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Terrorakte gemeinsam geplant Wie die Mullahs bei der Hamas die Strippen ziehen

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Einen Tag vor dem Hamas-Massaker begehen Al-Quds-Brigaden den 36. Jahrestag der Gründung des Palästinensischen Islamischen Dschihad. Anhänger bei der Kundgebung am 6. Oktober in Gaza-Stadt.

Einen Tag vor dem Hamas-Massaker begehen Al-Quds-Brigaden den 36. Jahrestag der Gründung des Palästinensischen Islamischen Dschihad. Anhänger bei der Kundgebung am 6. Oktober in Gaza-Stadt.

(Foto: IMAGO/PIN)

Die entfesselte Gewalt vom 7. Oktober war langwierig geplant - und das nicht nur in Gaza, sagt der Iran-Experte Aarabi. Wie iranische Dschihadisten die Hamas für ihre Zwecke nutzen, sei klar sichtbar.

Der 7. Oktober 2023 - ein Tag, der vor menschlichen Tragödien birst. Der Vater, der sich wissentlich in den Kugelhagel der Terroristen stellt, damit seine Frau mit dem Baby die Chance hat zu fliehen. Die Neunjährige, die allein nach Gaza entführt wird. Die Familie, die man erschossen in ihrem Schutzraum findet; Eltern und drei Kinder halten sich tot im Arm.

Die Wucht, mit der die Hamas-Terroristen das Leid über Israel gebracht haben, ließ sich nicht spontan erzeugen. Zwar schätzen israelische Sicherheitsbehörden, dass die Terrororganisation selbst überrascht darüber war, wie viele Männer, Frauen und Kinder sie an jenem Samstag massakrieren oder entführen konnte, dass man mit 240 Menschen nun womöglich mehr Geiseln in Gaza hält, als die Gruppe überhaupt handhaben kann. Doch der Masterplan für das blutige Massaker war ausgefeilt, entstand schon vor vielen Monaten und offenbar nicht im Gazastreifen.

Die Kommandozentrale im Libanon

"In Bezug auf Planung und Koordination des Terroranschlags sehen wir, dass die Islamischen Revolutionsgarden des Iran schon im Jahr 2021 einen gemeinsamen Kommandoraum für Hamas und Hisbollah geschaffen haben", erklärt der Iran-Experte Kasra Aarabi. "Sie haben sich im Libanon zusammengesetzt, um Terroranschläge gegen Israel und jüdische Ziele in der ganzen Welt zu planen."

Der Politologe mit persischen Wurzeln, der am Londoner King's College studierte, ist spezialisiert auf Recherche zu den Revolutionsgarden, einer mit etwa 190.000 Kämpfern militärisch und politisch enorm mächtigen Institution im Iran. Sie ist eng verbunden mit dem Obersten Führer, Ayatollah Chamenei, und unterdrückt im eigenen Land jegliches Aufbegehren gegen das Mullah-Regime. Ihr für "Internationales" zuständiger Arm, die Quds-Brigaden, verfolgt das erklärte Ziel, den Staat Israel auszuradieren. "Quds" steht als arabische Kurzform für Jerusalem.

"Die Revolutionsgarden des Iran sind die judenfeindlichste Organisation weltweit", sagt Aarabi im Gespräch mit ntv.de, sie seien islamistische Hardliner, die ihre Rekruten und deren Familien den Dschihad, den "Gotteskampf" lehren gegen Juden, Christen und iranische Regimegegner. "Sie alle müssen nach ihrer Lehre konvertieren oder getötet werden." Schon seit geraumer Zeit beobachtet Aarabi, der für die New Yorker NGO "United Against Nuclear Iran" forscht, Veränderungen in der Doktrin der Brigaden, in ihren Strukturen, beim Personal. Vieles deutete darauf hin, dass die Islamisten "vorwärtskommen wollten in der Konfrontation mit Israel. Sie trafen Vorbereitungen für diese Konfrontation."

Um Israel zu zerstören und Ungläubige zu bekämpfen, bildeten die Revolutionsgarden vor knapp 20 Jahren die sogenannte "Achse des Widerstands" mit Syrien, Irak, Libanons Hisbollah und den Huthis im Jemen. Die Hamas als einzige sunnitische Gruppe unter lauter Schiiten hatte zunächst kein so enges Verhältnis zum Iran. Doch waren die Quds-Brigaden pragmatisch genug, um auch religiöse Gegner in ihrem Kampf gegen Israel zu nutzen.

Die Iraner baten um "Live-Updates"

Dies geschah relativ offen. Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian, selbst ein aktives Mitglied der Brigaden, reiste nach Syrien, in den Irak, in den Libanon und nach Gaza. "Er traf sich mit hochrangigen Hamas-Vertretern, einschließlich des Chefs Ismail Hanija, und erklärte, was er von der Hamas, von der Achse des Widerstands, erwartete: Live-Updates über die Situation vor Ort."

Die Beziehungen zwischen den Revolutionsgarden und der Hamas begannen aber schon in den 1990er Jahren zu florieren, "als palästinensische Kämpfer an der Hisbollah-Universität im Libanon ausgebildet wurden für Selbstmordattentate und anderen Terror", sagt Aarabi. Ein Kontingent von Hamas-Terroristen wurde auch nach Taba geschickt für eine Ausbildung an Raketen.

Seit 2021 hat die Hamas in der "Achse des Widerstands" laut Aarabi sichtbar an Bedeutung gewonnen. Die Revolutionsgarden sind ihr größter militärischer, logistischer, finanzieller und rüstungstechnischer Unterstützer. Eine strategische Schlüsselrolle in diesem Verhältnis spielte der Anfang 2020 von den USA ermordete iranische General Ghassem Soleimani. Der orchestrierte und plante Anschläge gegen US-Ziele im Nahen Osten und unterstützte die Hamas "sowohl bei der Rekrutierung und Radikalisierung junger Palästinenser für den Terror, als auch beim Ausbau des ausgeklügelten unterirdischen Tunnelnetzes unter dem Gazastreifen", so der Iran-Experte.

Auch die perfide Strategie, die eigenen Kämpfer, Waffen und Infrastruktur hinter der Zivilbevölkerung zu verstecken, ist keine Idee der Hamas gewesen, sondern war von der Hisbollah abgekupfert, die schon 2006 dieses Modell angewandt hatte: "Den Wiederaufbau von zivilen Gebäuden, Schulen, Krankenhäusern, Moscheen und Wohnhäusern mit dem einzigen Zweck zu betreiben, dort eigene Raketen zu lagern." Eine Strategie, die Israel heute vor das Problem stellt, dass Hisbollah-Stellungen kaum angreifbar sind, ohne auch zivile Opfer zu treffen.

Informationskrieg wie aus dem Lehrbuch

Gemäß Aarabis Analyse können die iranischen Strippenzieher mit dem bisherigen Ergebnis des Massakers zufrieden sein, auch in Bezug auf den Informationskrieg. Das beste Beispiel aus seiner Sicht ist die Falschmeldung, dass ein Krankenhaus beschossen worden sei. "Viele westliche Medien haben die Darstellung der Hamas übernommen und veröffentlicht. Und obwohl Erkenntnisse, zum Beispiel des kanadischen Geheimdienstes, bald darauf hindeuteten, dass es sich um eine fehlgeschlagene Rakete des Islamischen Dschihad handelte, war der Schaden bereits angerichtet." Dies sei ein Konzept "wie aus dem Revolutionsgarden-Lehrbuch".

Die Kombination von Terror mit psychologischer Kriegsführung wie auch die entfesselte Gewalt des Anschlags ähnelt laut Aarabi dem, was auch Hisbollah schon gezeigt hat. "Es ist unmöglich, dass die Revolutionsgarden am Massaker des 7. Oktober nicht beteiligt waren." Die Hamas verfügt nicht über die technischen Möglichkeiten, Anschläge dieser Größenordnung durchzuführen. Die Vorstellung, dass dieser Anschlag ohne das grüne Licht der Revolutionsgarden stattfand, ohne die strategische Koordination und Planung dahinter - aus Expertensicht "unvorstellbar".

Auch außerhalb des Nahen Ostens sieht der Forscher die Revolutionsbrigaden aktiv, zum Beispiel mit sogenannten "soft power"-Einsätzen. Eine eng mit ihnen verbundene iranische Universität betreibt demnach offizielle Kooperationen mit fünf deutschen Hochschulen. "Erst am Montag haben wir diese Verbindungen aufgedeckt", so Aarabi. "Der Präsident dieser Uni hat Verbindungen zum ideologischen Leiter der Brigaden, der zum bewaffneten Dschihad gegen Juden aufruft." Ein anderes Beispiel waren für den Experten die teils großen Kundgebungen in Deutschland, die zur Solidarität mit den Palästinensern aufriefen, aber immer wieder auch zum Kampf gegen Israel. Sie seien von islamistischen Netzwerken orchestriert.

Quelle: ntv.de

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