtschaft und "buy chinese"-Aufforderungen an öffentliche Behörden, Probleme bei der schleppenden Produktzulassung, das alte Thema Produktpiraterie. All das macht der Wirtschaft das Leben schwer.

Mehr zum Thema

Aber nicht immer ist alles schwarz oder weiß, manchmal gibt es auch widersprüchliche Interessen in Europa und Deutschland, zum Beispiel beim Thema Solarenergie. "Einerseits wollen wir die Abhängigkeit von Öl und Gas reduzieren und die erneuerbaren Energien ausbauen. Also profitieren wir - wie auch die Verbraucher - von den billigen Überkapazitäten im Solarbereich aus China, zumindest kurzfristig", erläutert Maximilian Butek. Zugleich machten die Billigimporte die europäische Solarindustrie kaputt. Die deutschen Autokonzerne wiederum seien gegen EU-Verfahren bei E-Autos, weil sie sich in China trotzdem gute Geschäfte erhofften.

Der Bundeskanzler wird im Reich der Mitte mit ganz großem Besteck empfangen: ein Treffen mit Präsident Xi Jinping, militärische Ehren in der Großen Halle des Volkes und das "Who's who" der deutschen Wirtschaft im Regierungsflieger - viel größer könnten die Erwartungen an Olaf Scholz kaum sein.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen