Politik

Asylpolitik bei "Hart aber Fair" "Wir versuchen nur noch, unterzubringen"

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Bei "Hart aber fair" geht es um das Dauerbrennerthema Asylpolitik.

Bei "Hart aber fair" geht es um das Dauerbrennerthema Asylpolitik.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Über 350.000 Menschen haben im vergangenen Jahr Asylanträge in Deutschland gestellt. Menschen, die untergebracht und versorgt werden müssen und deren Kinder zur Schule müssen. "Das schaffen wir nicht", sagt Sachsens Innenminister Schuster bei "Hart aber fair".

Die Zahl der geflüchteten Menschen in Deutschland nimmt weiter zu. Viele Gemeinden fühlen sich überfordert und fordern eine schnelle Lösung. Wie die Zahl der nach Deutschland einreisenden Geflüchteten gesenkt werden könnte, ist das Thema in der ARD-Sendung "Hart aber fair" am Montagabend.

Ein Problem der Kommunen nennt der sächsische Innenminister Armin Schuster von der CDU. Immer neue geflüchtete Menschen kämen nach Deutschland, obwohl die Menschen aus der letzten großen Flüchtlingswelle in den Jahren 2015 und 2016 noch gar nicht richtig in die Gesellschaft integriert seien. In den letzten zwei Jahren seien mehr als eine halbe Million Geflüchteter nach Deutschland gekommen. Zusätzlich seien die Menschen aus der Ukraine aufgenommen worden. "Das ist jenseits aller Limits", sagt Schuster. In Sachsen gebe es Gemeinden, in denen doppelt so viele Geflüchtete wie Menschen aus Deutschland lebten, sagt Schuster. "Da ist nichts mehr klug dran. Aber ich habe keine Möglichkeit mehr, klug zu entscheiden. Es geht nur noch darum, das wenige, was wir noch haben, zu suchen und zu finden. Und deswegen sage ich Ihnen ganz offen: Ohne eine drastische Begrenzung wird dieses Jahr 2024 nicht wieder so ablaufen können. Das schaffen wir nicht."

Die "atmende Obergrenze"

Schuster gehört zu den Autoren des Konzepts der "atmenden Obergrenze". Diese Idee ist mittlerweile acht Jahre alt. "Die Urmotivation für das Thema Obergrenze war immer: Dieses Land kann, wenn es christlichen Werten folgt, aus unserer Sicht bis zu einer bestimmten Grenze Menschen so behandeln, wie wir es wollen, also keine Zelte, keine Turnhallen und so weiter", erläutert Schuster. Diese Obergrenze lag ursprünglich bei 200.000 bis 300.000 Menschen pro Jahr. Weil sich aber die Zahl der Geflüchteten in den letzten Jahren dramatisch erhöht hat, forderte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer kürzlich eine Obergrenze von 60.000 Migranten jährlich vor. Schuster unterstützt diesen Vorstoß. Unter diesen Umständen wäre es seiner Ansicht nach möglich, die geflüchteten Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. "Was wir jetzt tun, hat mit Integration nicht mehr viel zu tun. Wir versuchen nur noch, unterzubringen", sagt der CDU-Politiker.

"Das ist am Ende keine seriöse Politik, die Sie hier machen", wirft die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Katharina Dröge, dem sächsischen Innenminister vor. Eine solche Begrenzung sei weder mit dem Grundgesetz noch mit dem Europarecht oder dem internationalen Recht vereinbar. "Deswegen wird es nicht kommen, und deswegen hat auch die CDU in 16 Jahren Regierungsbeteiligung niemals versucht, das umzusetzen." Dröge verweist auf Kommunen, in denen die Bürger sich für die Aufnahme von weiteren Geflüchteten bereit erklärt haben. So will zum Beispiel die Samtgemeinde Fürstenau im Landkreis Osnabrück nach einem Bürgerentscheid einen Teil der dortigen Pommernkaserne Geflüchteten zur Verfügung stellen. Ab dem kommenden Sommer sollen dort auf einer Fläche von zehn Hektar rund 500 Migranten einziehen.

Dröge möchte jedoch auch etwas gegen den wachsenden Zuzug von Migranten tun. Sie nennt drei Punkte: Zum einen brauche es Migrationsabkommen mit Herkunftsländern der Geflüchteten. Daran arbeite die Bundesregierung, eines sei bereits unter Dach und Fach, weitere würden folgen. Weiter fordert sie einen fairen Verteilungsschlüssel für Migranten in der Europäischen Union. Und schließlich will sie, dass die Fluchtursachen wie Hunger, Krieg und Armut bekämpft werden.

Flüchtlinge entmutigen

Schuster sieht noch einen anderen Weg, die Geflüchtetenzahlen zu begrenzen. Erstmals vorgeschlagen hat ihn der Migrationsforscher Gerald Knaus, der auch Gast bei "Hart aber fair" ist. Knaus gilt als Erfinder des letztlich gescheiterten Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei. Er befürwortet die Drittstaatenregelung. Dabei werden Asylanträge von Geflüchteten in einem Land außerhalb der EU bearbeitet. Entsprechende Verträge haben Großbritannien und Ruanda sowie Italien und Albanien abgeschlossen. Das Ziel sei, so Knaus, "im Einklang mit der Menschenrechtskonvention Menschen zu entmutigen".

Bei dem Drittstaat käme es nicht darauf an, ob es Ruanda, Marokko oder die Türkei sei, sagt Knaus. "Das Entscheidende ist, dass es ein sicheres Land ist." Dann könne man die Menschen auch nach gescheiterten Asylverfahren in ihre Herkunftsländer zurückbringen. Das sehe der Vertrag vor, den Großbritannien mit Ruanda geschlossen habe. Dort würden die Geflüchteten in Hotels untergebracht, und sie dürften dort bleiben, bis das Asylverfahren abgeschlossen sei. Das gelte auch für Minderjährige, die Schutz bräuchten. "Ruanda kümmert sich, England finanziert die Integration", sagt Knaus.

Ein Problem dieses Vorschlags spricht der Soziologe Özgür Özvatan an. Er fragt, warum Geflüchtete gerade in Ruanda untergebracht werden sollten und nicht in einem demokratischen Land. Entweder überhören die Drittstaaten-Verfechter die Frage, oder sie wollen nicht antworten. Leider hakt auch Moderator Klamroth nicht weiter nach. Doch auch Dröge ist gegen die Drittstaaten-Lösung. "Wir und Sie wissen, dass das nicht funktioniert", wirft sie Schuster und Knaus vor. Die Berliner Senatorin für Integration, Cansel Kiziltepe, nennt die Drittstaatenregelung "Abschreckung und Abschottung". Sie ist der Meinung, sie verstoße gegen das Grundgesetz.

Quelle: ntv.de

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