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Minimalerfolg nach Vermittlung Union sperrt sich weiter gegen Wachstumspaket

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Zähe Debatten im Vermittlungsausschuss: Mecklenburg-Vorpommerns Landeschefin Schwesig und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther kommen nicht auf einen Nenner.

Zähe Debatten im Vermittlungsausschuss: Mecklenburg-Vorpommerns Landeschefin Schwesig und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther kommen nicht auf einen Nenner.

(Foto: picture alliance/dpa)

Es klingt nach einem Durchbruch für das zäh umkämpfte Wachstumschancengesetz der Ampelregierung: Am späten Abend stimmt eine Mehrheit im Vermittlungsausschuss dafür. Allerdings fehlen weiterhin die Stimmen der Union. So bleibt es bei einem Achtungserfolg.

Im Streit von Bund und Ländern über Wachstumsimpulse für die Wirtschaft durch Steuererleichterungen kann die Ampel-Koalition einen kleinen Etappensieg verbuchen. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beschloss am späten Abend einen Kompromissvorschlag, wie der Streit über das sogenannte Wachstumschancengesetz beigelegt werden könnte. Der Beschluss hat aber einen Haken: Die Union trug ihn nicht mit, eine Lösung ist somit nicht in Sicht. Eine Entscheidung könnte nun in der nächsten Bundesratssitzung am 22. März fallen. Bis dahin dürfte es weitere Gespräche über Einigungsmöglichkeiten geben.

Der Beschluss im Vermittlungsausschuss wurde nur mit einfacher Mehrheit der Vertreter der Ampel-Parteien von SPD, Grünen und FDP gefasst, mit 17 Ja- und 13 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Die Union trug ihn nicht mit. Das SPD-geführte Bremen und das CDU-geführte Berlin enthielten sich. Damit ist im Bundesrat die erforderliche Mehrheit für das zustimmungspflichtige Gesetz weiter nicht in Sicht. In solchen seltenen Fällen wird von einem "unechten Vermittlungsergebnis" gesprochen. Aufgabe des Vermittlungsausschusses ist es eigentlich, einen Kompromissvorschlag zu machen, der eine Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat findet.

Möglich wurde der Ausschussbeschluss durch die Verfahrensmehrheit der Vertreter von SPD, Grünen und FDP. Der Ausschuss zählt 16 Vertreter aus dem Bundestag und je einen Vertreter der 16 Bundesländer. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Für die Ampel ist dies ein kleiner Etappensieg, weil sie die Reihen mit den SPD-geführten Ländern geschlossen hielt. Bei Abstimmungen im Bundesrat haben die Bundesländer je nach Größe dagegen unterschiedlich viele Stimmen – von drei Stimmen bei kleinen Ländern wie Hamburg bis hin zu sechs Stimmen bei größeren Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg. Dort können die unionsgeführten Länder nicht überstimmt werden.

Keine Bundesratsmehrheit in Sicht

Das Wachstumschancengesetz ist ein Zustimmungsgesetz. Wenn der Bundesrat kein grünes Licht gibt, wäre das Gesetz gescheitert. Die 16 Bundesländer haben zusammen 69 Stimmen – die erforderliche Mehrheit beträgt 35 Stimmen. Die sieben SPD-geführten Länder kommen auf 26 Stimmen – davon können sie aber höchstens 22 in die Waagschale werfen, weil sie in Brandenburg auch mit der CDU regieren, die im Streitfall auf Enthaltung bestünde. Das von den Linken mit SPD und Grünen regierte Thüringen kommt auf vier Stimmen. Die Ampel müsste daher für eine Mehrheit mindestens zwei Länder auf ihre Seite ziehen, die von der Union geführt oder mitregiert werden.

Über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses müssen nun Bundestag und Bundesrat in getrennten Sitzungen abstimmen. Die Länderkammer tagt das nächste Mal am 22. März. Bekommt der Kompromissvorschlag dort keine Mehrheit, wäre das Vermittlungsverfahren gescheitert. Das Gesetz stünde damit aber nicht zwangsläufig endgültig vor dem Aus. Denn Bundestag oder Bundesregierung könnten den Vermittlungsausschuss zum selben Gesetz noch einmal einschalten.

Die Ampel will die Union mit dem Beschluss des Vermittlungsausschusses zum Schwur zwingen. Sie setzt darauf, dass nicht ausgerechnet die sich als wirtschaftsnah darstellende Union am 22. März Steuersenkungen ihre Zustimmung verweigern wird.

Auch SPD-Länder wollen Überarbeitung

Das laufende Vermittlungsverfahren geht auf einen Beschluss des Bundesrates am 24. November zurück. Die Länderkammer forderte auch mit Stimmen SPD-geführter Länder eine "grundlegende Überarbeitung" des Gesetzes. Die Länder wandten sich gemeinsam vor allem dagegen, dass Länder und Kommunen einen Großteil der auf sechs bis sieben Milliarden Euro geschätzten Steuerentlastungen finanzieren sollten. Diesen Bedenken wurde mittlerweile Rechnung getragen: Eine informelle Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern hat das Gesetzesvorhaben deutlich abgespeckt und das ursprüngliche Entlastungsvolumen auf noch etwa 3,2 Milliarden Euro halbiert.

Die Union macht ihre Zustimmung nun davon abhängig, dass die Ampel Kürzungen bei den Steuerhilfen für die Landwirtschaft beim Agrar-Diesel zurücknimmt. Dabei geht es um etwa 450 Millionen Euro. Die Ampel hatte sich beim Bundeshaushalt für 2024 verständigt, die Hilfen über drei Jahre schrittweise bis 2027 auslaufen zu lassen. Die Kürzungen sind Teil des Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes, das ebenfalls am 22. März im Bundesrat ansteht. Dafür ist die Zustimmung der Länderkammer aber nicht erforderlich. Aufhalten könnte die Union das Gesetz nur, wenn sie eine Mehrheit für einen Einspruch aufbrächte. Die dafür erforderliche Stimmenzahl hat die Union aber nicht. Die Kürzungen beim Agrar-Diesel halten allerdings auch SPD-geführte Länder nicht für glücklich.

Schwesig hofft auf Kompromiss mit Bauern

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Es sei gut, dass die Bundesregierung und die Ampel-Fraktionen mit den Bauern im Gespräch seien, sagte Mecklenburg-Vorpommerns sozialdemokratische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig am Abend: "Spätestens bis zur Bundesratssitzung am 22. März muss es ein ganz klares substanzielles Ergebnis mit den Bauern geben." Die Ampel setzt darauf, dass Zugeständnisse an die Bauern – womöglich an anderer Stelle – der Union eine Zustimmung zum Wachstumschancengesetz erleichtern würde. Als eine Möglichkeit für ein Entgegenkommen an die Bauern wird in der Bundesregierung die Brachflächenregelung diskutiert. Die EU-Kommission will ohnehin die Vorgaben lockern, wonach Bauern ab diesem Jahr vier Prozent ihrer Ackerfläche zum Schutz der Artenvielfalt brachliegen lassen müssten. Stattdessen sollen sie diese Flächen auch mit stickstoffbindenden Pflanzen wie Linsen, Erbsen oder Zwischenfrüchten bepflanzen dürfen. Die Umsetzung dieser Lockerung wird im Landwirtschaftsministerium derzeit vorbereitet. Entschieden ist dies aber noch nicht.

Der Kompromissvorschlag der Bund-Länder-Gruppe, der mit einfacher Mehrheit im Ausschuss beschlossen wurde, beinhaltet mehrere Dutzend Änderungen. Die wichtigsten Einzelpunkte betreffen den Wohnungsbau, steuerliche Verlustvorträge für Unternehmen und die Forschungsförderung. Den rückläufigen Wohnungsbau soll eine neue degressive Abschreibung in Schwung zu bringen. Für sechs Jahre könnten fünf Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten abgeschrieben werden. Auf vier Jahre befristet sollen Unternehmen in stärkerem Umfang Verluste mit Gewinnen in folgenden Geschäftsjahren verrechnen können. Das verschafft ihnen mehr Liquidität. Die Förderung von Investitionen in Forschung und Entwicklung in den Unternehmen soll auch deutlich verstärkt werden.

Quelle: ntv.de, mau/rts

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