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Kühnert bei Lanz Verhalten von Lindner und Habeck "schon ein bisschen merkwürdig"

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Ein bisschen genervt von den lieben Kollegen in der Ampel-Koalition: SPD-Generalsekretär Kühnert.

Ein bisschen genervt von den lieben Kollegen in der Ampel-Koalition: SPD-Generalsekretär Kühnert.

(Foto: IMAGO/Fotostand)

Die Ampel-Koalition streitet über steuerliche Entlastungen von Unternehmen. Bei Markus Lanz mischt sich auch SPD-Generalsekretär Kühnert in die Auseinandersetzungen ein und appelliert an die Konsensfähigkeit der Koalitionspartner.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat heftige Kritik am Verhalten von Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und Finanzminister Christian Lindner von der FDP geübt. Bei Markus Lanz im ZDF weist Kühnert auf die unterschiedlichen Ansätze vor allem in der Wirtschaftspolitik innerhalb der verschiedenen politischen Lager hin. Das gelte auch für die Parteien der Ampel-Koalition. "Und wir müssen zu Konsensen miteinander kommen. Den größten haben wir gerade getroffen für das laufende Jahr, indem wir den Haushalt beschlossen haben", so Kühnert. Und weiter: "Und es ist dann schon ein bisschen merkwürdig, wenn diejenigen, die diesen Haushalt mit ausgehandelt haben, drei Tage später um die Ecke kommen und so tun, als gäbe es da jetzt noch eine ganz wichtige zusätzliche Idee, die ihnen bis gestern nicht eingefallen ist, und die könnte man doch jetzt mal machen."

Konkret geht es um zwei sehr unterschiedliche Vorschläge, die Unternehmen mehr Investitionsmöglichkeiten verschaffen sollen. Habeck hatte in einer Rede im Bundestag einen Sonderfonds in Höhe von 30 Milliarden Euro vorgeschlagen, aus dem Steuererleichterungen finanziert werden sollten. Mittlerweile ist er wieder zurückgerudert. Finanzminister Lindner fordert dagegen die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle. Den Soli zahlen vor allem Großunternehmen.

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November habe die Bundesregierung für das Jahr 2024 eine Haushaltslücke von fast 20 Milliarden Euro schließen müssen, so Kühnert. Für das kommende Jahr werde die Lücke größer, falls nicht auf der Einnahmen- oder der Ausgabenseite irgendetwas Großes gemacht werde. "Wenn jetzt also Herr Lindner kommt – ich nehme ihn mal beispielhaft – und sagt: Soli-Abschaffung für Unternehmen in Deutschland, ich glaube, da reden wir von siebeneinhalb Milliarden Euro in etwa, die das ausmachen würde, und macht keinen Gegenfinanzierungsvorschlag dazu, dann heißt das nichts anderes als: Die eh schon 25 Milliarden große Lücke wird einfach noch mal um 7,5 Milliarden größer. Da muss man kein Bundesfinanzminister sein, um zu wissen: Das wird nicht funktionieren", sagt Kühnert.

Habecks Idee für ein Sondervermögen hält Kühnert für illusorisch. Der Vorschlag des Ministers sei an die Union gerichtet gewesen, weil Habeck gewusst habe, dass er dafür eine Zweidrittel-Mehrheit brauche. "Das ist wahrscheinlich das, was man allgemein ein vergiftetes Angebot nennt, denn Robert Habeck kennt die Position der Union zu diesem Thema. Die werden das nicht machen." Er gehe davon aus, dass es in der nächsten Wahlperiode eine Reform der Schuldenregeln in Deutschland gebe, sagt der SPD-Politiker.

Die Ökonomin Veronika Grimm gibt jedoch zu bedenken, dass es zu einer solchen Reform eine Zweidrittel-Mehrheit der demokratischen Parteien brauche. Wenn diese sich jetzt nicht auf ein Vorgehen einigten, das 2025 die Situation beruhige und gleichzeitig ein paar Wachstumsimpulse setze, werde man von den extremeren Parteien immer unter Beschuss genommen. Inzwischen hat sich auch Bundeskanzler Scholz in den Streit eingemischt. Er setzt auf das Wachstumschancengesetz, das zurzeit von Bundestag und Bundesrat verhandelt wird.

Diskussion um Lieferkettengesetz

Auch mit dem Verhalten von Lindner und dem liberalen Justizminister Marco Buschmann bei der europäischen Lieferkettenrichtlinie ist Kühnert nicht einverstanden. Beide Minister seien noch vor Kurzem dafür gewesen, sagt der Sozialdemokrat. Nun haben sie sich dagegen ausgesprochen, und Deutschland wird sich bei der entsprechenden Abstimmung enthalten. Damit dürfte die Richtlinie in Europa keine Mehrheit mehr haben.

In Deutschland gibt es bereits ein solches Gesetz, das noch unter Bundeskanzlerin Merkel beschlossen worden war. Das "Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz" gilt seit 2023. Ziel des Gesetzes: Unternehmen müssen die gesamte Lieferkette vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt prüfen und bei Hinweisen auf Verstöße wie Kinderarbeit tätig werden. Das gilt seit diesem Jahr für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern sowie für Unternehmen, die Teil der Lieferkette sind.

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Ökonomin Grimm kritisiert das Abstimmungsverhalten Deutschlands nicht, findet aber die Ziele des Gesetzes nachvollziehbar. "Ich glaube auch, für die Unternehmen ist es natürlich ein Reputationsrisiko, wenn es rauskommt, dass man Produkte vertreibt, die besonders günstig sind, weil Kinderarbeit dahintersteht."

Das Gesetz sei jedoch schwer umzusetzen, sagt Grimm. "Das eine ist der Bürokratieaufbau, und das Andere ist, dass es natürlich auch verschiedenen Zielen zuwiderläuft, die wir auch haben, zum Beispiel Diversifizierung und Resilienz." Wolle ein Unternehmen seine Lieferbeziehungen diversifizieren, also auf mehrere Händler verteilen, müsse es all diese Lieferketten durchblicken. Und das könne teuer werden, sagt die Ökonomin. Sie sei jedenfalls von der kontroversen Diskussion über das Gesetz nicht überrascht.

Quelle: ntv.de

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