Umstrittene Rede in Köln Wie kam der Taliban-Funktionär nach Deutschland?
18.11.2023, 20:53 Uhr Artikel anhören
Der Pressesprecher der Taliban postete ein Foto des Auftritts.
(Foto: X / Pressesprecher der Taliban)
Ein Vertreter des afghanischen Taliban-Regimes bekommt in Deutschland eine Bühne. Die Empörung darüber ist groß, der Ruf nach Aufklärung wird laut. Es bleibt die Frage, wie der Mann in die Bundesrepublik gelangen konnte.
Die Veranstaltung sorgt für Empörung: Am Donnerstag tritt ein hochrangiger Taliban-Funktionär in einer Kölner Moschee auf. Abdul Bari Omar, der Leiter der Taliban-Kontrollbehörde für Arzneien und Nahrungsmittel, kann dort ungestört seine Botschaften verbreiten. Dort soll er seinem Publikum erzählt haben, dass Afghanistan heute ein sicheres Land und der Wiederaufbau "in vollem Gange" sei. Dokumentiert wurde der Auftritt mit zwei Fotos auf dem X-Account des Taliban-Pressesprechers. Als "unerträglich" bezeichnete der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, dass der Mann in Deutschland "seine unmenschliche Ideologie verbreiten" könne.
Es bleibt die Frage, wer den Taliban-Vertreter in den Saal der Kölner Moschee eingeladen hat. Der Dachverband Ditib, dem die Kölner Moschee angehört, erklärte zunächst: Ein Kulturverein habe die als religiös angekündigte Veranstaltung organisiert und sich dabei nicht an eine vertragliche Vereinbarung gehalten. Der "Afghanische Kulturverein Köln Meschenich" widersprach jedoch, man sei weder beteiligt noch anwesend gewesen. Man habe unter anderem wegen Rufschädigung Anzeige erstattet.
Später korrigierte Ditib seine Angaben: Tatsächlich sei der Saal Personen zur Verfügung gestellt worden, die Ditib als Vorstand des Vereins "Kulturverein der Kunar Jugendlichen e. V." bekannt seien und in dessen Namen handelten.
Unterdessen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Auftritt des Taliban-Funktionärs heftig kritisiert und Aufklärung angekündigt. "Der Auftritt des Taliban-Vertreters in Köln ist vollkommen inakzeptabel und scharf zu verurteilen", sagte die SPD-Politikerin. "Niemand darf radikalen Islamisten in Deutschland eine Bühne bieten." Die zuständigen Behörden gingen dem Fall intensiv nach. Vom Dachverband Ditib erwarte man "eine vollständige und sehr schnelle Aufklärung". Das Bundesinnenministerium hatte selbst nach Angaben eines Sprechers vorab keine Kenntnis von dem Auftritt.
Kam der Taliban-Vertreter von einer WHO-Konferenz?
Nur, wie kam der Taliban-Vertreter nach Deutschland? Das Auswärtige Amt, das den Auftritt ebenfalls verurteilte, schrieb auf X, dass es "kein Visum durch eine unserer Visastellen erteilt" habe. Die Reise sei auch nicht vorab angekündigt worden. "Wir erkennen die Taliban nicht an. Solange die Taliban in Afghanistan in eklatanter Weise die Menschenrechte, insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen mit Füßen treten, wird es keine Normalisierung mit dem Taliban-Regime geben."

Waren gemeinsam auf einer WHO-Konferenz: Gesundheitsminister Kuipers und der Taliban-Funktionär Omar.
(Foto: Screenshot X)
Dabei gibt Omar selbst einen Hinweis darauf, wie er ins Land gereist war. Womöglich hat er das Visum nicht in Deutschland, sondern ein Visum in einem anderen Land des Schengen-Raums erhalten hat, den Niederlanden: Im niederländischen Den Haag fand vom 6. bis 8. November eine Konferenz der Weltgesundheitsorganisation WHO statt. Dort war auch ein Vertreter der Taliban vor Ort - niederländischen Berichten zufolge soll es sich um eben jenen Abdul Bari Omar handeln, der am Donnerstag in Köln sprach. Es werde untersucht, wie das möglich war, teilte der niederländische Gesundheitsminister Ernst Kuipers auf X mit.
Foto mit dem Gesundheitsminister
Der niederländische Gesundheitsminister hatte sich bei der Konferenz auch mit dem Taliban-Vertreter fotografieren lassen. Das Foto war bereits vor eineinhalb Wochen über X verbreitet worden, doch in den Niederlanden war es erst jetzt nach dem Wirbel über den Vorfall in Köln bekannt geworden. Kuipers bedauerte das gemeinsame Foto. Er habe nicht gewusst, um wen es sich handelte. "Selbstverständlich will ich auf keinster Weise assoziiert werden mit diesem schrecklichen Regime: Ich stehe hinter den Menschenrechten und besonders Frauenrechten."
Unklar ist laut "SZ" ohnehin, ob die deutschen Behörden den Auftritt des Taliban-Vertreters hätten verhindern oder ahnen können. Dort sei "nach bisherigen Erkenntnissen" keine Straftat begangen worden. Das Düsseldorfer Innenministerium verwies zudem auf eine Bewertung des Generalbundesanwalts. Nach dieser handle es sich bei den Taliban mit deren Machtübernahme in Afghanistan und der Bildung einer Regierung im September 2021 "ab diesem Zeitpunkt" nicht mehr um eine kriminelle oder terroristische Vereinigung.
Quelle: ntv.de, ses/dpa